Symphonic/Operatic Metal - Gesangstechnik? (weiblich)

  • Ersteller Sunny_Hunny
  • Erstellt am
Ich greife nur mal ein paar Punkte auf...

Sängerformant: Klassische Sänger sind nicht nur durch den Sängerformanten laut, sondern auch durch den Sängerformanten laut. Dabei muss man sagen, dass der "klassische" Sängerformant etwas anders definiert ist. Der klassische Sängerformant besteht aus zwei Zutaten, nämlich Twang und einem Absenken des Kehlkopfes. Zusammen nennt man das auch "Chiaroscouro", ein Zusammenwirken von heller Resonanz (Twang) und dunkler Resonanz (gesenkter Kehlkopf). Diese Art des Sängerformanten erlaubt zusätzlich zur starken Durchsetzungsfähigkeit, die der Twang bewirkt, auch ein hohes Atemvolumen, was den generellen Schalldruck anhebt. Lautstärken jenseits der 100 dB werden in der Regel nur mit diesem "vollen" Sängerformanten erreicht. Auch Popsänger, die diese Lautstärken erreichen, singen dafür in aller Regel mit abgesenktem Kehlkopf.

Vor allem im Contemporary-Bereich wird heutzutage der Begriff Sängerformant mit dem Twang-Mechanismus gleichgesetzt ohne dabei das Absenken des Kehlkopfes zu berücksichtigen. Twang alleine bewirkt allerdings v.a. eine Erhöhung der subjektiven Lautstärke und nur eine geringe Erhöhung des Schalldrucks (~10-20 dB). Unter Verwendung von Mikrofon-Verstärkung ist das aber völlig ausreichend und oftmals in einem Bandkontext sogar durchsetzungsfähiger als eine klassischere Technik, denn der Gesang lässt sich lauter aufdrehen ohne zu übersteuern und hat gleichzeitig einen im Verhältnis höheren "chiaro", also hellen Anteil, der subjektiv klarer Wahrgenommen wird.

Stimmfunktionen: Gerade bei Frauen ist die Nutzung der Stimmlippenfunktionen (Randstimme und Vollstimme) im klassischen Gesang sehr anders als im Contemporary-Gesang. Insgesamt gibt es, auch im professionellen Bereich, wenige Sänger und Sängerinnen mit "balancierten" und verbundenen Stimmregistern. Die meisten Sänger bilden eine der beiden Funktionen stärker aus als die andere und führen lediglich eine gewisse Angleichung durch. Bei männlichen Sängern generell und bei weiblichen Pop-Sängern liegt der Fokus fast immer auf der Vollstimme, bei weiblichen klassischen Sängerinnen hingegen auf der Randstimme. Sänger mit ausbalancierten Stimmregistern finden sich bei den Männern v.a. im Progressive Metal Bereich und bei den Frauen im Musical-Bereich.

Eine saubere Verbindung von der "poppigen" Vollstimme mit der klassichen Randstimme ist nicht möglich. Im Fall einer Sängerin, die beides nutzt, wie etwa Sharon den Adel oder auch Floor Jansen, entsteht deshalb zwangsläufig ein Klangunterschied zwischen den beiden Funktionen. Mit fehlender Ausbildung hat das nichts zu tun. Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.

Tarja: Tarja hat mMn eine sehr schlecht ausgebildete Vollstimme, was bei klassischer Ausbildung nicht ungewöhnlich ist. Aus diesem Grund bekommt sie schon relativ früh in der Tiefe Probleme, weil die Randstimme eigentlich erst ab etwa G4 (g') gut funktioniert. In dem letzten Video klingt Tarja für mich sehr nach Zungendruck in den Tiefen, was typisch ist, wenn man versucht die Randfunktion nach unten zu "drücken" in einen Bereich, für den sie eigentlich nicht geeignet ist. Einen Belt im eigentlichen Sinne habe ich von Tarja noch nie gehört. Ich würde ihrer Aussage Glauben schenken, dass sie eigentlich immer auf dem klassischen Ansatz aufbaut.

Symphonic Metal: Symphonic Metal hat sicherlich eine ganze Reihe an Einflussgenres. Dazu gehören, zumindest indirekt, auch Musical-Elemente. Viele heutige Symphonic Metal Bands sind von den Progressive Rock/Metal Bands aus dem 70er/80er Jahren beeinflusst, wie etwa Deep Purple, Led Zeppelin, Judas Priest oder Queensryche/Dream Theater. Diese Bands hatten/haben auch einen gewissen Hang zum konzeptartigen Aufbau von Alben und zu einer musical-ähnlichen Struktur. Deep Purple ist ja auch über den Sänger eng mit Jesus Christ Superstar verbunden. Symphonic Metal als solcher ist glaube ich vor allem durch den Einsatz von klassischen Stimmen und stärkeren Keyboard/Orchester-Parts entstanden, zum einen aus dem Progressive Umfeld (das weniger klassische Elemente hat), zum anderen aus dem Power Metal (der meisten keinen klassischen Gesang hat). Bei gewissen Bands, v.a. Nightwish und Rhapsody gibt es zudem heute einen starken Einfluss von Filmmusik.

Hier mal ein Beispiel von Queensryche mit einem Musical-ähnlichen Song. Beide Stimmen sind übrigens recht ausbalanciert, entsprechen aber nicht unbdeingt typischen Hörgewohnheiten, weil wie schon gesagt die meisten Gesangsstimmen nicht komplett balanciert sind, sondern eher eine Tendenz zu einem Register haben.

