Noch mal vorweg, was ihr auf die Bühne/Festplatte gestellt habt ist für Nichtprofis sehr, sehr gutes Zeug.
Bitte nimm die Zeit, die mich das Folgende gekostet hat, als Maß für den Respekt, den ich euch zolle.
Und jetzt setzte ich mir die verspiegelte Ray Ban auf, stecke ich mir die stinkende, grüne Zigarre in der Fresse an, fleetze mich fett in meinen Produzenten-Ledersessel und fange an zu nölen, ok?
Generell: die Mixe klingen alle sehr weich, wenig präsent.
Auch die Dynamik könnte mehr Bandbreite vertragen.
Irgendwie klingt es etwas leblos, wie zu stark kompromiert.
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Escape
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Gesamt-Klangassoziation, vielleicht daher auch Mixinspirationen:
James Bond-Titelsongs, Tears for Tears "Seeds of Love" (Album), Goldfrapp "Felt Mountain"(Album), Lana Del Ray (bei euch leider ohne das Verruchte, "Schmutzige")
Dynamisch dürfte da viel mehr Bandbreite zwischen den ruhigen Parts und dem Chorus und dann noch mal zum großen Finale sein. Dann "plätschert" der Song auch nicht so dahin.
Vielleicht einfach mal den Master-Compressor-Limiter abschalten.
Und den ollen Trick versuchen: einen hart komprimierten Stereo-Mix ganz sachte unter den weniger komprimierten Mix legen - soll helfen, Druck zu machen, ohne das es zum Loudness-Exzess kommt.
Bass-Sound: ist das DI?
Ich stehe ja nicht so auf DI-Bass.
Wenn DI, vielleicht reampen über einen Röhrenamp und eine straffe 2-4 x 12er Box?
Mir ist der Bass klanglich zu nah an der Bassdrum, mehr "Röhrenmitten" und weniger Kompression. Der wirkt so undynamisch.
Bassdrum: klingt elektronisch, die atmet nicht.
Snaredrum: zu wenig "crack" und Körper
Drums erscheinen mir generell zu weit nach hinten gemischt.
Die haben mir zu wenig Attack/Knack und auch zu wenig Dynamik.
Zusammenspiel Bass und Bassdrum 1--+3--Aufeinander:
das hat immer diesen fiesen "Für die rythmisch behinderten Tänzer*innen"-Touch.
Sowas ist vorhersehbar, wenig spannend. Das würde ich nur im Finale durchziehen und vielleicht dezent aufpeppen (à la Entwistle/Moon-mäßig?).
1:36: die Pause ist aber arg kurz - soll das so?
Oder muss das leider so bleiben, weil mit Click gespielt und aufgenommen, und nun passt es nicht mehr anders zusammen?
2:32: Fein, wenn ein Drummer so einen Roll spielen kann, das freut die Muckerpolizei.
Aber hier gefiele mir weniger besser.
Nämlich 2 länger klingende Tomschläge und dann einmal Bassdrum - think Ringo Starr.
Ab 3.45 ff: Streicherflächen zurücknehmen und die dynamischen Steigerungen mit anderen Elementen erzeugen (Becken, kurze Basslicks, gecrunchte (Slide?-)Gitarre).
In jedem Chorus: Bassdrum/Bass-Doppelschläge bei "darling", da würde ich auf dem Bass nicht zweimal dieselbe Note spielen, vielleicht auch nicht immer beide Schläge mitspielen.
Vielleicht als Idee, um die 2 und 4 der Snaredrum im Chorus/grand Finale zu unterstützen: angecrunchte, abgedämpfte Tele-Akkordchops (siehe Stax/Steve Cropper bei Otis Redding).
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CALL OF THE VOID
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Der Track dürfte gern länger sein, der Song ist nämlich sehr schön.
Aber wenn ihr ihn so kurz lasst, dann würde ich diese Flächenkeys weglassen bzw. gegen was Kleineres ausgetauscht werden, siehe unten.
