Ungenutzte weitere diatonische Tonleitern/Modi

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Hi liebe Freunde der Musiktheorie ;)

Heute beim Wandern in der winterlich verschneiten Schneelandschaft sinnte ich etwas über die bekannten Skalen und Kirchentonleitern nach.

Landläufig bekannt sind ja Dur Moll und die weiteren 5 Modi.

Wenn ich mir diese ansehe dann fällt mir auf, dass alle aus 2 Hälften bestehen, welche jeweils auf 1 von 4 Halbtonverhältnissen beruht.

Diese 4 Halbtonverhältnisse einer "Skalenhälfte" sind
4.GGG
3.kGG
2.GkG
1.GGk
(Dabei steht zur Vereinfachung G für Grosse Sekunde und k für kleine Sekunde)
Aus diesen 4 Varianten lassen sich alle bekannten Modi ableiten

ich möchte das kurz verdeutlichen anhand C-Dur:

Grundton C - gr.2 - D - gr.2 - E - kl.2 / F/ - gr-2 - G - gr.2 - A - gr.2 - B
Hier haben wie also GGk - GGG

Allerdings sind mit den gängigen Modi nicht alle möglichen diatonischen Tonleitern erschöpft (und ich habe hier übermässige Schritte wie zB in Harmonisch Moll ausgeklammert !)



Dur----------------GGk - GGG----------------C D E F G A B
Dorisch-----------GkG - GGk-----------------C D Eb F G A Bb
Phrygisch--------kGG - GkG------------- ---C Db Eb F G Ab Bb
Lydisch-----------GGG - kGG--------------- C D E F# G A B
---
Mixolydisch-------GGk - GGk----------------C D E F G A Bb
Moll-----------------GkG - GkG----------- ----C D Eb F G Ab Bb
Lokrisch------------kGG - kGG---------------C Db Eb F Gb Ab Bb
Ganztonleiter-----GGG - GG(G)------------C D E F# G# A# (C)
---
9.-------------------GGk - GkG----------------C D E F G Ab Bb
10.------------------GkG - kGG---------------C D Eb F Gb Ab Bb
11.------------------kGG - GGG---------------C Db Eb F G A B
12.------------------GGG - GGk---------------C D E F# G# A# B
---
13.------------------GGk - kGG----------------C D E F Gb Ab Bb
Melodisch Moll----GkG - GGG----------------C D Eb F G A B
15.------------------kGG - GGk------------ ----C Db Eb F G A Bb
16.------------------GGG - GkG----------------C D E F# G# A B
---


Die 4 Varianten wiederholen sich immer wie folgt:

1.GGk
---
4.GGG
3.kGG
2.GkG
1.GGk
----
4.GGG
3.kGG
2.GkG
...

Dur bildet sich also aus 1. und 4, Dorisch aus 2. und 1. Phrygisch aus 3. und 2. usw
also bei den ersten 4 Modi geht man einfach für die 2te Hälfte einen Schritt nach unten in der Auflistung.
ich hoffe das ist einigermassen verständlich ^^

Bei den nächsten 4 Modi sind die beiden Hälften gleich, die weiteren sind glaube ich ersichtlich ...


So vielleicht kann euch meine kleine Eselsbrücke, Überlegung das Leben irgendwie erleichtern, ich finde vor allen die "neuen" Modi klanglich interessant ..

Ich bitte um Feedback :great:
 
Eigenschaft
 
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Landläufig bekannt sind ja Dur Moll und die weiteren 5 Modi.

Wenn ich mir diese ansehe dann fällt mir auf, dass alle aus 2 Hälften bestehen...
Mit der Zusammensetzung der Tonleiter aus zwei Hälften hast Du etwas wiederentdeckt, das seit den Griechen, bis zum Mittelalter eine zentrale Bedeutung hatte.

Für die Griechen waren die Konsonanzen wichtig. Nur Quint, Quart, Oktav waren konsonant. Sie dachten nicht in Oktaven, sondern in Quarten und Quinten. Die Oktave ergab sich als Addition aus beiden und war natürlich ebenfalls konsonant.