 
Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.
Bist Du sicher? :confused:
 
Eine saubere Verbindung von der "poppigen" Vollstimme mit der klassichen Randstimme ist nicht möglich. Im Fall einer Sängerin, die beides nutzt, wie etwa Sharon den Adel oder auch Floor Jansen, entsteht deshalb zwangsläufig ein Klangunterschied zwischen den beiden Funktionen. Mit fehlender Ausbildung hat das nichts zu tun. Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.

Ich bin gerade über diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsächlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
Übergänge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmähliche Mischung.

Die Lagen können in der Klangprägung unterschiedlich klingen, aber auch angeglichen werden. Bei Sharon finde ich den Unterschied allerdings nicht eklatant. Manche Sängerinnen spielen mit den verschiedenen Prägungen, so daß z.B. die hohe Lage sehr hell und elfenhaft klingt, während die tiefe Lage brustig und schwer wirkt. In einer ausgebildeteten Stimme sollte aber immer auch ein glatter Übergang möglich sein.

Bei Laienstimmen ist es manchmal so, daß zwischen Kopfstimm(chen) und Bruststimme ein Bereich liegt, in dem so gut wie nichts geht. Das sind meistens diejenigen Stimmen, die in der tiefen Lage sehr extrem "verbrustet" singen. Der Stimmumfang ist bei solchen Anfängerinnen extrem klein und die Töne auch oft falsch, die hohe Lage sehr klein, piepsig, hauchig. Und Überraschung: Es handelt sich in Wirklichkeit meist um hohe Sopräne.


Der Fokus im klassischen Gesang liegt auf der Randfunktion, das hat aber nichts damit zu tun, daß kein Übergang in die poppigere tiefe Lage möglich wäre. Es geht da eher um Klangideale, wenn im klassischen Gesang auch nach unten hin viel randstimmiger gesungen wird. Deshalb liegen die Stücke auch insgesamt viel höher als z.B. im Musical. Die tiefere Lage, in der der klassische Klang nicht mehr funktioniert, wird somit gar nicht wirklich ausgelotet.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich bin gerade über diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsächlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
Übergänge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmähliche Mischung.
Ausgleich der Lagen innerhalb einer Stilistik ja, aber Timbreausgleich zwischen einer klassichen Randstimme und einer poppigen Bruststimme ist doch eher selten. Jodel- oder Brucheffekte lassen sich durch gute Koordination kaschieren, es bleibt aber immer eine kurze Pause beim Umschalten der Koordination. Der Wechsel des Timbres und der Schlussrate der Stimmlippen ist aber sehr schwierig auszugleichen, dafür müsste man die "Belting Range" schon sehr stark abgeschlankt und abgedunkelt singen, womit es wahrscheinlich schon kein Belt im eigentlichen Sinne mehr wäre.

"Sauberer Übergang" in dem Fall heißt für mich, dass man auf einem Glissando nicht mehr erkennen kann, an welcher Stelle die Stimme den Modus wechselt. Die meisten Sänger können natürlich Glissandi von der Vollstimme in die Randstimme, aber die Koordination in der Mittellage bei solchen Glissandi ist in aller Regel kein Belt, sondern irgendeine Art von "Mix". Und wenn man zusätzlich noch das Timbre und die Schlussrate von poppig in der Tiefe auf klassisch in der Höhe wechseln soll, wird es nochmal schwieriger.

Einen sauberen Übergang hat z.B. Geoff Tate, aber seine Randstimme ist nicht klassisch und seine Mittellage ist gemessen am Gesamtspektrum der männlichen Sänger mit sehr wenig Masse gesungen.

--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Ja, wobei es natürlich auch auf das Stimmfach ankommt. Die Aussage gilt insbesondere für die hohen Soprane, die in der Vollstimme meistens große Probleme haben das klassische Klangideal zu erfüllen und gleichzeitig laut zu sein. Bei Altos gibt es auch schonmal durchaus kraftvolle Vollstimmen. Aber generell liegt in der klassischen Technik die Stärke halt in der Randstimme.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, wobei es natürlich auch auf das Stimmfach ankommt. Die Aussage gilt insbesondere für die hohen Soprane, die in der Vollstimme meistens große Probleme haben das klassische Klangideal zu erfüllen und gleichzeitig laut zu sein. Bei Altos gibt es auch schonmal durchaus kraftvolle Vollstimmen. Aber generell liegt in der klassischen Technik die Stärke halt in der Randstimme.

Und wer sagt das?
 
