Hm, ich würde sagen Enharmonik ist der Bereich der sich damit auseinandersetzt, wann man welchen chromatischen Ton (a, ais/b, h/ces, c/his, ...gis/as) von welchem Stammton (a h c d e f g) ableitet,
falls eine eindeutige enharmonische Interpretation denn Sinn macht.
Ich habe allerdings bisher keine Harmonielehre gefunden, die sich wissenschaftlich und ausführlich damit auseinandersetzt.
Meiner Meinung nach ist die Enharmonik die Schnittstelle zwischen der gleichstufigen Stimmung (unsere Stimmung) und einer Art "idealisierten pythagoräischen Stimmung" (IPS), bei der beliebig viele (reine) Quinten und Quarten über einen Grundton gelegt werden.
Stellt euch dazu einen "Quintenstrahl" vor, bei dem - im Gegensatz zum Quintenzirkel -
nicht bei "Fis = Ges" die #-chen in die b-chen übergehen,
sondern bei dem es immer mehr #-chen werden, je weiter man in Quintrichtung geht (und umgekehrt mit den b-chen).
Jeder dieser Töne hätte in dieser IPS eine unterschiedliche Tonhöhe.
Die gleichstufige Stimmung ist im Prinzip eine IPS, bei der die reine Quinte (3/2 = 1,5) auf 2^(7/12) = 1,4983... verkleinert wird.
Die Auswirkung ist, dass man dann auf dem "Quintenstrahl" nur 12 (abgesehen von der Oktavlage) unterschiedliche Töne hat,
man kann also aus diesem "Quintenstrahl" einen Quintenzirkel machen.
Töne, die im Quintenzirkel gleich, aber auf dem "Quintenstrahl" unterschiedlich sind, kann man enharmonisch verwechseln.
Man sollte sich bewusst sein, dass Enharmonik auf der pythagoräischen Stimmung basiert,
dass man aber auf die reine Stimmung zurückgreift, wenn es um Konsonanz oder Dissonanz geht.
Folglich kann man aus der Enharmonik nur ungefähr folgern, ob ein Intervall konsonant oder dissonant ist.
Beispiel:
Vom C zum E sind's im Quintenzirkel 4 Schritte, bis zum D nur 2. Ist deshalb die große Sekunde konsonanter als die große Terz?
Antwort: In der pythagoräischen Stimmung ja (Gr. Sek.: 9:8, Gr. Terz: 81:64)
In der reinen Stimmung nein (Gr. Sek.: 9:8, Gr. Terz: 5:4)
Das ist der Grund, warum ich denke dass unsere Enharmonik für die Harmonik nicht vollständig ausreicht, auch wenn man grob sagen kann,
dass Intervalle, die im Quintenzirkel näher beieinander sind konsonanter sind.
Ich glaube aber, dass sie in der Melodik eine große Rolle spielt (vor allem Leittöne), einen Beleg dafür kann ich leider (noch) nicht vorweisen.