Das Ganze "verspricht" sonst klanglich mehr, als es ist: ein kleiner, feiner Song (think Beatles "Blackbird").
Ein gutes Choruspedal in allen Ehren, und live geht's ja auch nicht anders, aber:
Hast Du für's Studio mal über Doppeln mit einer Nashville-besaiteten Gitarre nachgedacht (incl. hartem Panning L/R)?
Und dann vielleicht weniger Hall?
Muss die Gitarre eigentlich so clean sein?
Hör mal in den Anfang von "In a Little While" von U2 rein, wäre das was?
Die Flächenkeys sollten _nicht_ mit dem Gesang zusammen einsetzen - Lasst doch erst mal Gitarre(n) und Vocals blühen.
Wo wir gerade von Flächenkeys sprechen - müssen das immer diese Plastik-Streicher sein oder hat der Herr da vielleicht auch irgendwas vom Mellotron? Oder 'ne Orgel, ein Harmonium(!), oder ein Solo-Cello? Und könnte das vielleicht ein bisschen dezent mit irgendwas Röhrigem aufgerauht werden (Wildleder oder Frottee ohne Weichspüler statt Samt und Seide)?
Die zwei Gesangstimmen könnten besser ausbalanciert werden (2. lauter) und Gesang weiter nach vorn, weniger Hall.
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AFTER THE RAIN
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Assoziation:
Fängt wie "Lucy in the Sky with Diamonds" an, endet wie ABBA - finde ich gut :O)
Das Intro ist klasse.
Ist die Cabasa echt? Nicht? Na, dann wünsche ich mir: mach, dass die echt klingt.
Da könnte noch so eine große tiefgestimmte Rahmentrommel (mit Sustain) auf der 1 rein, aber nicht von Anfang an und vielleicht nur bei jeder zweiten 1.
Bass und Schlagzeug haben zu wenig Druck, insbesondere untendrum.
Der Bass klingt auch wieder so DI-ig.
Wieder dieses permanent-penetrante Bassnote-auf-Bassdrum-Schlag,
diese "Tight-um-jeden-Preis" (gefühlt eher "tied", also gefesselt, festgezurrt),
meins isses nicht.
Einer von Beiden sollte immer mal hier und da einen Schlag auslassen.
Die beiden müssen sich nur einigen, wer bei welchem Song durchspielt und wer variieren darf
Aber da scheiden sich die Geister.
Als Idee, wenn ihr den Track weiter von der Live-Version wegholen wollt:
Ab ca. 3:12 könnte die Sängerin mit sich selbst im Duett (oder auch Terzett) singen, indem sie den Text "auf der Gitarren-Phrase" singt - schwer zu bschreiben.
Die zusätzlichen Stimmen könnten live auch einer der oder die Anderen per Kopfstimme singen.
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ONE LIFE TO LIVE
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Anfangs Hihat in Relation zum Sidestick zu laut, also Sidestick lauter :O)
Bass und Schlagzeug haben wieder keinen Druck, insbesondere untendrum.
Der Bass klingt auch wieder so DI-ig - und wieder Bassdrum-tied-to-Bass (oder umgekehrt), naja ...
Das Crash-Becken (klingt, als wäre es nur eins) klingt nach Sampler.
Da ist klanglich zuviel unten abgeschnitten. Und zwei verschiedene Sounds (also idealerweise echte Becken) wären auch schöner.
Die Füllsounds vom Keyboard nerven mich.
Hat der Mann auch kompakte Bläser im Sampler?
Und kann auch mal so James-Brown-Rasiermesser-Riffs einwerfen?
Oder ein Rock'n'Boogie-Piano spielen?
Oder 'nen knackig-pickenden Herbie-Hancock-Analogsynth-sound?
Oder irgendwas, das bitte nicht den Druck rausspült, sondern welchen reinpackt?
Von 3:39 bis 4:14
"In quiet moments I realize
this is not the way to live my life"
Das ist ja nun inhaltlich was Anderes als
"Der Bus kam heut später, also hab ich noch eine geraucht."