Und wer sagt das?
Karyn O'Connor zum Beispiel:
In classical singing, the middle register in higher-voiced women is traditionally extended somewhat in most pedagogic approaches, and the area between the two passaggi is often called the “long middle range”. Due to slight differences in the length of the chest register between lower and higher voice types, (and also the differences in the head registers between higher and lower voice types), higher voices are generally encouraged to change into mixed voice function (middle voice) lower in the scale, giving them a slightly longer middle register than their lower-voiced colleagues. Lyric sopranos are encouraged to never carry open chest tones up any higher than Eb4 or even D4, and dramatic sopranos do not generally sing in chest voice higher than F4. Mezzo-sopranos never carry chest voice function higher than F#4, and contraltos, with their naturally deeper, heavier voices, can safely delay entering the middle range up to G4 or even Ab4. In many schools of classical singing, female singers are taught to carry head voice tones down much lower in the scale than would be done in contemporary styles of singing, even when classical technique is otherwise applied.
Grob ausgedrückt: Je höher das Stimmfach, desto früher wird die Randstimme genutzt. Das ist erstmal ein bisschen contra-intuitiv, weil man ja denken würde, dass die tieferen Stimmfächer früher in die Randstimme wechseln. Die hohen Soprane tun das schon um D4 herum. Die Vollstimme eines hohen Soprans liegt also im Wesentlichen im Bereich von C3 bis C4. Wenn du dir z.B. mal Tarjas Noten in dem Bereich anhörst, weißt du was gemeint ist. Ein Alt hingegen kann die Vollstimme unter Erhaltung des klassischen Klangideals bis in die hohe 4. Oktave ausreizen, wodurch im Bereich C4-A4 eine recht kraftvolle Vollstimme möglich ist.

Letztlich ist das durch die Stimmphysiologie bedingt. Der in der Klassik geforderte tiefe Kehlkopf geht mit einer Verringerung der Schwungmasse einher. Je kleiner die Schwungmasse, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Stimme in die Randfunktion wechselt. Da hohe Stimmen von Grundauf weniger Schwungmasse zur Verfügung haben, müssen sie bei Verschlankung früher auf die Ränder ausweichen.

Im Contemporary-Gesang gilt das nicht. Da es dort erlaubt ist den Kehlkopf in der Höhe mit der Tonhöhe mitgehen zu lassen, kann die volle Schwungmasse bis in große Höhen erhalten bleiben. Dabei steigt der Kehlkopf aber kontinuierlich und ein klassischer Klang ist unmöglich. Diese Vorgehensweise stufen klassische Gesangslehrer gerne mal als "ungesund" ein.

Ein "balancierter Ansatz" (Fake-Belt, mixed voice ...) liegt praktisch genau in der Mitte der beiden Extreme. Ein solcher Ansatz erfüllt aber weder das klassische Klangideal, noch erreicht er die Lautstärke, die der klassische Ansatz erlaubt. Zudem hat er auch nicht den "schmetternden" Klang eines echten Belt.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich greife nur mal ein paar Punkte auf...
Vielen Dank!

Sängerformant: Klassische Sänger sind nicht nur durch den Sängerformanten laut, sondern auch durch den Sängerformanten laut.
Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrückt, akustisch gesehen strategisch günstiger verteilt?

Dazu noch eine Nachfrage. In Wikipedia heißt es: "Hohe Schalldruckpegel des Sängerformanten sind insbesondere bei sängerisch aktiven, ausgebildeten Singstimmen zu finden und sind hauptsächlich bei männlichen Stimmen nachweisbar. Vor allem wird dieser Frequenzbereich durch Tiefstellung des Kehlkopfs erreicht. Sängerinnen nutzen dagegen vorwiegend das Formanttuning als Klangstrategie."

Also spielt der Sängerformant bei den Damen gar keine so entscheidende Rolle?

Hmmm. (Ich finde gerade keinen Glühbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke? Mir ist schon immer aufgefallen, daß sich bei mir tief im Rachen Muskeln anspannen, wenn ich das tue. (Ich war schon ein wenig besorgt, es könnte sich um eine schlechte Angewohnheit handeln, wie beispielsweise ein künstlich erzwungenes Vibrato.) Daß der Kehlkopf sich absenkt, kann ich auch ertasten. Und je tiefer die Note, desto deutlicher die Anspannung/Tiefstellung.

Vor allem im Falsett verdunkelt sich das Timbre dabei etwas. Dieser Effekt scheint selbst bei glockenhellen, silbrigen Sopranstimmen wie z. B. Natalie Dessay einzutreten – außer vielleicht im allerobersten Bereich (Pfeifregister = verstärktes weibliches Falsett?), wo dann das Vibrato geringer und keine Vokaldifferenzierung mehr möglich ist. Mit einer Contemporary-Gesangsweise wäre ihr Timbre wahrscheinlich noch ein klein wenig heller, so wie im Pfeifregister. Angesichts dieses Effekts leuchtet es mir ein, daß der Sängerformant selbst bei den höchsten Stimmfächern wichtig ist, aber eben vielleicht nicht ganz so sehr wie bei den Männern.

Die Lippentrill-Übung ist übrigens wirklich nützlich, die habe ich einmal in einem YouTube-Video demonstriert und empfohlen gesehen. Wirkt auf einen Nichteingeweihten sicher merkwürdig, aber Phonetikstudenten kennen das Problem, die üben schon auch mal so einen bilabialen Trill und ähnlich ungewöhnliche Laute, Lautkombinationen, Silben, Wörter, Phonationstypen ... :D

Tante Edit(h) hatte gerade eine Erleuchtung: Der Trick bei der Kehlkopfabsenkung ist, daß der Resonanzraum vergrößert wird, nicht wahr? Das Ansatzrohr wird verlängert und die schwingende Luftsäule wird höher, was wiederum Schallwellen mit größerer Amplitude ermöglicht ... Mensch! So einfach ist das! :w00t:

