Ich hab mit einigem Vergnügen nun einmal im Daube und im Schönberg vor mich hin gelesen - vor allem auch die Notenbeispiele (die ja bei Schönberg den Großteil ausmachen, aber bei Daube auch eine ganze Menge). Aus meiner Sicht ist es schon sehr interessant, wie ähnlich sich diese beiden Werke sind, obwohl sie zuerst so unterschiedlich scheinen:
- das eine vom (muss man wohl so sagen) "mittelkleinen" klassischen Komponisten Daube 1797, also knapp "nach Haydn und Mozart"
- das andere vom "Gott und Theoretiker" Schönberg praktisch am Ende der klassisch-romantischen Musikperiode ~1940
Was bei beiden identisch ist, ist erstens das Zielpublikum, nämlich "Anfänger"; und dann zweitens die Methode, nämlich eine motiv-zentrierte: Irgendwoher erfindet man Motive (daraus bestehen die ersten Übungen bei Schönberg; Daube sagt dazu weniger, zeigt aber z.B. auf S.35 und 36 Beispiele für "Umerfinden in einen anderen Takt"), die man dann in Vierertakt-Gruppen anordnet (Daube S.6; Schönberg S.7). Für's weitere "Ausdehnen" "variiert man das, was man hat" - ok, das ist jetzt sehr verkürzt dargestellt ... aber ganz grundlegend trifft's schon in etwa.
Ziemlich genial (sozusagen) ist der letzte Abschnitt von Daube, im zweiten Band: "Wie kann man im Alter noch nach dem neusten Geschmack komponiren?" - mit dem Verfahren unterläuft man, trotz heftigen Abschreibens, auch die heute üblichen juristischen Plagiatsprüfungsverfahren, die sich weitgehend auf Melodievergleich beschränken ...
...nebenher kann man sich in beiden Schriften noch im Fehlerfinden betätigen - im Daube sind das reihenweise, aber im Schönberg habe ich, glaub ich, auch einen gefunden - ich weiß aber nicht mehr wo.
Schillinger wollte, denke ich, was anderes: Wo Schönberg schreibt: "It might help the student to approach a solution of these technical problems by writing at first a great number of sketches, even mechanically, and then selecting the best ones." (S.8) und also doch voraussetzt, dass man beim Komponieren selbst genügend Variabilität erzeugen kann, will Schillinger "Grenzen sprengen", indem er "Verfahren für alle Möglichkeiten" anbietet, damit man "neue Dinge findet". Irgendwann hab ich einmal Kreneks Anleitung fürs Zwölftonkomponieren überflogen - das schien mir auch in diese Richtung zu gehen, einen "Möglichkeitsgenerator" zu erzeugen (wobei bei der 12-Ton-Technik dann, im Gegensatz zu Schillinger, doch formal-ästhetische Regeln dazukommen: "Du darfst nicht ... eine I-V-Folge erzeugen ..." usw.).
In meinen eigenen Arrangier- und Komponierversuchen merke ich schon, dass alle diese Leute Lösungshilfen für reale Probleme anbieten wollen - die Anzahl meiner Ideen
ist zu klein oder zumindest zu stereotyp; wenn ich ausbreche, dann wird's oft beliebig: "wieso grad so?" -, aber dass sie viele andere Probleme, die ich habe, nicht beantworten, etwa die der größeren und großen Form; des Einflusses der Instrumentierung, v.a. etwa im durchbrochenen Satz ... und noch viel mehr.
H.M.