Einsatz von KI in der Musik - ein spannendes Thema! Dazu möchte ich auch gerne noch meine Sichtweise beisteuern. Und möglicherweise ist das Nachfolgende teilweise auch etwas redundant zu den vorherigen Beiträgen, die ich kurz quergelesen habe…
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die KI-Thematik eines der typischen Aufregerthemen ist, die die Medien (gefüttert von Unternehmen, die damit neue Gewinne erzielen möchten) aktuell gerne und ausgiebig strapazieren: sie erzeugt Aufmerksamkeit, Views, Clicks, Reichweite und damit Auflagen/Abonnements. Nicht zuletzt deshalb, weil das Thema sich ganz wunderbar dafür eignet, individuelles Halbwissen, mit Emotionen zu einem undefinierbaren Bedrohungsszenario für die gesamte Menschheit zu vermengen. Und ich denke daher, dass in diesem Thema noch recht viel "Luft" drin steckt, die durch die normative Kraft des Faktischen sukzessive entweichen wird.
KI-Technologie ist mir beruflich bereits in der zweiten Hälfte der 90er Jahre über den Weg gelaufen und hat sich in all den Jahren immer wieder, im Windschatten der Digitalisierung (was für ein allgemein schwammiger Begriff) in diversen Anwendungsformen und Entwicklungsstufen verbreitet. Bis vor dem Erscheinen von "ChatGPT" hatte ich die KI-Technologie als eines von vielen, durchaus sinnvollen Werkzeugen in diversen Anwendungsbereichen eingestuft. Die Hebelwirkung bzw. Intelligenz dieses Tools war für mich jedoch immer durch die Intelligenz des Entwicklers begrenzt. Großartige Gedanken bzw. moralische Bedenken oder gar ein ernsthaftes Bedrohungspotenzial für den Menschen hatte ich bis dato damit nicht verbunden.
Die Verfügbarkeit von "ChatGPT" (und weiterer Produkte dieser Kategorie) hat mich allerdings in einer ersten Phase doch recht nachdenklich gestimmt, ob die KI-Thematik nicht ein vollkommen neues Niveau erreicht hat und welche allgemeinen Auswirkungen daraus für den Menschen und welche speziellen Anwendungsformen sich dadurch in den verschiedensten Anwendungsgebieten (u.a. eben auch in der Musik) ergeben könnten.
Soweit ich dieses neue Niveau an KI-Technologie verstanden habe, zeichnet es sich vor allem dadurch aus, dass es aufgrund entsprechender Rechnerleistung, eine gigantisch große Datenmenge verarbeiten, kategorisieren und für Inputanfragen zu Antwortzwecken nunmehr in kürzester Zeit verwenden kann. Damit sind meines Erachtens alle Fragen, zu deren Antwort ein möglichst umfassendes Wissen (welches von Menschen erdacht bzw. erzeugt wurde) notwendig ist, ein hervorragendes Anwendungsgebiet. Anders ausgedrückt: Die neue KI-Technologie ist in der Lage, in verschiedensten Anwendungsgebieten REPRODUKTIONSLEISTUNGEN, von bereits vorhandenem menschlichem Wissen in Variationsformen zu erzeugen.
Die für mich wesentliche Frage ist allerdings: Kann die neue KI-Technologie, mit diesem gigantischen (Daten-)Wissen und der damit einhergehenden Verarbeitungsart, durch zusätzliche, eigene Transferleistungen und eigener Kreativität tatsächlich etwas NEUES erfinden?
Meine persönliche Antwort ist: NEIN.
Für die Musik (um die es ja in diesem Beitrag geht) bedeutet das für mich:
Mainstream-Popsongs, die ohnehin schon über viele Jahre hinweg mit eng gefassten Kriterien (Songstruktur, Akkordprogression, Tempo, Melodieführung, Instrumentierung, Songlänge, genrespezifische Elemente) von Menschenhand produziert wurden und die von vielen eben genau aus diesem Grunde auch als gleich empfunden werden, sind meines Erachtens mehr und mehr durch KI-Technologie erzeugbar. Sicher nicht von jetzt auf gleich. Aber in Schritten durchaus weiter vorstellbar.
Der Grund: im Prinzip wird hier einfach nur der vorgelagerte (teil-)manuelle Songwriting-, Recording- und Mixing-/Masteringprozess schrittweise weiter durch KI-Technologie automatisiert. Und das wird für alle Musikschaffenden, die sich in diesem Genre in der Produktionskette bewegen, aus meiner Sicht weiter existenzbedrohend werden. Die großen Labels/Musikverlage/Streamingplattformen freuen sich sicher schon darauf, die unliebsame, weil unberechenbare und teure Musikerzunft durch Hard- und Software perspektivisch zu ersetzen!
Musikstücke (oder gar neue Musikgenre) mit einem hohen kreativen Anteil, komplexerer Songstruktur und genreübergreifender Instrumentierung, bleiben meines Erachtens jedoch weiterhin dem menschlichen Geist vorbehalten. Und das ist gut so. Denn sonst müsste wir uns, nicht nur in der Musikbranche, ernsthafte Sorgen um die Zukunft der Menschheit machen (sind ja auch schon genügend Bedrohungsszenarien vorhanden)! So ist es z.B. für mich nicht vorstellbar, dass eine aktuelle KI-Software, Gitarrensoli in Songs wie „Sultans Of Swing“, „Still Got The Blues“, „Hotel California“ (etc.) in dieser Qualität quasi NEU erfindet. Mehr oder weniger mittelmäßige Varianten des Gleichen allerdings schon.
Und zur konkreten Eingangsfrage: "Kann jeder durch Einsatz von KI-Technologie wie ein Superstar klingen?"
Ja - maximal als mittelmäßige Kopie einer bereits vorhandenen musikalischen Vorlage. Wer das Kopieren von Vorhandenem mit KI-Technologie in der Musik anstrebt, der soll es tun. Als einen Musiker im ursprünglichen Sinne würde ich ihn allerdings dann nicht bezeichnen.
Abschließend möchte ich betonen, dass die vorangegangenen Überlegungen subjektiv sind und auf einer eingeschränkten Sichtweise beruhen. Ich lasse mich daher, in punkto KI-Potenzial in der Musik, gerne durch konkrete Beispiele vom Gegenteil überzeugen
Sorry - mein Beitrag ist jetzt etwas länger ausgefallen als ich es ursprünglich vor hatte. Ich hoffe, dass er verständlich formuliert ist.
Grüße aus Nürnberg, wo aktuell noch das tolle Bardentreffen stattfindet - wolbai