Stimmfunktionen: Gerade bei Frauen ist die Nutzung der Stimmlippenfunktionen (Randstimme und Vollstimme) im klassischen Gesang sehr anders als im Contemporary-Gesang. Insgesamt gibt es, auch im professionellen Bereich, wenige Sänger und Sängerinnen mit "balancierten" und verbundenen Stimmregistern. Die meisten Sänger bilden eine der beiden Funktionen stärker aus als die andere und führen lediglich eine gewisse Angleichung durch. Bei männlichen Sängern generell und bei weiblichen Pop-Sängern liegt der Fokus fast immer auf der Vollstimme, bei weiblichen klassischen Sängerinnen hingegen auf der Randstimme. Sänger mit ausbalancierten Stimmregistern finden sich bei den Männern v.a. im Progressive Metal Bereich und bei den Frauen im Musical-Bereich.
Interessant, war mir gar nicht bewußt, vor allem das mit dem Progressive Metal. Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen Beiträge gedämmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...

Tarja: Tarja hat mMn eine sehr schlecht ausgebildete Vollstimme, was bei klassischer Ausbildung nicht ungewöhnlich ist. Aus diesem Grund bekommt sie schon relativ früh in der Tiefe Probleme, weil die Randstimme eigentlich erst ab etwa G4 (g') gut funktioniert. In dem letzten Video klingt Tarja für mich sehr nach Zungendruck in den Tiefen, was typisch ist, wenn man versucht die Randfunktion nach unten zu "drücken" in einen Bereich, für den sie eigentlich nicht geeignet ist. Einen Belt im eigentlichen Sinne habe ich von Tarja noch nie gehört. Ich würde ihrer Aussage Glauben schenken, dass sie eigentlich immer auf dem klassischen Ansatz aufbaut.

Ihr Hintergrund ist auch rein klassisch, erst ein paar Semester Kirchenmusik an der Sibeliusakademie, später eine Liedklasse bei Shirai/Höll in Karlsruhe. Sie hat bewußt auf eine zusätzliche Contemporary-Ausbildung verzichtet. Ihre Lehrerin ist jetzt Marta Blanco, eine argentinische Opernsängerin, die garantiert einen ganz orthodoxen klassischen Ansatz verfolgt.

Aber was macht Tarja denn nun eigentlich in "The Siren" (z. B. hier bei etwa drei Minuten)?

Symphonic Metal: Symphonic Metal hat sicherlich eine ganze Reihe an Einflussgenres. Dazu gehören, zumindest indirekt, auch Musical-Elemente. Viele heutige Symphonic Metal Bands sind von den Progressive Rock/Metal Bands aus dem 70er/80er Jahren beeinflusst, wie etwa Deep Purple, Led Zeppelin, Judas Priest oder Queensryche/Dream Theater. Diese Bands hatten/haben auch einen gewissen Hang zum konzeptartigen Aufbau von Alben und zu einer musical-ähnlichen Struktur. Deep Purple ist ja auch über den Sänger eng mit Jesus Christ Superstar verbunden. Symphonic Metal als solcher ist glaube ich vor allem durch den Einsatz von klassischen Stimmen und stärkeren Keyboard/Orchester-Parts entstanden, zum einen aus dem Progressive Umfeld (das weniger klassische Elemente hat), zum anderen aus dem Power Metal (der meisten keinen klassischen Gesang hat). Bei gewissen Bands, v.a. Nightwish und Rhapsody gibt es zudem heute einen starken Einfluss von Filmmusik.
Da habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich höre auch viel Progressive Rock/Metal, deshalb ist mir das alles ohnehin klar. (Wobei Purple/Zep/Priest eigentlich nicht als Prog-Bands im klassischen Sinne gelten, trotz entsprechender Tendenzen.) Das mit der Filmmusik auch. Ich zielte eigentlich darauf ab, daß die Bezeichnung "Symphonic" und insbesondere "Operatic" eigentlich irreführend ist, denn klassische Sinfonien und Opern bilden in der Regel nicht die Hauptinspiration, sondern eben Filmmusik und (durchkomponierte) Musicals. Insofern wäre "Film Score Metal" oder "Musical/Theatrical Metal" ehrlicher. Aber für die meisten Leute sind das Feinheiten, und den Unterschied zwischen klassischem, Musical- und lyrischem Popgesang kennt der durchschnittliche Metalhörer natürlich nicht. (Ich war bisher eigentlich selber der Auffassung, daß mindestens der Gesang auf "Oceanborn" mit reinem klassischen Gesang eine Menge zu tun hat. Aber als echter Kenner oder Gesangslehrer hat man da natürlich einen ganz anderen Blick, oder besser: ein ganz anderes Ohr.)

Andererseits wird "Operatic Rock" oft mit "Rock Opera" in einen Topf geworfen, was aus diesem Blickwinkel aber wiederum eigentlich gar nicht so verkehrt ist.

Hier mal ein Beispiel von Queensryche mit einem Musical-ähnlichen Song. Beide Stimmen sind übrigens recht ausbalanciert, entsprechen aber nicht unbdeingt typischen Hörgewohnheiten, weil wie schon gesagt die meisten Gesangsstimmen nicht komplett balanciert sind, sondern eher eine Tendenz zu einem Register haben.


Ist bekannt; die Mindcrime habe ich :)

Ich empfinde beide Stimmen als typische (Hard-)Rock-Stimmen, wenn auch sehr kompetente. Die typische Charakteristik dieser Stimmen bleibt auch in den obersten Lagen erhalten.

