Von Klassik auf Rock

  • Ersteller Secreton
  • Erstellt am
Hallo Secreton,

Ich kenne ja deine Hörprobe und da ein dreiviertel Jahr nicht viel ist, bin ich mir relativ sicher, dass du einfach ein Gesangsanfänger bist und dein Gesang garantiert noch lange nicht klassisch klingt (vor allem nicht, wenn deine Hörgewohnheiten im Rock liegen und nicht in der Klassik). Ich schätze dir fehlt einfach noch die Atempower, weswegen der Gesang zu lieb und schwächlich klingt. Hättest du schon eine klassische Stimme, hättest du jedenfalls kein Powerproblem. Bei Männern ist der Unterschied zwischen Klassik und Pop nicht so riesig wie bei Frauen, weil wie Foxx schon geschrieben hat, Männer auch in der Klassik überwiegend mit Modalstimme singen. Die Stimme wäre also trotzdem laut und durchdringend, aber für Rock evtl zu pathetisch.
Was ich damit sagen will ist, dass die Klassik an dir bestimmt noch keinen Stilschaden angerichtet hat. Das was dir an deiner Stimme fälschlicher Weise "klassisch" vorkommt, ist wahrscheinlich einfach nur mangelndes Training. Wenn dein Lehrer akzeptiert und berücksichtigt, dass du keine Klassik singen willst, sondern Rock, dann kannst du bestimmt weiterhin ne Zeit lang bei dem bleiben und die Basics lernen, die im Contemporarygesang die gleichen sind (Atemanbindung, Stimmbandschluss, Vordersitz). Auf Dauer solltest du dir aber wirklich einen Lehrer suchen, der dir den Rockstil vermitteln kann. Wenn es tatsächlich keinen in nächster Nähe gibt, dann muss man sich überlegen eine längere Fahrt in Kauf zu nehmen. Ich bin für eine Lehrerin auch ein Jahr lang ne dreiviertel Stunde mit dem Auto hingefahren (waren glaube ich auch etwa 30 km). Wenn man dann nur alle zwei Wochen hingeht (evtl. für ne Doppelstunde und dafür zwischen dem Unterricht fleißig übt) kann man sich auch Fahrtkosten sparen. Nicht vergessen jeden Lehrer zu fragen, ob der nicht doch jemanden kennt, der näher an dir dran wohnt und auch Rock macht.

Jedenfalls viel Erfolg und vor allem Spaß bei der ersten Bandprobe! Drücke dir die Daumen, dass es klappt, denn Praxis ist absolut wertvoll, wenn man mit Gesang weiterkommen will.
 
Nur um wiedermal drauf hinzuweisen (mein Lieblingsthema :D): auch in der Klassik brauchts einen absolut gut gefestigten Vordersitz!
Genau. Um den Vordersitz kommt eigentlich keiner herum, der es richtig machen will.
Da stimme ich absolut zu. Ohne Vordersitz mulmt es.

Hm. Ich finde aber schon, dass man in Sachen Vordersitz zwischen Klassik und Rock einfach nochmal einen Unterschied hört. Vielleicht höre ich die falschen Klassiker, aber so richtig scharf vorne singt doch da eigentlich kaum jemand, oder? Das ist durchaus immer eine Prise Mulm :)D) dabei, aber genau das macht den Klang ja auch runder und nicht so schneidend. Ich war immer der Meinung, dass der "Kuppelsitz" eben gerade der Kompromiss ist, der durch die "hintere Weite" entsteht. Nicht umsonst ist das u der Egalisationsvokal in der Klassik und das sitzt eher am weichen Gaumen.


Also wenn ich mir jetzt mal vor Augen halte, dass Jonas Kaufmann als einer der deutschen Tenöre der letzten Jahre gehandelt wird und den zum Maßstab nehme ... über die Maßen vordersitzig klingt das hier für mich nicht:

http://www.youtube.com/watch?v=3EyIBc6Hc4c


Oder reden wir aneinander vorbei? :confused:
 
Hm. Ich finde aber schon, dass man in Sachen Vordersitz zwischen Klassik und Rock einfach nochmal einen Unterschied hört. Vielleicht höre ich die falschen Klassiker, aber so richtig scharf vorne singt doch da eigentlich kaum jemand, oder?

