Soll ich Musik studieren? - Mal anders

  • Ersteller Haloman
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wenn Dein jetziges Leben scheiße läuft, dann liegt das weder daran, daß Du nicht Musik studiert hast, noch daß Du Mathe studiert hast - das liegt ganz allein an Dir selber und was Du aus Deinem Leben machst/gemacht hast.

Ist schon toll wenn man das eigene Versagen auf Eltern, Umwelt, was weiß ich abwälzen kann.

Ich bin ein vergleichsweise älterer Mensch, im Ruhestand, schon körperlich etwas eingeschränkt - meine Leben ist nach wie vor spannend, jeder Tag, jede Stunde, jede Minute - aber ich vergeude auch nichts davon...
...aber das ist ein anderes Thema, das wir wir auch schon ausgiebigst an anderer Stelle hier diskutiert haben.
 
Natürlich ist Berufsmusiker ein Job, der sich wirtschaftlich wahrscheinlich noch weniger lohnt als in die Altenpflege zu gehen und der Hartz schaut ständig über die Schulter. Aber andererseits ist Berufsmusiker deutlich spannender als Buchhalter oder Reiseverkehrskauffrau. Letztendlich gingen viele Ratschläge hier in die Richtung "Lern was Anständiges, such dir eine nette Frau, setze dich mit 2,3 Kindern in ein Eigenheim und drehe die Heizung auf 3" Das ist aber nicht unbedingt das, was jeder Mensch unter einem erfolgreichen Leben versteht, nur weil der gesellschaftliche Mainstream das tut.

Moment mal... wer hat hier dazu geraten ? Zumal es verdammt schwierig werden dürfte, heutzutage noch eine Frau zu finden, die drei Kinder in die Welt setzen will ;)
Also im Ernst, zwischen einem Spießerleben im bürgerlichen Komfort und dem selbstbestimmten Künstlerleben (um mal zwei Klischees zu bedienen) gibt es doch noch eine Menge Nuancen...
 
Koebes, obwohl ich verstehe, was du zu bemängeln scheinst, so könnte man, wäre man bösen Willens (was ich nicht wirklich bin...), auch behaupten, dass du bspw. damals nicht genug "Mumm" hattest, dich gegen deine Eltern durchzusetzen - und dass es infolgedessen vielleicht sowieso nix mit der "Karriere" als Musiker geworden wäre. Denn - egal in welchem musikalischen Umfeld man sich bewegt - es braucht bisweilen ordentlich Mumm, auch schon in relativ jungen Jahren.
Außerdem hättest du ja vielleicht schon während deines Studiums eine Vorahnung haben können, von den Dingen, die dann auf deinem weiteren beruflichen Werdegang auf dich zukommen. Da wäre dann noch Zeit zum umschwenken gewesen.

Auch ich hatte eigentlich nicht unbedingt vor, Musik zu studieren, das war ja eine recht unsichere Sache. Und da ich auch damals schon ein Faible für Mathe und Computer hatte, dachte ich, es wäre ganz schlau, Wirtschaftsinformatik zu studieren, in Flensburg (meiner Heimatstadt) hatte die Uni einen exzellenten Ruf, ferner war das ein absolut boomender Bereich mit (gutbezahlter und womöglich sogar interessanter) Jobgarantie.
Ich habe mich dann aber dagegen entschieden, der Hauptgrund war, dass ich irgendwann mal mit anderen als den Flensburger Amateurmuckern spielen wollte (in einer größeren Stadt wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen).
Abgesehen davon war ich aber auch ohne Studiumsoption in FL sehr gut versorgt, hatte einen 3-Tage-Job bei der städtischen Musikschule (beinahe unkündbar, zumal sowieso quasi keine Konkurrenz da war), einige gutbezahlte Gigs in irgendwelchen Cover- und Barjazz-Bands, eine extrem günstige und total geile Wohnung vor der Nase (die ich dann eben nicht genommen habe), einen intakten Freundeskreis, etc pp. An sich wäre ich damals schon mehr oder minder bis ans Lebensende versorgt gewesen.
Aber ich wollte halt mehr und habe mir dann eben den Arsch aufgerissen, einen Studienplatz zu bekommen. Und zwar gar nicht mal mit großen finanziellen Hintergedanken, darüber habe ich mir einfach nicht den Kopf zerbrochen. Alles, was ich wollte war, endlich mal mit guten Leuten Musik zu machen - vielleicht hätte ich auch einfach was anderes studieren können, für mich war's wichtig, aus der Provinz wegzukommen, das Studium und der damit verbundene Unterricht waren mehr oder minder ein Bonus.