Sie organisierten das Tonmaterial in Tetrachorden.

Das Denken in Tetrachorden ist auch noch in einer Lehrschrift aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. dokumentiert. Es ist die "Musica Echiriadis", die in mehreren Hundert Exemplaren erhalten ist. Den gleichen Notennamen hatten dort nicht die Oktaven, sondern die Quinten. Also mit der Quinte begann dann der zweite Tetrachord. Aus zwei Tetrachorden wurde schließlich unsere Tonleiter zusammengesetzt.

Alle Kombinationen von zwei Ganztönen und einem Halbton (eines Tetrachords) sind bis heute erhalten und spielen musikalisch die größte Rolle:

ggh: dur
ghg: moll
hgg: phrygisch

Weniger wichtig sind folgende, die aber in Tonleitern verwendet werden, bei uns üblich sind:

ggg: lydisch
hüh: harmonisch

g = Ganzton
h = Halbton
ü = Eineinhalbton


Ich denke, es hat musikalische Gründe, warum nicht alle Kombinationen von Tetrachorden eine breite Verwendung finden. Unsere sieben Töne ergeben sich ja recht zwanglos aus harmonischen Gründen, ja sogar unsere zwölf temperierten Töne.

Andererseits können Neukombinationen, weil sie ungewohnt sind und der Mensch immer mal wieder etwas Neues braucht, interessant klingen. Insofern kann ich Deine Empfindungen absolut nachvollziehen.

Viele Grüße
Klaus
 
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Ja genau Tetrachorde ... wollte das nicht überkomplizieren mit den Fachbegriffen.

Aber wenn man mal sich diese ganzen Skalen und ihre im Grunde graduelle Verschiebung der einzelnen Skaleninternen Schwerpunkte ansieht.

Interessant wäre dann zu untersuchen, inwieweit sich diese neuen "Zwischenskalen zwischen den alten Modi" empfindungsmässig eingliedern..

In der bekannten Sikora Jazz-Harmonielehre wird ja zB. ein Gefälle von Lydisch als hellstem Modi zu Lokrisch als finstersten, "vulgärsten" aufgestellt.

Ich denke mal, die übrigen Modi haben sich nicht eingebürgert weil da oftmals keine reine Quarte oder Quinte zu finden ist.
Man könnte sie auch die Heimat der dissonanten Akkorde nennen ;) Auch der übermässige Dreiklang darf mal ganz diatonisch Tonika sein :D

Gruß ;)

Edit: Der 13te Modus hats in sich .. spielt mal am Klavier zB. I 7, IV 6, V 7, I 7 ... Ich glaub ich taufe ihn Dämonisch :D ;)
 
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Interessant wäre dann zu untersuchen, inwieweit sich diese neuen "Zwischenskalen zwischen den alten Modi" empfindungsmässig eingliedern..
Das dürfte sehr aufwändig sein, wenn man subjektive und kulturelle Faktoren minimieren möchte. Noch nicht einmal zwischen Dur (hell, fröhlich) und Moll (dunkel, traurig) besteht absolute Einigkeit. Eine Russe wird Moll z.B. oft als fröhlich empfinden.
Ich denke mal, die übrigen Modi haben sich nicht eingebürgert weil da oftmals keine reine Quarte oder Quinte zu finden ist.
Man könnte sie auch die Heimat der dissonanten Akkorde nennen ;)
So sehe ich es auch. Unser heptatonisches System ist die konsonanteste Organisation von sieben Tönen innerhalb einer Oktave.
Edit: Der 13te Modus hats in sich .. spielt mal am Klavier zB. I 7, IV 6, V 7, I 7 ... Ich glaub ich taufe ihn Dämonisch :D ;)
Die Bezeichnung würde ausgezeichnet passen! Zu Bachs Zeiten wurde der Tritonus als "diabolus in musica" oder "Teufelsintervall" bezeichnet. Er verwendete ihn, um einen Aussätzigen oder anderen Ekel zu charakterisieren.