Ich bin gerade über diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsächlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
Übergänge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmähliche Mischung.
Ja, eben, ich dachte mir das auch so.

Die Lagen können in der Klangprägung unterschiedlich klingen, aber auch angeglichen werden. Bei Sharon finde ich den Unterschied allerdings nicht eklatant. Manche Sängerinnen spielen mit den verschiedenen Prägungen, so daß z.B. die hohe Lage sehr hell und elfenhaft klingt, während die tiefe Lage brustig und schwer wirkt.
Ich müßte mir die Alben noch mal durchhören, aber genau so empfand ich das. OK, ihre Bruststimme ist nicht richtig schwer wie z. B. Floors oder Doros, keine Power-Stimme. Ich habe sie immer eher als irgendwie hexenhaft empfunden.

In einer ausgebildeteten Stimme sollte aber immer auch ein glatter Übergang möglich sein.
Ja, eben.

Grob ausgedrückt: Je höher das Stimmfach, desto früher wird die Randstimme genutzt. Das ist erstmal ein bisschen contra-intuitiv, weil man ja denken würde, dass die tieferen Stimmfächer früher in die Randstimme wechseln. Die hohen Soprane tun das schon um D4 herum. Die Vollstimme eines hohen Soprans liegt also im Wesentlichen im Bereich von C3 bis C4. Wenn du dir z.B. mal Tarjas Noten in dem Bereich anhörst, weißt du was gemeint ist.
Ich habe bei ihr aber wirklich den Eindruck, daß sie sich in diesem Bereich nicht sonderlich wohl fühlt und auch nicht so gut klingt. Im moderat tiefen bis mittleren Bereich ab C4 ist die Stimme dagegen wunderbar warm und voll. Aber wahrscheinlich ist das wirklich nur Trainingssache. Schließlich ist ihre Sprechstimme auch ganz schön tief. Sie meidet sie nur und mag sie anscheinend gar nicht, da sie sagt: "Of course I’m always singing with my classical techniques, I never sing with my poor speaking voice – I cannot do that anymore." Oder besser gesagt hat sie diese Scheu vor der Sprechstimme von ihren Lehrern übernommen, die den Contemporary-Gesang, wie Du sagst, als "ungesund" betrachten.

Andererseits weist auch diese alte Aufnahme darauf hin, daß ihr der hohe Gesang tatsächlich einfach mehr liegt und für sie natürlicher ist, denn ihr damaliger Lehrer (Plamen Dimov, der mit dem Vollbart) favorisierte den Contemporary-Gesang und war gegenüber klassischer Ausbildung eher negativ eingestellt, weil er fand, daß sie der Stimme Individualität raube. Sie meinte, er versuchte sie zu einer zweiten Whitney Houston zu machen. Damals hatte sie also noch keinerlei Ausbildung und empfand Popsongs trotzdem als für ihre natürliche Stimmlage (?) unpassend, weil zu tief.

Ergibt das Sinn?
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrückt, akustisch gesehen strategisch günstiger verteilt?
Ziemlich genau das, ja.

Hmmm. (Ich finde gerade keinen Glühbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke?
Das ist gut möglich. Imitation bestimmter Klänge "triggert" meist die entsprechenden physiologischen Vorgänge. Wenn Du beispielsweise schon nur daran denkst, zu seufzen oder zu gähnen, bereitet sich Dein Kehlkopf bereits davor, zu sinken.

(Pfeifregister = verstärktes weibliches Falsett?)
Nein, das Pfeifregister liegt oberhalb von der Randstimme. Falsett ist behauchte/ungestützte Randstimme.

Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen Beiträge gedämmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...
In meiner Signatur findest Du einen Link. Das Problem ist, dass die traditionellen Begriffe nicht einheitlich und noch dafür für die beiden Geschlechter meist unterschiedlich gebraucht werden.
 
Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrückt, akustisch gesehen strategisch günstiger verteilt?

Dazu noch eine Nachfrage. In Wikipedia heißt es: "Hohe Schalldruckpegel des Sängerformanten sind insbesondere bei sängerisch aktiven, ausgebildeten Singstimmen zu finden und sind hauptsächlich bei männlichen Stimmen nachweisbar. Vor allem wird dieser Frequenzbereich durch Tiefstellung des Kehlkopfs erreicht. Sängerinnen nutzen dagegen vorwiegend das Formanttuning als Klangstrategie."

Also spielt der Sängerformant bei den Damen gar keine so entscheidende Rolle?
Ja genau so ist es. Der Sängerformant spielt bei den Damen in der Klassik eine geringere Rolle als bei den Männern. Das liegt vor allem am geringeren Twang. Wie schon bei Wikipedia steht, ist die Resonanzstrategie bei den Frauen vor allem das Formanttuning. Was mMn nicht stimmt ist, dass der Sängerformant v.a. durch die Tiefstellung des Kehlkopfes erzeugt wird. Der Sängerformant wird v.a. über den Twang-Mechanismus erzeugt und die Tiefstellung des Kehlkopfes erzeugt ein zusätzliches Clustering der Twang-Formanten mit einem weiteren Formanten, was insgesamt zu einer stärkeren Ausprägung des Sängerformanten führt.