Wie dem auch sei, es braucht eben einen unbedingten Willen.
Und gerade heutzutage ist der umso wichtiger, weil es eben auf der Jobseite alles andere als rosig aussieht. Live-Clubs schließen nach wie vor (obwohl sich in einigen Städten die Lage wieder bessert), für viele Veranstaltungen wird lieber ein DJ (oder gar nur ein Bekannter mit massig MP3s auf der Festplatte) als eine Band engagiert, der Markt für Newcomerbands ist mittlerweile quasi nicht mehr existent, die Studioszene ebensowenig.
Da noch einen freien Platz bzw. eine Marktlücke für sich zu finden ist extrem schwierig.

Ich rate deshalb auch unbedingt an, wenn man den Weg wirklich gehen will, ein möglichst "kompletter" Musiker zu werden, nicht nur auf seinem Instrument sondern auch generell. Das bedeutet nicht, dass man am Instrument alles wirklich perfekt spielen können muss, man sollte sich sogar ein paar Schwerpunkte setzen, aber man darf überhaupt keine Berührungsängste mit gewissen Stilistiken haben. Walzer spielen kann a) auch Spaß machen und b) sehr gut üben, als Jazzer darf ich 2-Akkorde-Popnummern nicht belächeln, als Rocker kann ich auch gerne mal was anderes als Riffs und Pentatoniken spielen, etc.
Und dann ist eben der Blick über das rein instrumentaltechnische hinaus extrem wichtig. Heutzutage muss man sich mit modernen Techniken auskennen, um ein Bein an Deck zu bekommen. Dazu gehören bspw. Dinge wie Computer und Sequenzer. Als Gitarrist muss ich im Prinzip auch in der Lage sein, mich selber daheim aufzunehmen, und zwar in möglichst hoher Qualität. Auch muss ich, nur um ein anderes Beispiel zu liefern, als Gitarrist einen guten DI-Sound anbieten können, sonst gehen mir einfach etliche Jobs flöten (ohne DI-Lösung bekommt man bspw. quasi keinen einzigen Theater-Job mehr). Auch muss ich mich u.U. mit anderen Instrumenten befassen, das erleichtert die Kommunikation und ich kann dann Dinge machen, wie etwa daheim am Sequenzer mal ein Backing zu programmieren bzw. einzuspielen.
All diese Sachen haben mir irgendwann Jobs verschafft. Einige dieser Jobs haben (bis jetzt zumindest) den Aufwand nicht ganz gerechtfertigt, andere Dinge haben sich (teils auf ganz erstaunliche Art und Weise) mehr als amortisiert.

Naja, soweit erstmal.

Gruß
Sascha
 
wenn Dein jetziges Leben scheiße läuft, dann liegt das weder daran, daß Du nicht Musik studiert hast, noch daß Du Mathe studiert hast - das liegt ganz allein an Dir selber und was Du aus Deinem Leben machst/gemacht hast.

Ui, nicht schlecht, was Du alles vermittels eines Computers und einer Internetverbindung über mein Leben herausfindest. Und ob das Bewusstsein das Sein oder das Sein das Bewusstsein bestimmt kannst Du ex cathedra beantworten, andere brauchen da einen Schock moderner Philosophen und sind sich immer noch nicht ganz sicher.