Ich bin mir nicht ganz sicher... Eines der Dinge, an denen wir im Unterricht verstärkt gearbeitet haben bisher, war/ist eben der Vordersitz. Eventuell ist das bei Rock noch etwas extremer angewandt, aber in der Klassik wird der auch benutzt. Und höre Dir einmal so richtig alte Aufnahmen von 1920 oder so an - da singen viele längst nicht so mulmig, jallerig, abgedunkelt und glatt gebügelt wie die Klassiker der letzten Jahrzehnte (Ausnahmen in beiden Zeitspannen bestätigen die Regel ;) )

Ich nehme in der Klassik, vor allem im eher privaten Umfeld, eine neue Strömung wahr, die sehr wohl mit "hässlichen" Klängen auch arbeitet. "Si canta come si parla" - erinnert das nicht an eine ziemlich neue Unterrichtsmethode im Gesang? ;) Der Spruch fußt aber tatsächlich im Belcanto, lt. Miklos Klajn.

Und wenn ich einen guten, brillanten Klang haben will, brauche ich sowohl den Vordersitz als auch die Weite im Hals. Der Klang geht wie ein Wasserstrahl vom Mund über die Schädeldecke hinten an der Wirbelsäule entlang runter. Mulmen sollte es nicht; rund darf es oft gerne sein, je nachdem, was ausgedrückt werden soll.

Wenn ich versuche, zu belten, nehme ich den Unterschied eigentlich eher irgendwo Richtung Hals wahr. Vorne sitzen muss beides; beim klassischen Ansatz ist es nur nicht so ein Desaster für die Stimme, wenn das nicht so klappt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Foxx, ich denke, die Mischung machts´s. In der Klassik ist es Vordersitz (bzw. Maske) plus hintere Weite. Letztere ist im Rockgesang ja nicht so relevant, die Konsonanten werden auch allgemein härter und mundlastiger betont, und schon hast du einen anderen Sound.
 
Vielleicht höre ich die falschen Klassiker, aber so richtig scharf vorne singt doch da eigentlich kaum jemand, oder?

Da hast du natürlich recht. Scharf singen darf man in der Klassik nicht. Deshalb ist gleichzeitig zum Vordersitz eben auch die grosse hintere Weite/Öffnung/tiefe Kehle notwendig. Das zu kombinieren ist nicht ganz einfach und braucht (auch bei den begabten Menschen, die es dann irgendwann zum Profi schaffen) jahrelanges Training.

Also ganz grob vereinfacht gesagt:
nur Vordersitz ohne die "hintere Weite/Tiefe": schärferer/scharfer Klang
nur hinten weit ohne Vordersitz: Mulm, runder Mulm zwar, aber Mulm bleibt Mulm ;)
Kombination aus beidem: gewünschter klassischer Klang

Oder reden wir aneinander vorbei? :confused:

Wie und wo genau ihr den Vordersitz empfindet, weiss ich natürlich nicht. Obs bei euch stärker ist oder anders, keine Ahnung?

Aber zum Vergleich: bei mir empfinde ich in den Vordersitz zB. in der Mittellage schon sehr stark und fokussiert und zwar im Bereich Wangenknochen/Nase, ist wirklich ein Gefühl, wie wenn ich den Ton dort aufhänge; mit zunehmender Tonhöhe verlagert es sich in Richtung Augen/Stirn und wenns richtig hoch wird sitzt es irgendwie oben im Kopf (dann eigentlich nicht mehr wirklich ein Vordersitz, eher ein Hochsitz, halali :D) solche Empfindungen sind aber natürlich ohnehin ganz subjektiv!
 

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben