Das bedeutet für mich im Klartext: Weg mit der kulturellen Ausbildung, rechnet sich nicht. Und die Euphorie junger Menschen beim Musikmachen verstehe ich immer, vielleicht weil ich mit jungen Menschen zu tun habe. Und die haben vielleicht gar keine Lust, die Firma des Schwippschwagers zu übernehmen und dann mit 60 in den Ruhestand zu gehen (ich darf sogar bis 67 arbeiten), so euphorisiert wie sie sind. Und irgendwie habe ich dann immer gar keine Lust sie auf den wohlbekannten Boden der Tatsachen zurückzuholen, nur weil das prospektive Eigenheim in Gefahr ist oder sonst irgendein Aspekt der materialistischen Mitmachkultur.
Alles schön und gut, aber man muss die Kirche doch mal im Dorf lassen.
Die sog. "professionelle künstlerische Ausbildung" (oder wie auch immer man es nennen mag) führt sich doch streckenweise ein wenig selbst ad absurdum.
A) Wie ich schon erwähnte gibt es einfach kaum einen Bedarf an immer mehr jungen, aufstrebenden Musikern. An sich ist der Bedarf, zumindest im eigentlichen "Jobbereich" schon lange gedeckt und die Leute, die diesen Bedarf bereits mehr als ausreichend decken, gehen streckenweise auch noch lange nicht in Rente. Hier reden wir von finanzieller Absicherung durch eine fundierte Berufsausbildung. Und die ist nicht gegeben, ja, im Musikbereich sieht die Sache sogar deutlich schlechter aus als, sagen wir, in handwerklichen Berufen (bei denen tatsächlich ein Mangel sowohl an Auszubildenden wie auch an gewissen Fachkräften zu herrschen scheint).
B) Oftmals ist die sog. "künstlerische" Ausbildung gar keine solche. Es ist zwar ein Vorurteil, trifft aber leider Gottes dennoch oftmals zu; nicht umsonst werden Hochschulabsolventen häufig zwar als korrekt aber eben auch "blutlos" spielend beurteilt.
Innovatives musikalisches Schaffen ist sehr selten Teil des Hochschulstudiums, schlicht und ergreifend, weil es, um allgemeingültige Lehrpläne aufzustellen, der Erfüllung "verklausulierter" Anforderungen bedarf. Es gibt da seit ein paar Jahren zugegebenermaßen im methodisch-didaktischen Bereich Verbesserungen (speziell an den Hochschulen, die sich auch der Popularmusik widmen), aber so enorm sind die nicht.
Unterm Strich steht (wenn auch etwas grob pauschalisiert), dass man mit dem Handwerkszeug, welches man an einer Musikhochschule erlernt, kaum einen Job finden wird und zeitgleich die wirkliche künstlerische, innovative Förderung nur sehr selten Teil eines Lehrplans ist. So steht man im Endeffekt mit einem Haufen geclonter Charlie Parkers da (um nur ein ganz blödes Beispiel zu nennen).
Hätte es ohne "Euphorie" der Beteiligten eigentlich jemals innovative Musik gegeben? Denn ich kann mir nicht denken, dass z.B. Bands wie Bauhaus ihre Platten nur aus kommerziellen Gesichtspunkten so aufgenommen haben, wie sie das getan haben.
Mit Euphorie hat Innovation sicherlich zu tun. Mit einem Studium an einer staatlichen Hochschule eher sehr wenig (s.o.).
Warum sich also nicht erst absichern und dann die Euphorie im Rahmen dieser Absicherung umzusetzen versuchen?
Sehr viele "innovative" (was auch immer man darunter versteht) Musiker und Bands haben sich durchaus vollkommen frei jeglicher Lehrkultur ihren Weg gebahnt. Bzw., vielleicht haben sie *gerade* deshalb ihren Weg gefunden, weil sie sich niemals an irgendwelche Paradigmen irgendwelcher Lehrpläne halten mussten.
Ich würde mich zwar auf absolut gar keinen Fall als innovativen Gitarristen bzw. Musiker bezeichnen, aber die wichtigsten Dinge für mein musikalisches Fortkommen habe ich definitiv nicht während meines Musikstudiums gelernt, eigentlich wurden dort sogar noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen. Wenn ich meinem Studium etwas zu verdanken habe, dann den Ortswechsel und den Erstkontakt zur hiesigen Musikszene. Für Ersteres hätte ich auch irgendwas studieren können, Letzteres wäre zugegebenermaßen etwas schwieriger gewesen.
Gruß
Sascha