Ist schon toll wenn man das eigene Versagen auf Eltern, Umwelt, was weiß ich abwälzen kann.

Worin besteht genau das "eigene Versagen"?

Ich bin ein vergleichsweise älterer Mensch, im Ruhestand, schon körperlich etwas eingeschränkt - meine Leben ist nach wie vor spannend, jeder Tag, jede Stunde, jede Minute - aber ich vergeude auch nichts davon...
...aber das ist ein anderes Thema, das wir wir auch schon ausgiebigst an anderer Stelle hier diskutiert haben.

Dann lassen wir es da.

Worauf ich mich bezog ist eigentlich beispielsweise das hier:

Im Prinzip könnte man die Musikerausbildung einstellen und er wären immer noch genügend vorhanden und genügend arbeitlos.

Ich verstehe Euere Euphorie wirklich nicht.

Das bedeutet für mich im Klartext: Weg mit der kulturellen Ausbildung, rechnet sich nicht. Und die Euphorie junger Menschen beim Musikmachen verstehe ich immer, vielleicht weil ich mit jungen Menschen zu tun habe. Und die haben vielleicht gar keine Lust, die Firma des Schwippschwagers zu übernehmen und dann mit 60 in den Ruhestand zu gehen (ich darf sogar bis 67 arbeiten), so euphorisiert wie sie sind. Und irgendwie habe ich dann immer gar keine Lust sie auf den wohlbekannten Boden der Tatsachen zurückzuholen, nur weil das prospektive Eigenheim in Gefahr ist oder sonst irgendein Aspekt der materialistischen Mitmachkultur.

Hätte es ohne "Euphorie" der Beteiligten eigentlich jemals innovative Musik gegeben? Denn ich kann mir nicht denken, dass z.B. Bands wie Bauhaus ihre Platten nur aus kommerziellen Gesichtspunkten so aufgenommen haben, wie sie das getan haben.
 
Das bedeutet für mich im Klartext: Weg mit der kulturellen Ausbildung, rechnet sich nicht. Und die Euphorie junger Menschen beim Musikmachen verstehe ich immer, vielleicht weil ich mit jungen Menschen zu tun habe. Und die haben vielleicht gar keine Lust, die Firma des Schwippschwagers zu übernehmen und dann mit 60 in den Ruhestand zu gehen (ich darf sogar bis 67 arbeiten), so euphorisiert wie sie sind. Und irgendwie habe ich dann immer gar keine Lust sie auf den wohlbekannten Boden der Tatsachen zurückzuholen, nur weil das prospektive Eigenheim in Gefahr ist oder sonst irgendein Aspekt der materialistischen Mitmachkultur.

Alles schön und gut, aber man muss die Kirche doch mal im Dorf lassen.
Die sog. "professionelle künstlerische Ausbildung" (oder wie auch immer man es nennen mag) führt sich doch streckenweise ein wenig selbst ad absurdum.

A) Wie ich schon erwähnte gibt es einfach kaum einen Bedarf an immer mehr jungen, aufstrebenden Musikern. An sich ist der Bedarf, zumindest im eigentlichen "Jobbereich" schon lange gedeckt und die Leute, die diesen Bedarf bereits mehr als ausreichend decken, gehen streckenweise auch noch lange nicht in Rente. Hier reden wir von finanzieller Absicherung durch eine fundierte Berufsausbildung. Und die ist nicht gegeben, ja, im Musikbereich sieht die Sache sogar deutlich schlechter aus als, sagen wir, in handwerklichen Berufen (bei denen tatsächlich ein Mangel sowohl an Auszubildenden wie auch an gewissen Fachkräften zu herrschen scheint).