In Deinem 13ten Modus sind gleich drei der Teufel innerhalb einer Oktave enthalten! Wäre das nichts für "Death Metal"? :gruebel:

Viele Grüße
Klaus
 
So ganz neu sind Deine Modi allerdings nicht - ohne Dich enttäuschen zu wollen.;)

Einige sind Modi von Melodisch Moll, die z.B. im Jazz oft genug angewandt werden:

9. Mixolydischb13 (mit kleiner Sexte) ist der 5. Modus von Melodisch Moll
10. Lokrisch9 ist der 6. Modus

15. Phrygisch6 ist der 2. Modus
16. Lydisch#5 ist der 3. Modus (lydian augmented)

es fehlen noch 4. Mixolydisch#11 und 7. Lokrischb4 (Superlokrisch oder alterierte Dominant-Skala) - zwei Skalen die seit ewigen Zeiten schon im Jazz sehr häufig angewendet werden.

Eine vollständige Aufstellung der Modi von MMA (Melodisch-Moll-Aufwärts) und ein Anwendungsbeispiel kannst Du hier noch mal sehen: https://www.musiker-board.de/vb/spieltechnik-literatur/374389-phyrgische-sus-akkorde.html#post4461834

Ich glaube, Deine Darstellung der Tetrachorde ist auch nicht so üblich. Normalerweise nimmt man die Halbtonschritte eines Tetrachordes und lässt den Schritt zwischen den TCs weg.
Beispiel:

Deine Darstellung von Dur: GGH-GGG
Üblich: GGH-GGH - so wird die Symetrie der ionischen Skala besser deutlich.
Du kannst mehrere Tetrachorde aneinanderreihen und so durch den ganzen Quintenzirkel laufen - kommst Du beim Ausgangston wieder an, hast Du im Prinzip alle Dur-Tonleitern durch - logischerweise.

Wie auch bei
Dorisch: GHG-GHG
und Phrygisch: HGG-HGG

Ab der 4. Stufe sind die Modi dann asymmetrisch:

Lydisch: GGG-GGH = Lyd-Dur
Mixolydisch: GGH-GHG = Dur-Moll
Aeolisch: GHG-HGG = Moll-Phryg
Lokrisch: HGG-GGG = Phryg-Lyd

Ein Halbtonschritt ergibt sich hier logischerweise immer dann, wenn einer der Tetrachord lydisch ist - also GGG.

Zu den Modi 11-13 kann ich nichts sagen, außer daß sie gemein haben, daß immer irgendwo zwei Halbtonschritte in Folge kommen. Eigentlich sind sie sehr hnahe an der Ganztonleiter - Ganztonleiter bei der an einer Selle ein Ton zwischengequetscht wird.;)

Vielleicht fällt noch jemand anderem was dazu ein.

Grüße, Andreas
 
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@ Funkeybrother

Vielen Dank, werd mal in den Link reinschauen.

Das mit den Jazz Modi ist in der Tat interessant.


Gruß :)
 
Zu den Modi 11-13 kann ich nichts sagen, außer daß sie gemein haben, daß immer irgendwo zwei Halbtonschritte in Folge kommen. Eigentlich sind sie sehr hnahe an der Ganztonleiter - Ganztonleiter bei der an einer Selle ein Ton zwischengequetscht wird.;)

Vielleicht fällt noch jemand anderem was dazu ein.
In diesem Zusammenhand von theoretischen Interesse für die Freunde des Kontrapunkts:

Die "erweiterten Ganztonleitern", die o.g. Modi 11-13, wurden mathematisch daraufhin untersucht, inwiefern sie für eine kontrapunktische Komposition geeignet sind (nach den üblichen Regeln).

Es ist keine wirkliche Überraschung, daß genau die "erweiterten Ganztonleitern" am wenigsten von allen Skalen geeignet waren. Man rechnete offenbar alle siebentönigen Skalentypen durch, die sich aus Ganztönen und Halbtönen zusammensetzen. Ergebnis war, daß die Wahlfreiheit einer regelkonformen Stimmfortführung bei den "erweiterten Ganztonleitern" minimal war und in 18 Fällen in einer Sackgasse landete.
Die Freiheiten eines geeigneten Nachfolgeintervalls war in der Dur-Skala mit Abstand am größten. Immer gab es auch regelkonforme Nachfolger.

