Es mag sein, dass dies Deine "Botschaft" ist. Es bleibt Dir unbenommen, die Bedeutung des Equipments zu ignorieren und anderen dazu zu raten, den gleichen Weg zu gehen. Was mich an Deinem "Beitrag" allerdings stört, ist die Tatsache, dass er Statements enthält, die schlicht und einfach unhaltbar sind. Deshalb muss ich auf sie eingehen, obwohl ich eigentlich die Absicht hatte, die Feiertagsruhe nicht zu stören. Hier aber meine Antwort:
1. Du schreibst, dass Du Texas Flood bereits in der Erstausgabe 1983 erworben hattest. Welche konkreten Folgen ergeben sich hieraus? Ist es Menschen, die - evtl. auch altersbedingt - Stevie erst später für sich entdeckt haben verboten, über ihn zu schreiben bzw. seinen Stil zu studieren? Soll ich Dir jetzt die Medal of Honor um den Hals hängen, weil Du der erste warst, der in Deutschland das Album Texas gekauft hatte? Das Recht des ersten Zugriffs steht Dir deshalb nicht zu. Warum hast Du diesen Satz zu Papier gebracht?
2. Dann fährst Du fort, dass Du nicht gerne Equipmentforschung betreibst. Dass habe ich sofort festgestellt, denn die Seiten, auf die Du Dich berufst, sind so ziemlich die ersten, die herausgeworfen werden, wenn man bei Google einen Suchbegriff wie "Stevie Ray Vaughan Equipment" eingibt. Dazu noch die Wikipedia. Jeder "Anfänger" mit etwas Schulenglisch ist dazu imstande, sich diese Informationen kostenlos und in kürzester Zeit aus dem Internet zu suchen. Ich selbst habe Stevies Stil in den Neunzigern lange studiert, und alles, was mir zur Verfügung stand, waren die Alben, sowie einige Fotos und Videos. Ich habe damals sehr viel falsch gemacht und praktisch mehrere Jahre meines Gitarristenlebens aus dem Fenster geschmissen, bevor ich einige der Geheimnisse seines Tons entdeckt habe. Mein Ziel war es, andere davor zu bewahren, auf den gleichen Irrwegen zu wandern. Deshalb habe ich die Techniken aufgezählt, die m. E. wichtig für seinen Stil sind.
3. Danach kommst Du damit, dass er auch Gitarren von Gibson spielte. Habe ich etwas gegenteiliges behauptet? Ich habe nur geschrieben, dass es mit einer Gibson schwierig sein wird, den klassischen SRV-Sound zu reproduzieren. Auf Youtube findest Du zahlreiche Videos, auf denen er seine Epiphone Casino spielt. Und Du hörst sofort, dass sein Sound ein völlig anderer ist. Du erkennst zwar sofort, dass es SRV ist, der spielt, aber Du merkst ebenso, dass er eben keine Strat spielt.
Dass er auf dem Cover von Texas Flood eine Tokai in den Händen hatte, war mir bis jetzt neu. Das Cover ist eine Illustration des Künstlers Brad Holland, und auf dem Headstock der Gitarre auf dem Bild vermag ich keinen Markennamen zu entdecken.
Dann die Amps: Du zitierst wieder die allgemein zugängliche Quelle und schreibst, dass SRV auch gerne Marshalls gespielt hatte. Genau das gleiche habe ich im Eingangspost geschrieben. Übrigens auch Dumbles. Trotzdem: ich denke, dass für jemanden, der nur ein begrenztes Budget zur Verfügung hat, ein
Fender-Artiger Amp die richtige Wahl ist, wenn er sich soundmäßig in das SRV-Koordinatensystem bewegen will.
4. Nun aber zu dem Teil, in dem Deine Ansicht schlicht und einfach falsch ist: der Handhaltung von Stevie und der Verwendung der starken Saitensätze. Du schreibst zunächst sinngemäß, dass Stevie deshalb den Daumen um den Hals gelegt hatte, weil seine Hände groß waren. Hättest Du seinen Stil mehr studiert, dann hätte es sich Dir schnell erschlossen, dass diese - wie Du schreibst - "falsche" Haltung eine Grundkomponente seines Spiels darstellt. Stevie hatte sich in diesem Zusammenhang wohl wieder von Jimi Hendrix inspirieren lassen: die typischen Hendrix-Akkorde, die einen großen Teil der Rhythmusarbeit von Stevie ausmachten, sind nämlich originalgetreu mit der "klassischen" Haltung (also ohne Daumen) unspielbar. Versuche mal, das Intro von Little Wing, den Rhythmuspart von Life Without You oder die langen Läufe von Texas Flood auf den tiefen Saiten ohne den Einsatz des Daumens nachzuspielen, und Du merkst schnell, dass dies praktisch unmöglich ist. Außerdem hast Du - wie ich schon geschrieben hatte - mit der Hendrix-Haltung generell mehr Kraft für die Bendings und das Vibrato und kannst vor allem Akkorde leichter greifen und ökonomischer bei schnellen Läufen arbeiten. Das Spiel in der Hendrix-Haltung hat übrigens auch nicht viel mit der Länge der Finger bzw. der Größe der Hände zu tun: ich selbst habe z. B. durchschnittlich große Hände und habe eine Fender Nocaster mit einem "1951 U" Hals, also einem der dicksten Halsprofile überhaupt. Bis jetzt hatte ich keinerlei Schwierigkeiten. Du musst schon extrem kleine Hände haben oder wirklich eine Neandertaler-Jagdkeule als Hals verwenden, um Probleme zu bekommen. Die Hendrix-Haltung ist schlicht und einfach eine Sache der Gewöhnung.
