So, erstmal vielen Dank an euch beide, für eure Antworten
Ich möchte im folgenden auf einige eurer Aussagen, Anmerkungen, Hindeutungen und Ratschläge eingehen. Der besseren Übersicht halber in chronologischer Order. Beginnend also bei Stadtmensch:
Naja, in obigem Stück sind zuerst einmal einige leere Quintklänge und unvermittelt auftauchende Quartsextakkorde zu finden. Inwiefern das nun "klassisch" im musiktheoretisch verstandenen Kontext sein soll, sei erstmal dahingestellt. Weiters ist die formale Anlage abgesehen von nicht schlüssig auch nicht aus den gängigen musikästhetischen Anlagen der damaligen zeitgenössischen Musikschaffenden erklärbar. Der Satz ist weitgehend homophon mit einer geringen Eigenständigkeit der Stimmen, echte Polyphonie sucht man abseits der etwas unbeholfen wirkenden, ausschmückenden figuralen Elemente vergebens.
Hier kommen wir sofort zu der wahrscheinlich wichtigsten Information, die ihr über mich haben und im Hinterkopf behalten solltet: Ich bin Anfänger! Um diese schlichte Aussage etwas auszuschmücken:
Ạn·fän·ger, Ạn·fän·ge·rin der <Anfängers, Anfänger> (↔ Fortgeschrittener)
jmd., der etwas noch nie (oder nicht oft) gemacht hat und daher keine Erfahrung hat.
"Dieser Fehler passiert nicht nur Anfängern."
--
The Free Dictionary
Bevor jemand sich entrüstet, nein, ich gehe nicht davon aus, dass ihr das Wort Anfänger nicht kennt - so etwas anzunehmen, wäre ja auch unglaublich arrogant, nicht war?
- aber ich möchte diese Definition nutzen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen: Hier soll vielleicht etwas klassisch klingen, das will aber nicht sagen, dass es das auch tut. "Leere Quintklänge", "unvermittelt auftauchende Quartsextakkorde", die "formale Anlage [...] nicht schlüssig [und] auch nicht aus den gängigen musikästhetischen Anlagen der damaligen zeitgenössischen Musikschaffenden erklärbar". Ich akzeptiere deine Kritik, heiße sie gar willkommen, und möchte anmerken, dass gennante Dinge und viele weitere, entweder mir noch nicht bewusst waren, unabsichtlich eingeflossene 'Fehler' darstellen, oder mir ganz einfach bei dieser Übung nicht wichtig erschienen (oder ich mir über deren Wichtigkeit nicht im Klaren war). Insofern bin ich dankbar, dass du mich auf sie aufmerksam machst
Es wirkt auf mich ähnlich wie das Buch eines Autors, der zwar seine Vokabeln gelernt hat, aber ohne danach viel zu lesen sich an der schreibenden Zunft versucht hat.
Ein wunderschöner Vergleich und mit Blick auf obige Ausführungen sogar recht treffend
Nun stehen wir an der Frage, worauf du mit deinem Schaffen konkret hinauswillst. [...]
Dies ist die zweite wichtige Frage, die ich zu beantworten gedenke:
"Ich möchte das Komponieren erlernen"
Dieses allgemein formulierte Ziel, beantwortet an sich perfekt deine Frage. Lass mich jedoch deien Frage etwas weiter deuten und noch ein paar Dinge ergänzen:
- Wie denke ich, dieses Ziel erreichen zu können?
In diesem Fall durch das zu Studienzwecken gezielte Anfertigen von Stilkopien - für den Moment klassischer Werke. Ich habe allerdings nicht den Anspruch, diese 100%ig perfekt zu machen (wobei man sich meiner Meinung nach sowieso Fragen muss, ob jegliches Streben nach wie auch immer gearteter Perfektion nicht Schöngeisterei ist).
- Was erhoffe ich mir von dieser Vorgehensweise?
Das erlernen kompositionstechnischer Grundlagen.
- Warum gerade Klassik?
Persönliche Präferenz, die Tatsache, dass ich am Klavier zurzeit vermehrt Klassisches spiele, und schließlich die simpel Überlegung, dass man ja schließlich irgendwo anfangen muss.
Doch völlig abgesehen von diesen Bemerkungen frage ich mich, worin eigentlich der Reiz darin liegt, die stilistisch ausgetretenen Pfade vergangener Musikepochen mehrere hundert Jahre später erneut durchzuexerzieren.
Um sich ein umfangreiches Bild über das Handwerk zu machen,und Entwicklungen besser verstehen zu können. [...]
s.o.
Um sich ein umfangreiches Bild über das Handwerk zu machen,und Entwicklungen besser verstehen zu können.
Dafür muss man selbst keine Stilkopien anfertigen. [...]
Vielleicht. Jedoch lernt man - oder zumindest ich - am besten durch Applikation.
Ich bin sehr dafür, sich einen Überblick zu verschaffen. Jedoch nur unter dem Credo, dass nur derjenige, der die Geschichte nicht kennt, gezwungen ist, sie zu wiederholen. Sie zu studieren nur zu dem Zwecke, sie erneut durchzuarbeiten, ist doch eben das Gegenteil von unabhängigen Entwicklungsgängen, ganz zu schweigen vom Suchen nach schöpferischen Eigenwerten.
Ah, hier nun kommen wir zu einem Punkt, den zu erwähnen ich zuvor bewusst vergessen habe: Was ist mein langfristiges Ziel?
Folgend dem abgeschlossenen Studium grundlegender Techniken anhand bereits erwähnter Stilkopien, plane ich, das starre Regelwerk, welches einem Stile vergangener Epochen nun einmal auferlegen, schrittweise aufzuweichen, es meinem persönlichen Geschmack und Interessen anzupassen und schlussendlich so zu einem eigenen Kompositionsstil zu gelangen. Dabei wird die Auseinandersetzung mit anderen Stilen natürlich weiterhin stets eine bedeutende Rolle spielen, aber wohl nicht mehr in dem Umfang wie jetzt.
Ich hoffe diese Erläuterungen konnten einige Unklarheiten beseitigen. Im Hinblick auf mein Anfängersein nochmals danke; eure Anmerkungen sind mir eine große Hilfe