Da möchte ich vom Gesang gern bei jedem Mal eine andere Emotion hören.
Und zu dem, WAS der Bass spielt - ich mein', ... kennt die Bassistin John Entwistle? Oder James Jamerson, McCartney, Jack Bruce oderoderoder?
Hat sie mal "Smoke on the Water" im Detail gehört?
Spätestens ab 4:25 sollte sie die Money-zone mal verlassen und so kleine, geile Läufe reinschmeissen - und das bitte mit einem echten BASS-SOUND.
Also, ich würde da jedenfalls ganz anders abgehen.
Und wenn es dann zu voll wird, soll der Keyboarder halt mal seinen Ball flach halten.
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Long Journey
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Den Song finde ich klasse.
Intro/Outro: die Acoustic hätte ich gern holziger, closer.
Noch mal 'ne Dreadnaught drunterlegen?
Ab 0:40 bis 2:00:
Das ist DER Sound für den Song (Elvis Costello lässt grüßen), darauf auch später im Verlauf des Songs bitte immer wieder zurückkommen.
Und da ist ja auch die Hammond - geht doch (aber wieso dann später wieder die Plastik-Streicher?)!
Bass und Schlagzeug haben wieder nicht recht Druck, insbesondere untendrum.
Der Bass klingt auch wieder so DI-ig.
Die E-Gitarren hätte ich alle bissiger gemacht, insbesondere die mit dem Wahwah.
Und den Gesang insgesamt bitte mehr "in your face", weniger Hall.
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WASTE YOUR TIME
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Finde ich ziemlich perfekt.
Nur die Flächensounds ab nerven mich hier wieder.
Wie wäre es mit mehr Attack, mit 'ner Hammond oder einem Klassik-Bläsersatz (also mit Hörnern und allem Drum und Dran)?
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Weiter bin ich nicht gekommen.
Was die Sängerin angeht:
"Die Röhre" will/hat/kann sie offenbar nicht.
Das ist ja auch ok so.
ABER: ich finde, sie singt sehr gleichförmig.
Ich höre da wenig emotionale Variationen.
Ob das, was sie singt, inhaltlich traurig ist oder was Schönes, kann ich rein an der Art, wie sie es singt, nicht recht fühlen.
Sie klingt für mich immer etwas verhalten, vorsichtig, fast ängstlich.
Vielleicht wollt ihr, will sie das so ... ich fänd es anders stimmiger.
Wenn sie das machen kann und will, ein Vocal-coach sollte das schnell mit ihr hinkriegen.
Kniffliges Thema: Texte.
Bei den Texten hat sie sich ein paar "Zungenbrecher" bzw. schwer singbare Wortfolgen eingebaut, die manchmal auch zu semantisch seltsamen Betonungen führen.
Das ist ganz normal bei Amateuren- allemal, wenn sie in einer Fremdsprache schreiben (was ich bei ihr stark annehme).
Beispiel Zeilen 2-5 von "The Escape", hinter dem Pfeil meine Variante:
I feel so cold inside now -> Now I feel so cold inside
All I wanted was to feel the [?weeee?] -> Wanted nothing but to feel the [?weeee?]
to be near the one that I love -> to be near you, the one I love
Now I retire into myself ... -> In myself I now retire
Wird deutlich, was ich meine?
Mehr und Beispiele habe ich jetzt nicht mehr im Kopf.
Dazu müsste ich das Ganze noch viel intensiver hören.
Ich würde ihr/euch raten:
Die Texte noch einmal ganz detailliert durchgehen, um derlei glatt zu schleifen (idealerweise mit einem Native-speaker).
Meiner Erfahrung nach lohnt sich das sehr, weil Vieles danach einfach flüssiger, leichter singbar ist.
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Puh.
Mehr habe ich nicht geschafft.
Wenn Dir das irgendwas bringt, höre ich mir den Rest auch noch an und schreibe was dazu.
Aber das kann etwas dauern.
Ich kann aber auch die Klappe halten