Ebenso ist es falsch, wenn Du schreibst, dass die schweren Saiten etwas mit der Größe der Hände von Stevie zu tun haben. Stevie gab in mehreren Interviews offen zu, dass er oft mit den schweren Saiten zu kämpfen hatte und zuhause beim Üben gerne entweder einige Halbtöne nach unten stimmte oder leichtere Saitensätze verwendete. Er nahm vielmehr den Schmerz und den zusätzlichen Kraftaufwand in Kauf, um seinen muskolösen Sound zu erzeugen.
Du schreibst auch, dass Jimi Hendrix ebenfalls große, starke Hände hatte, was auch richtig ist. Warum verschweigst Du aber, dass Jimi (Deinem Raisonnement folgend wohl "trotzdem") immer leichte Saiten verwendete? Du siehst: die Wahl der Saitenstärke ist eine Frage der persönlichen Präferenz und der Vorstellung vom Sound, nicht der Fingerlänge.
Weshalb Stevie es nötig gehabt haben sollte, die Gitarre mit der Eb-Stimmung seiner Stimme anzupassen, verstehe ich auch nicht. SRV war ein ausgezeichneter Sänger, dem es sicherlich keinerlei Schwierigkeiten bereitet hätte, alle seine Songs einen Halbton höher zu singen. Nicht überzeugt? Dann hör Dir das Album "In the Beginning" an, dort spielt er in normaler Stimmung. Das Herunterstimmen war vielmehr deswegen wichtig, weil insbesondere Singlecoil-Gitarren dadurch fundamental anders (dunkler und mit etwas mehr "Punch") klingen und sich der Saitenzug dadurch verringert, was das Spielen mit schweren Saiten wieder etwas erträglicher macht.
Deine Parallele zu Django Reinhardt, auf den Du Dich berufst, ist auch ziemlich weit hergeholt. Django hatte mit einem Handicap zu kämpfen und versuchte, das Beste aus seiner nachteiligen Situation zu machen. Er hätte sicherlich lieber mit allen 4 (oder 5) Fingern gespielt, nur blieb ihm dies verwehrt. Die Haltung mit dem Daumen über dem Hals war hingegen eine bewusste Entscheidung von Stevie. Ich bin mit fast sicher, dass er die Technik entdeckt hatte, als er Jimis Spiel studiert hatte (dies kann ich allerdings nicht beweisen). Auf jeden Fall hatte Stevie kein Handicap wie Django, sodass er durchauf auch die "korrekte" Haltung mit dem Daumen hinten am Hals hätte wählen können.
5. Nun zu den Einflüssen von Stevie. In diesem Zusammenhang unterstellst Du mir ja sinngemäß, mich nicht mit Stevies Werk auszukennen. Hier meine Antwort: Du schreibst, dass Jimmie Vaughan den größten Einfluss aus Stevie ausgeübt hatte. Dies ist sicher richtig, hängt aber eher damit zusammen, dass Jimmie der große Bruder von Stevie war, der ihn dazu inspiriert hatte, Gitarre spielen zu lernen und der ihm wohl auch die ersten Griffe gezeigt hatte. Aber mit Verlaub: Mir fällt es schwer, unmittelbare Einflüsse von Jimmie Vaughan in Stevies Spiel zu entdecken. Oder kannst Du mir ein "Jimmie Vaughan Signature Lick" nennen, dass ich unmittelbar in Stevies Spiel entdecke? Ich rede hier nicht von klassischen Freddie/Albert/BB/T-Bone etc. Licks, die wahrscheinlich beide Brüder gelernt hatten und auf ihre eigene Art und Weise spielten, sondern originale Jimmie Vaughan Licks. Ich habe den Gitarristen nur dazu geraten, auch den Stil der Drei Könige, sowie den von Lonnie Mack, Hendrix oder auch Lightnin' Hopkins zu studieren, um Stevies Stil besser zu verstehen. Der Einfluss dieser Gitarristen ist in Stevies Stil extrem präsent - anders als der von Jimmie Vaughan.
Noch etwas zum Schluss: Du machst dem Muhammad Ali-Zitat in Deiner Signatur alle Ehre. Aber warum hast Du es nötig, so etwas zu machen? Du maßregelst andere, indem Du Dir auf die Schnelle einige Informationen aus der Wikipedia und aus sonstigen allgemein zugänglichen Quellen zusammensuchst und versuchst, die anderen Mitglieder bloßzustellen? Dann gibst Du wieder die Spiel-alles-eigener-Stil-Equipment-ist-egal-Weisheit von Dir, die eigentlich jedem bekannt ist. Dass ist für eine Diskussion nicht förderlich. Wenn Dir Equipment so egal ist, ist mir dies herzlich egal. Aber warum hältst Du anderen, die sich für Equipment/Gitarren/Technik interessieren vor, dass sie dadurch keine besseren Musiker werden? Muss ich Niki Lauda sein, wenn ich mir ein gutes Auto kaufen will? Oder muss ich spielen können wie John McEnroe, wenn ich mich für gute Tennisschläger interessiere?