Hi,
die Idee der eierlegenden Wollmilchsau ist ja auch im Gitarrensektor nichts wirklich neues. Der Haken ist nur: Es geht nicht. Jedenfalls nicht im Sinne eines authentischen Les Paul- und Strat-Sounds.
Warum ich zu dem Schluss komme? Ganz einfach, weil die LP und die Strat zu unterschiedlich sind. Im Grunde sind ja schon HSH und HSS-Strats der Versuch, beides unter einen Hut zu bringen, aber überlegt mal, was passiert ist, als Eddie einstmals einen PAF in seine Strat geschraubt hat. Was dabei rauskam, war weder Strat noch Paula, sondern ein neuer Sound mit seiner eigenen Ästhetik.
Paul Reed Smith hat es dann mit einem Ansatz aus der anderen Richtung versucht. Er kam mehr aus der Gibson-Richtung, verlängerte die Mensur auf ein Zwischenmaß, machte den Korpus dünner, änderte den Halsansatz zu einer Art verleimter Fender-Version und gab den PUs mehr Power - nicht unbedingt für Heavy-Sounds, sondern damit die Splitsounds nicht so blutleer klangen. Was kam dabei raus? Richtig, wieder etwas eigenes, das weder Les Paul noch Strat war. Entsprechendes gilt übrigens auch für die (ursprüngliche) Gibson Nighthawk, die mir sehr gefallen hat, gerade auch wegen des Firebird-mäßigen MiniHB am Hals.
Das nach meiner bescheidenen Meinung unüberwindbare Problem ist, dass sich die Klampfen nicht nur in den PUs unterscheiden. Deren Gegensatz kann man vielleicht noch lösen (siehe der Ansatz von Dommenget oder die wirklich interessanten P-Rails), aber das ganze wird immer einen Haken haben: Wenn selbst ein PAF in einer Strat nicht nach Les Paul klingen will und ein Singlecoil in einer Paula nicht nach Strat, wie soll es dann irgend ein anderer PU in einer Gitarre schaffen, die weder das eine noch das andere ist?
Man kann halt in ein und derselben Gitarre nicht eine flache und gewölbte Decke, kurze und lange Mensur, Tremolo und Stoptail, geleimten und geschraubten Hals haben - okay, das letzte kann man natürlich, aber Ihr wisst schon, worauf ich hinaus will: Wenn man eine Gitarre baut, die in allen Konstruktionsmerkmalen zwischen Les Paul und Strat liegt, wird sie zwangsläufig weder nach der einen noch nach der anderen Gitarre klingen, sondern eben auch irgendwo dazwischen.
Die Frage ist also letztlich, ob eine Vielzahl von Kompromisssounds für einen selber ein wünschenswertes Ergebnis ist.
Das will ich ja gar nicht mal ausschließen, und bequemer ist es natürlich auch, nur eine Gitarre mitzunehmen. Allerdings würde ich persönlich eh nie einen Gig ohne Ersatzgitarre in Angriff nehmen, als können es doch auch zwei richtig verschiedene sein. Die spieltechnischen Gesichtspunkte kann man natürlich für sich auch genau andersherum sehen - will ich mich möglichst wenig umstellen und einen bestimmten Gitarrentyp so in- und auswendig kennen, dass ich darauf meine Fähigkeiten optimal entwickeln kann? Diesen Ansatz verfolgen ja durchaus viele tolle Gitarristen. Neben Paula- und Strat-Vorturnern wie Slash oder Clapton sind darunter auch Steve Morse oder John Petrucci, die bewusst Gitarren gewählt haben, die sehr unterschiedliche Sounds produzieren (die allerdings nicht wirklich nach Strat oder LP klingen...).
Irgendwie kann ich mir nur schwer vorstellen, dass so eine In-Between-Gitarre einen Musiker mit dem Nick "Stratspieler" auf Dauer zufriedenstellen wird - würdest Du Deine Strats nicht arg vermissen? Trotzdem will ich jetzt ganz zum Schluss doch noch ein paar Anregungen aus meinem Lieblingsgebiet, den PUs, geben, damit ich nicht bloß Meinung kundtue und vielleicht noch ein bisschen was nützliches beitrage:
Eine Strat mit flachem Griffbrett und schlankem Hals sollte ja zu finden sein. Vielleicht eine mit Wilkinson-Tremolo (das klassische mit Stahlblock und festgeschraubten Gussreitern), das überzeugt nicht nur funktional, sondern macht nach meiner Erfahrung im Vergleich zum Fender-Trem den Grundsound etwas weicher und singender. In der Halsposition Deiner EWS könnte ich mir als Alternative zu den P-Rails auch sehr gut den Dimarzio Bluesbucker vorstellen (siehe die Warmoth aus meinem Profil). In Standardschaltung brillant und fett mit P-90-Schlagseite, lässt es sich mit dem gesplittet doch ziemlich gut stratteln. Regelt man den Tonregler der Gitarre (vorzugsweise mit einem kleineren Kondensator als üblich) etwas zurück, kommt man dagegen eher in HB-Regionen. Parallel geschaltet klingt er noch etwas feiner, fast schon nach Zwischenposition. Aber Du willst ja eh noch einen Mittel-SC, nehme ich an. Am Steg könnte ein etwas weicher klingender HB weiterhelfen, um den Ton mehr in Paula-Richtung zu biegen. Der sollte auch nicht zu wenig Power haben, was den Splitsounds zu Gute kommt (s.o.). Da fiele mir der Dimarzio Air Zone ein, der einer Strat etwas mehr Wärme verleiht, aber nicht zu sehr brüllt.
Soviel zum Umbau einer Strat - bei fertigen Gitarren finde ich die von Dir genannten Taylor- und PRS-Gitarren auch toll, aber gerade letztere sind preislich natürlich schon eine Hausnummer.
Gruß, bagotrix