Ich kenne zwar keine Einzelheiten deines Meßaufbaus und die typische Spektralverteilung bei einem Klavier finde ich auch nicht so schnell bzw. kenne ich eben nicht.
Mein Meßaufbau war ganz einfach: Messmikrofon MM1 (Kugel) von Beyerdynamic an einem Tascam DR44-WL, ausgerichtet von außen auf das Klavier, rechte Seite im Bereich der tiefsten Töne, oberhalb der Tastatur, das Klavier war geschlossen.
Den Aufbau kann man sicher noch verbessern, aber mir ging es ja nur darum, grundsätzlich nachzuweisen, dass die Grundfrequenz 27,5 (hier 27,4 Hz) tatsächlich im Spektrum vorhanden ist mit einer durchaus noch wahrnehmbaren Amplitude.
Aber ist es nicht so, dass bei den meisten Musikinstrumenten der Grundton am ausgeprägtesten auftritt und die Obertöne demgegenüber erkennbar abfallen?
Wenn das beim Klavier ebenso ist und keine Besonderheiten deines Messaufbaus den krassen Abfall des Grundtones gegenüber den Obertönen um etwa 17 dB begründen, überlege ich, wieso dein Spektrum so stark von meiner Vorstellung abweicht.
Man sollte es so meinen und es ist auf den ersten Blick auch logisch. Aber in der akustischen Realität mit "natürlicher" Klangerzeugung verhält es sich anders, zum Teil sogar erheblich anders.
Denn auch die besten Musikinstrumente sind letztendlich ein Kompromiss. Im besten Fall aber ein sehr guter mit tollem Klang, so dass bei sehr guten Instrumenten dieser Kompromisscharakter nicht auffällt.
Die Wellenlänge der Frequenz 27,5 Hz ist 12,49 m, danach müsste ein Flügel mit "echter" Subkontra-A-Saite theoretisch rund 7,5 m lang sein, da man Wirbelbrett und Tastatur noch dazu rechnen muss (meines Wissens wurde so ein Instrument sogar mal gebaut). Da die Saite an den Stegen fixiert ist, entspricht einer Ausschwingung der - theoretischen - Saite in ihrer vollen Länge der halben Wellenlänge der Frequenz [Tatsächlich sind reale Saiten immer kürzer als die halbe Wellenlänge ihrer Grundfrequenz, da sie ein reales Gewicht, eine bestimmte Spannkraft usw. haben. Näheres dazu auf dieser Seite:
https://de.wikipedia.org/wiki/Saitenschwingung.]
Das ist aber nicht nötig, da zum einen die Instrumentenbauer pfiffig genug waren, heraus zu finden, wie man das auch mit zu kurzen Saiten hin bekommt, und zum anderen unser Gehirn mit seinem Hörzentrum in der Lage ist, aus den Obertönen einen sozusagen virtuellen Grundton zu rekonstruieren, den wir dann tatsächlich hören (insofern hatte
@Captain-P mit seinem Einwand weiter oben vom Prinzip her recht).
Bei Orgeln gibt es rein "akustische Bass-Register", wo man z.B. einen hörbaren 32-Fuß-Klang aus einem 16-Fuß und einem parallelen 10 2/3-Fuß (Quinte über 16 Fuß) realisiert. Wenn man das geschickt genug dimensioniert und intoniert, dann hört man tatsächlich die 32-Fuß-Töne, nämlich als Kombinationstöne aus der 16+10 2/3-Fuß-Quinte. Er ist sogar messbar, denn er entsteht als sog. Schwebung beider Töne der Quinte. Das kann man eigentlich mit allen Instrumenten so nachstellen, wenn man reine Quinten intoniert.
Im Orgelbau macht man das, weil es oft für echte, offene 32-Fuß-Register keinen Platz gibt, und weil es sogar billiger sein kann, doppelt so viele Pfeifen für das Register zu bauen. Die längste Pfeife des offenen 32-Fuß-Registers (Prinzipal aus Zinn) in Kevelaer ist immerhin 14 m lang.
Beim Klavier werden die tiefen Saiten mit Kupferdraht umsponnen, dadurch werden sie schwerer und sie klingen tiefer als es ihrer realen Länge entspricht (bei Gitarren sind die tiefen Saiten deshalb ebenfalls umsponnen).
Dieser Art Klangverbesserung sind natürlich Grenzen gesetzt und deshalb wird ein 3,5 m-Konzertflügel vor allem in der Tiefe immer voller und sonorer klingen als ein 180 cm-Flügel oder gar ein Stutzflügel. Für Klaviere gilt dasselbe. Beim großen Konzertflügel haben die Grundschwingungen der tiefen Töne auf jeden Fall eine größere Amplitude als bei den kleinere Instrumenten. Ob bei den großen Flügeln tatsächlich die 1. Harmonische (=Grundton) in der Amplitude die Obertöne übertrifft, weiß ich nicht.
Jedenfalls ist es bei vielen Instrumenten so, dass die Grundton-Schwingung schwächer ist als die der höheren Harmonischen, was zudem noch davon abhängig ist, in welchem Register man spielt.
Blasinstrumente sind auch immer ein Kompromiss. Wenn man die Mensur (das ist das Verhältnis der Rohrlänge zu ihrem Durchmesser) für die tiefen Töne optimieren würde, könnte man die hohen Töne nicht oder nur schwer und/oder nicht sauber genug intoniert spielen. Umgekehrt könnte man zwar toll in der Höhe spielen, aber die Tiefe würde nicht klingen und/oder nicht ansprechen oder intonieren.
Die richtige Mensur muss also immer als möglichst optimaler Kompromiss über alle Register gefunden und gebaut werden. Deshalb sind die Grundfrequenz-Amplituden vieler Blasinstrumente ebenfalls im tiefen Register kleiner als die Amplituden der (nächsten) Obertöne desselben Tones. In den oberen Registern gleichen sich dann die Amplituden der Grundschwingungen denen der (nächsten) Harmonischen meist an.
In dieser Arbeit wird auf dieses Thema näher eingegangen anhand eines Vergleichs der Instrumente Oboe, Violine und Flügelhorn. Dort sind auch etliche Spektrogramme zu finden, die das alles sehr anschaulich machen:
http://www.holger-weich.de/Facharbeit.pdf
Der Unterschied würde ja noch sehr viel eindrücklicher ausfallen, wenn im Spektrum anstelle der logarithmischen eine lineare Skala für die Amplitude gewählt würde.
Aber nur optisch. Die y-Skala/dB-Skala wird u.a. deshalb bewusst logarithmisch skaliert, weil das Lautstärkeempfinden unseres Gehörs ebenfalls logarithmisch abgestuft ist. Eine lineare Skalierung wäre diesbezüglich eher irreführend, zumindest verwirrend.