B) Oftmals ist die sog. "künstlerische" Ausbildung gar keine solche. Es ist zwar ein Vorurteil, trifft aber leider Gottes dennoch oftmals zu; nicht umsonst werden Hochschulabsolventen häufig zwar als korrekt aber eben auch "blutlos" spielend beurteilt.
Innovatives musikalisches Schaffen ist sehr selten Teil des Hochschulstudiums, schlicht und ergreifend, weil es, um allgemeingültige Lehrpläne aufzustellen, der Erfüllung "verklausulierter" Anforderungen bedarf. Es gibt da seit ein paar Jahren zugegebenermaßen im methodisch-didaktischen Bereich Verbesserungen (speziell an den Hochschulen, die sich auch der Popularmusik widmen), aber so enorm sind die nicht.

Unterm Strich steht (wenn auch etwas grob pauschalisiert), dass man mit dem Handwerkszeug, welches man an einer Musikhochschule erlernt, kaum einen Job finden wird und zeitgleich die wirkliche künstlerische, innovative Förderung nur sehr selten Teil eines Lehrplans ist. So steht man im Endeffekt mit einem Haufen geclonter Charlie Parkers da (um nur ein ganz blödes Beispiel zu nennen).

Hätte es ohne "Euphorie" der Beteiligten eigentlich jemals innovative Musik gegeben? Denn ich kann mir nicht denken, dass z.B. Bands wie Bauhaus ihre Platten nur aus kommerziellen Gesichtspunkten so aufgenommen haben, wie sie das getan haben.
Mit Euphorie hat Innovation sicherlich zu tun. Mit einem Studium an einer staatlichen Hochschule eher sehr wenig (s.o.).
Warum sich also nicht erst absichern und dann die Euphorie im Rahmen dieser Absicherung umzusetzen versuchen?
Sehr viele "innovative" (was auch immer man darunter versteht) Musiker und Bands haben sich durchaus vollkommen frei jeglicher Lehrkultur ihren Weg gebahnt. Bzw., vielleicht haben sie *gerade* deshalb ihren Weg gefunden, weil sie sich niemals an irgendwelche Paradigmen irgendwelcher Lehrpläne halten mussten.
Ich würde mich zwar auf absolut gar keinen Fall als innovativen Gitarristen bzw. Musiker bezeichnen, aber die wichtigsten Dinge für mein musikalisches Fortkommen habe ich definitiv nicht während meines Musikstudiums gelernt, eigentlich wurden dort sogar noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen. Wenn ich meinem Studium etwas zu verdanken habe, dann den Ortswechsel und den Erstkontakt zur hiesigen Musikszene. Für Ersteres hätte ich auch irgendwas studieren können, Letzteres wäre zugegebenermaßen etwas schwieriger gewesen.

Gruß
Sascha
 
Koebes, Du hast im Prinzip recht mit dem, was Du sagst, aber Du vergißt einen Aspekt. Der Threadersteller fragt sich, ob er als Musiker eine Familie ernähren kann. Meine und William Basies Antwort lautete: nein bzw. ohne Unterrichten: nein.
Das hat nichts mit Beamtenmentalität und Eigenheim zu tun. Ich z.B. hab sowas nicht und brauche es auch nicht.
Alleine habe ich mich immer über Wasser halten können - allerdings kann ich meine Familie definitiv nicht von Musik ernähren, und wir sind nur zu dritt (na ja, eigentlich zu viert, der Hund kostet auch einiges ;) )
Man muß sich schon genau überlegen, wie man es angehen will. Glaub mir, ich kenne so einige frustrierte Endvierziger, die den Traum des Berufsmusikers einst sehr euphorisch angefangen haben und mittlerweile Taxifahren, lustlos unterrichten, auf Hartz 4 sind.... und was meinst Du, wie schwer man es als Sängerin hat ?? Auf der Bühne zählen knallhart Alter und Aussehen. Du wirst kaum eine Sängerin über 45 in einer Top40/Galaband finden...
von daher bin ich persönlich ganz froh darüber, ein zweites berufliches Standbein zu haben, das ich noch aus dem Ärmel schütteln kann, wenn es mit der Musik gar nicht mehr läuft. Ich möchte nämlich eben nicht mit 60 in den Ruhestand gehen.
 
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