Hmmm. (Ich finde gerade keinen Glühbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke? Mir ist schon immer aufgefallen, daß sich bei mir tief im Rachen Muskeln anspannen, wenn ich das tue. (Ich war schon ein wenig besorgt, es könnte sich um eine schlechte Angewohnheit handeln, wie beispielsweise ein künstlich erzwungenes Vibrato.) Daß der Kehlkopf sich absenkt, kann ich auch ertasten. Und je tiefer die Note, desto deutlicher die Anspannung/Tiefstellung.

Vor allem im Falsett verdunkelt sich das Timbre dabei etwas. Dieser Effekt scheint selbst bei glockenhellen, silbrigen Sopranstimmen wie z. B. Natalie Dessay einzutreten – außer vielleicht im allerobersten Bereich (Pfeifregister = verstärktes weibliches Falsett?), wo dann das Vibrato geringer und keine Vokaldifferenzierung mehr möglich ist. Mit einer Contemporary-Gesangsweise wäre ihr Timbre wahrscheinlich noch ein klein wenig heller, so wie im Pfeifregister. Angesichts dieses Effekts leuchtet es mir ein, daß der Sängerformant selbst bei den höchsten Stimmfächern wichtig ist, aber eben vielleicht nicht ganz so sehr wie bei den Männern.
Die meisten Menschen senken intuitiv den Kehlkopf beim Imitieren von klassischem Gesang, weil der Klang des abgesenkten Kehlkopfes absolut charakteristisch und dominant ist in der klassischen Stilistik. Die meisten ungeübten Sänger übertreiben es dabei allerdings bzw. nutzen nicht gleichzeitig auch die "chiaro"-Resonanzen (Twang), weshalb in diesem Fall kein Sängerformant entsteht.

Wie gesagt, ein abgesenkter Kehlkopf allein macht noch keinen Sängerformanten, sondern erzeugt einen Phonationsmodus, der bei Estill "Sob" genannt wird. Erst in Kombination mit dem Twang-Mechanismus entsteht ein klassischer Sängerformant. Das die Frauen in der Klassik aber aufgrund des Klangideals mit geringem Twang singen, entsteht ein weniger ausgeprägter Sängerformant als bei den Männern. Trotzdem ist der Twang-Mechanismus wichtig für weibliche Klassiker, weil er in diesem Fall den Unterschied macht zwischen einem hauchigen Falsett und einer kraftvollen Kopfstimme.

Tante Edit(h) hatte gerade eine Erleuchtung: Der Trick bei der Kehlkopfabsenkung ist, daß der Resonanzraum vergrößert wird, nicht wahr? Das Ansatzrohr wird verlängert und die schwingende Luftsäule wird höher, was wiederum Schallwellen mit größerer Amplitude ermöglicht ... Mensch! So einfach ist das! :w00t:
Ja, das Singen mit tieferem Kehlkopf erlaubt einen insgesamt höheren Schalldruck.

Interessant, war mir gar nicht bewußt, vor allem das mit dem Progressive Metal. Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen Beiträge gedämmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...
Vollstimme/Randstimme und Bruststimme/Kopfstimme sind meistens nicht dasselbe, werden aber von manchen Lehrern synonym gebraucht. In der FAQ steht das aber alles drin. Wie gesagt, aufgrund der Hörgewohnheiten empfinden wir eine tatsächlich balancierte Stimme v.a. bei Männern als verhältnismäßig kopfig/klein/dünn, was aber einfach daran liegt, dass wir sowohl vom Sprechen als auch vom Singen den Klang einer relativ stark vollstimmen-dominierten Stimme gewohnt sind.


Aber was macht Tarja denn nun eigentlich in "The Siren" (z. B. hier bei etwa drei Minuten)?
Das ist einfach nur eine Einstellung mit höherem Kehlkopf. Theoretisch ist das eine Einstellung die zum Belten geeignet ist, aber sie benutzt zu wenig Masse. Die Kompression liegt außerdem in einem Bereich den auch Contemporary-Sänger vielleicht schon als "am Rande zum Pressen" bezeichnen würden.

Da habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich höre auch viel Progressive Rock/Metal, deshalb ist mir das alles ohnehin klar. (Wobei Purple/Zep/Priest eigentlich nicht als Prog-Bands im klassischen Sinne gelten, trotz entsprechender Tendenzen.) Das mit der Filmmusik auch. Ich zielte eigentlich darauf ab, daß die Bezeichnung "Symphonic" und insbesondere "Operatic" eigentlich irreführend ist, denn klassische Sinfonien und Opern bilden in der Regel nicht die Hauptinspiration, sondern eben Filmmusik und (durchkomponierte) Musicals. Insofern wäre "Film Score Metal" oder "Musical/Theatrical Metal" ehrlicher. Aber für die meisten Leute sind das Feinheiten, und den Unterschied zwischen klassischem, Musical- und lyrischem Popgesang kennt der durchschnittliche Metalhörer natürlich nicht. (Ich war bisher eigentlich selber der Auffassung, daß mindestens der Gesang auf "Oceanborn" mit reinem klassischen Gesang eine Menge zu tun hat. Aber als echter Kenner oder Gesangslehrer hat man da natürlich einen ganz anderen Blick, oder besser: ein ganz anderes Ohr.)