Das unterstreicht, daß diese "dämonischen" Skalen für harmonische Bedürfnisse am wenigsten geeignet sind.

G. Mazzola: Mathematische Musiktheorie: Status quo 1990, S. 28
in: DMV Jahresbericht, 93. Band Heft 1

Grüße
Klaus
 
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Ja, so habe ich mir früher die Kirchentonleitern eingeprägt.

Die Tetrachorde habe ich mir definiert als:
D = 2 1 2 (von Dorisch)
I = 2 2 1 (von Ionisch)
P = 1 2 2 (von Phrygisch)
L = 2 2 2 (von Lydisch / Lokrisch)

Daraus ergibt sich bei einer ähnlichen Notation wie die von Funkeybrother:
Lydisch = L - I
Ionisch = I - I
Mixolydisch = I - D
Dorisch = D - D
Äolisch = D - P
Phrygisch = P - P
Lokrisch = P - L

Dabei kann man hier neben den bereits erwähnten Tetrachord-Verschiebungen (D-D, I-I, P-P) übrigens auch wunderbar Spiegelsymmetrien erkennen: Um eine Tonleiter (in der Tonhöhe) am Grundton zu spiegeln muss man nur beide Tetrachorde vertauschen, und anschließend aus I ein P machen und umgekehrt, D und L bleiben bei einer Spiegelung unverändert. Es ergeben sich die Spiegelsymmetrien:
D - D <-> D - D (Dorisch)
I - I <-> P - P (Ionisch <-> Phrygisch)
D - P <-> I - D (Äolisch <-> Mixolydisch)
L - I <-> P - L (Lydisch <-> Lokrisch)

Besagte Spiegelung kann man sich so vorstellen, dass man jedes Intervall durch sein Kehrintervall ersetzt, oder - alternativ - dass man die Intervallschritte, die sich vom Grundton aus aufwärts ergeben, statt dessen vom Oktavton aus abwärts anwendet.


Übrigens: Die Anzahl der möglichen 7-tönigen Tonleitern in unserer 12-Stufigen Stimmung kann man leicht berechnen: Der Grundton sei egal, von den bei Oktavgleichheit 11 möglichen Intervallen zum Grundton sind genau 6 belegt; die Anzahl der möglichen Kombinationen entspricht also "11 über 6" = 11!/(11-6)!6! = 7*8*9*10*11/5! = 7*3*2*11 = 462.

Da je 7 Tonleitern ein Skalensystem bilden (wie das System der Kirchentonleitern, oder das Harmonisch-Moll-System) lassen sich die 462 Skalen in 462/7 = 66 Skalensystemen zusammenfassen. Diese simple Rechnung funktioniert allerdings nur, da 7 teilerfremd zu 12 ist, und keine verschiebungssymmetrischen Skalen wie die Ganztonleiter möglich sind. Hier ein paar heptatonische Skalensysteme, durch je eine Skala repräsentiert:

0 2 4 5 7 9 11 12 (Dur / Kirchentonleitern)
0 2 3 5 7 8 11 12 (Harmonisch Moll)
0 2 3 5 7 9 11 12 (Melodisch Moll)
0 2 3 6 7 8 11 12 (Zigeuner Moll)
0 2 4 5 7 8 11 12 (vermolltes Dur, bzw. "Harmonisch Dur")
0 2 4 5 6 8 10 12 (deine #13, bzw. erweiterte Ganztonleiter)
0 1 4 6 8 10 11 12 (Enigmatische Leiter)
0 3 4 6 7 9 10 12 (verkürzte HTGT #1)
0 1 3 4 6 7 10 12 (verkürzte HTGT #2)
0 1 3 5 7 8 11 12 ("Harmonisch Phrygisch")
0 1 3 5 7 9 11 12 ("Melodisch Phrygisch")

Aus jedem hier aufgelisteten Skalensystem lassen sich natürlich je 7 Tonleitern ableiten, indem man - wie bei den Kirchentonleitern - den Grundton ändert. ;)
 
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