Andererseits wird "Operatic Rock" oft mit "Rock Opera" in einen Topf geworfen, was aus diesem Blickwinkel aber wiederum eigentlich gar nicht so verkehrt ist.
Genre-Bezeichnungen sind meistens sehr plakativ. Da ist häufig relativ wenig entscheidend, aus welchen Elementen die Musikrichtung wirklich besteht. Als "symphonic" oder "operatic" werden halt meistens Bands bezeichnet, die einen klassisch orientierten Gesang haben. Schlicht und einfach weil das das Element ist, dass die Band von anderen, ansonsten ähnlichen, Bands abgrenzt.

Ich empfinde beide Stimmen als typische (Hard-)Rock-Stimmen, wenn auch sehr kompetente. Die typische Charakteristik dieser Stimmen bleibt auch in den obersten Lagen erhalten.
und genau das macht die Stimmen balanciert. Die Charakteristik bleibt über die Lagen und vor allem auch über die Wechsel des Stimmlippenregisters hinweg erhalten.


Ich habe bei ihr aber wirklich den Eindruck, daß sie sich in diesem Bereich nicht sonderlich wohl fühlt und auch nicht so gut klingt. Im moderat tiefen bis mittleren Bereich ab C4 ist die Stimme dagegen wunderbar warm und voll. Aber wahrscheinlich ist das wirklich nur Trainingssache. Schließlich ist ihre Sprechstimme auch ganz schön tief. Sie meidet sie nur und mag sie anscheinend gar nicht, da sie sagt: "Of course I’m always singing with my classical techniques, I never sing with my poor speaking voice – I cannot do that anymore." Oder besser gesagt hat sie diese Scheu vor der Sprechstimme von ihren Lehrern übernommen, die den Contemporary-Gesang, wie Du sagst, als "ungesund" betrachten.
Ergibt das Sinn?
Die Ausprägung der Stimme hat auch viel mit persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben zu tun und natürlich mit Training. Die Vollstimme und Randstimme werden von unterschiedlichen Muskelgruppen produziert bzw. dominiert. Je nach Training sind diese unterschiedlich stark ausgeprägt. Jemand mit dünnen Ärmchen fühlt sich auch nicht wohl, wenn er mal was schweres heben muss. Viele Stimmmen haben gewisse Tendenzen zu bestimmten Techniken, was aber oft einfach nur heißt, dass es mehr Übung und mehr Training kostet, eine entgegengesetzte Ausprägung der Stimme zu lernen. Natürlich gibt es trotzdem physiologische Grenzen.
 
Was bei den Schwingungsregistern Vollstimme und Randstimme noch wichtig ist, ist dass es zwar nur zwei wichtige genutzte Schwingungsregister gibt (es gibt insgesamt drei oder vier Schwingungsregister je nach Quelle, aber für Gesang sind in 90% der Fälle nur Vollstimme und Randstimme interessant), aber mehr Muskelkoordinationen, welche diese erzeugen können. Technisch gesehen sind die Muskelkoordinationen oftmals sogar interessanter als die Register.

Dabei gibt es eine Muskelgruppe, welche die Stimmlippen dicker machen kann, wodurch sich die schwingende Masse vergrößert und eine, welche die Stimmlippen länger machen kann, wodurch sich die schwingende Masse verringert. Beide Muskelgruppen erhöhen durch ihre Aktivität außerdem die Spannung der Stimmlippen und damit die Tonhöhe. Aus der relativen Aktivität dieser Muskelgruppen entstehen folgende Koordinationen:

1. nur Verdicker sind aktiv: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen stark vergrößert, was eine Erweiterung des Tonumfangs nach unten bedeutet. Diese Koordination produziert einen Schwingungsmodus der "Strohbass" oder "vocal fry" genannt wird und sich nach Knattern anhört.

2. Verdicker sind dominant: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen leicht vergrößert. Dies ist der Modus, in dem die "Bruststimme" produziert wird, sowohl beim Sprechen als auch in den unteren Lagen beim Singen.

3. Beide Muskelgruppen sind ähnlich stark aktiv: Diese Koordination wird meistens als "mixed voice" bezeichnet. Die Masse der Stimmlippen ist dabei neutral, ähnlich groß wie bei einem soften und leicht gesprochenen "HAA". Die Spannung und der Atemdruck sind aber in der Regel vergrößert. Diese Koordination produziert in den meisten Fällen die Vollstimme, bei sehr hohen Stimmen kann es aber sein, dass eine mixed voice Koordination bereits die Randstimme erzeugt. Das sind v.a. solche Stimmen, die bei einem ganz locker gesprochenen soften "HA" bereits automatisch die Randstimme produzieren.

4. Verlängerer sind dominant: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen verringert. Dieser Modus wird im Allgemeinen "Kopfstimme" genannt. Bei Männern wird in diesem Modus häufig noch die Vollstimme produziert, bei den meisten Frauen hingegen die Randstimme. Dieser Modus ist der Hauptmodus für klassischen Gesang bei den Frauen. Bei den Männern wird er nur in der hohen Lage für einen relativ geringen Tonbereich genutzt.

5. nur Verlängerer sind aktiv: Diese Koordination gehört zu dem Modus, der bei Männern als "Falsett" bezeichnet wird und bei Frauen als "Pfeifstimme". Dieser Modus produziert immer die Randstimme. Experten sind sich noch teilweise uneinig, ob es einen eigenen Schwingungsmodus namens Flageolet gibt, welcher der Pfeifstimme zugrunde liegt. Bei klassischen Sopranen geht man aber davon aus, dass ihrer Pfeifstimme die Randfunktion zugrunde liegt. Trotzdem besteht noch die Möglichkeit, dass ein eigener Schwingungsmodus Flageolett besteht, den z.B. Männer nutzen, um die Töne des Pfeifregisters zu erreichen.

Im Contemporary-Gesang werden hauptsächlich die Modi 2 und 3 genutzt, die Modi 4 und 5 hingegen nur für hohe Lagen oder Effekte. Gleiches gilt für klassischen Gesang bei Männern. Bei Frauen hingegen werden im klassischen Gesang v.a. die Modi 4 und 5 genutzt, selten der Modus 3 und fast gar nicht der Modus 2.

Dadurch sind bei klassisch orientierten weiblichen Sängern (wie Tarja) die Verlängerer häufig sehr stark trainiert, die Verdicker hingegen verkümmert. Die Modi 1 und 2 werden dadurch schwierig bis unmöglich. So ist es wahrscheinlich auch bei Tarja der Fall. Bei Männern hingegen sind häufig die Verdicker wesentlich stärker ausgeprägt als die Verlängerer. Viele Männer nutzen die Modi 4 und 5 überhaupt nicht.

Aus diesen Modi lassen sich auch andere Begriffe ableiten. "Echtes" Belting z.B. passiert durch ein Hochziehen des Modus 2 in den Bereich der Kopfresonanz. "Fake" Belting durch Resonanzanpassungen im Modus 4. Der Modus 3 wird je nach Schule und Definition entweder mit zum Belting gezälht oder einfach als "mixed voice" bezeichnet.

Bei einer komplett "ausbalancierten" Stimme müssten theoretisch alle 5 Modi gleichmäßig über den Stimmumfang verteilt genutzt werden. Das tun die wenigsten Sänger. Häufig findet man einen Fokus auf oder sogar eine ausschließlich Nutzung von 2-3 dieser Modi. Gemessen an einer ausbalancierten Stimme ist es im Contemporary-Gesang relativ typisch, dass Männer den Modus 2 hochziehen und Frauen den Modus 3.

Um das ganze mal mit einem Beispiel zu füllen. Eine ausbalancierte Stimme bei einem Bariton (wie etwa Geoff Tate) sähe etwa so aus:

G1-D2: Modus 1
D#2-A3: Modus 2
A#3-D#4: Modus 3
E4-A4: Modus 4
A#4-A5: Modus 5

Die meisten Baritone, die man so im Contemporary-Gesang findet, ziehen den Modus 2 aber höher, oft bis in die mittlere vierte Oktave. Der Modus 2 kann von geübten Sängern meist bis etwa zum G4 hochgezogen werden, manchmal sogar höher. Der Modus 3 reicht oft noch bis zum C5. Danach ist die Stimme aber so "massig", dass ein sauberes Umschalten auf die Modi 4 und 5 nicht mehr gelingt. Die Verdicker sind bei diesen Sängern so stark ausgebildet, dass sie den Modus 4 kaum noch hinbekommen und der Modus 5 sehr dünn klingt und in der Klangfarbe klar von ihrer tieferen und mittleren Lage abweicht.

Ein Absenken des Kehlkopfes geht automatisch mit einer stärkeren Aktivität der Verlängerer einher. Alleine dadurch entsteht schon eine Tendenz in der Klassik zu den Modi 3-5. Hohe Sopranstimmen, bei denen der Modus 3 bereits Randstimme erzeugt, haben deshalb in der Klassik keine Vollstimmfunktion.

Ich nehme an, dass Tarja in diese Kategorie fällt, denn Pop-Gesang ist für solche Stimmen besonders schwierig. Der im Pop-Gesang geforderte (Belt-)Klang kann von solchen Stimmen nur im Modus 2 erzeugt werden, welcher ohnehin schon nicht leicht ist bei einer solchen Stimmveranlagung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die spricht aber doch von Bruststimme und nicht von Voll-/Randstimme? :confused:
Sie benutzt die Begriffe synonym, was leider etwas verwirrend ist. Aber sie spricht meistens von "Brust-Funktion", was zumindest andeutet, dass es sich nicht um eine Resonanz handelt. In ihren anderen Artikeln zu den Registern wird aber klar, dass sie mit "chest voice" die Vollstimme meint, mit "mixed voice" eine verschlankte Stimme und mit "head voice" eine Stimmfunktion mit ausschließlicher Verlängerer-Aktivität.
 
Hier ein Video, in dem die Unterschiede zwischen den Registerarten deutlich werden, die Kernaussagen hier sind:
  • "Falsett" wird in diesem Video zur Bezeichnung des Stimmlippenregisters "Randstimme" benutzt (was auch in der vocal science so gemacht wird), "normal voice" wird zur Bezeichnung der Vollstimme genutzt
  • "head voice" (Kopfstimme) ist hier kein Stimmlippenregister, sondern eine bestimmte Vokaltrakteinstellung
  • Er demonstriert in dem Video dann mehrere Koordinationen:
  1. Falsett (Randstimme) ohne Kopfresonanzeinstellung, klingt dann nach Bee Gees, Mickey Maus etc.
  2. Falsett (Randstimme) mit Kopfresonanzeinstellung, das ist die Haupteinstellung für Frauen in der Klassik
  3. "normal voice" (Vollstimme) mit Kopfresonanzeinstellung, das ist die Haupteinstellung für Männer in der Klassik
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben