Skalentheorie

  • Ersteller danielll
  • Erstellt am
Avoid Notes meint Folgendes:

Zum Beispiel: Umgebung C-Dur (C-Ionisch). Ein "betontes", lange ausgehaltenes, nicht nur als Durchgangston gespieltes F ist in diesem Zusammenhang weniger passend, reibend, ... daher zu "avoiden".

Wie immer in der Musik ... : Jede Menge Ausnahmen bestätigen die Regel ...

LG, Thomas
 
Falls du mit amtlich den Sprachstil meinst, wirst du dich damit abfinden müssen, weil ich sogar in diesem Duktus zu reden pflege.

Diese Tatsache wirkt sich auf mich sehr angenehm aus. Aber eigentlich bezog ich mich mit "amtlich" mehr auf's Inhaltliche.


"Avoids", turko fasst es ja schon kurz zusammen, sind gewisse Töne die unter gewissen Umständen in gewisser Musik zu gewissen Zeitpunkten zu vermeiden sind.

Im tonal-funktional und nicht-funktionalen Umfeld sind die Hörgewohnheiten von Spätromantik bis einschließlich Impressionismus noch heute maßgeblich. Atonales Umfeld meine ich hier an dieser Stelle nicht.

So ist es in Jazz- und Popularmusik Usus gewisse Disonanzkonstellationen zu vermeiden.
Wobei zunächst zu klären wäre wie Dissonanz kategorisiert werden kann - von perfekter Konsonanz bis zur primären Dissonanz. Und zwar nach dem Motto, je komplizierter das Zahlenverhältnisse der Frequenz, desto dissonanter.

Bei Avoids geht es ausschließlich um Dissonanzen die durch folgende Regel leicht zu orten sind:

Steht eine Tension einen Halbton über ihrem darunterliegenden Bezugston, ist sie als wichtiger Melodieton oder als Akkordton zu vermeiden.

Ausnahme:
Tension b9 bei Dominantseptakkord und wenn der Bezugston selbst im Voicing nicht präsent ist, gilt die Regel natürlich auch nicht.

Das ist im Prinzip schon alles.



Nun zu den Einzelheiten.

Bezugstöne sind immer die Bestandteile Grundton, Terz und Quinte eines Dreiklanges.

Der Grundton ist Bezugston der None,
die Terz ist Bezugston der Undezime und
die Quinte ist Bezugston der Tredezime.


Beispiele von avoids

Ein Dominantseptakkord mit den Erweiterungen Tb9 und Tb13 darf im Voicing selbst keine reine Quinte enthalten.
Erklärung:
Bezugston der Tb13 ist die Quinte. Da Tension b13 zu dieser einen Halbton (b9) bildet, gilt sie als Avoid.

Ein Mollseptakkord darf keine Tb9 enthalten.
Nehmen wir den Akkord einer III Stufe in einer Durtonart. Sein in der Diatonik liegender terzgeschichteter Aufbau schließt automatisch die Tb9 ein. Diese, da sie einen Halbton über ihrem Bezugston, dem Grundton in diesem Fall, liegt, gilt demzufolge als Avoid.


Die Töne die hier als Avoids deklariert werden, sind also immer diatonisch zur Chordscale des aktuellen Akkordes und haben dann keine Funktion mehr als Tension, sondern werden sozusagen als Scaleapproaches "degradiert". Ihr musikalischer Einsatz beschränkt sich somit auf die Funktion von Durchgangsnoten (=Scaleapproaches).


CIAO
CUDO
 
Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden...
 
@CUDO
Ausnahme:
Tension b9 bei Dominantseptakkord
Hast Du da zufällig auch so eine schöne Erklärung parat? Das frage ich mich nämlich schon lange, warum wir die b9 im Dominantseptakkord nicht als Avoid Note erleben.

Viele Grüße,
McCoy
 
@CUDO

Hast Du da zufällig auch so eine schöne Erklärung parat? Das frage ich mich nämlich schon lange, warum wir die b9 im Dominantseptakkord nicht als Avoid Note erleben.

Viele Grüße,
McCoy

Hi McCoy,

diese Frage ist ja fast philosofischer Natur. :D

eine wirkliche Erklärung habe ich dazu eigentlich nicht, aber hier mal ein Versuch die äußeren Gegebenheiten aufzuzeigen, die zu dieser Akkordbildung führten..

Zu Bach's Zeiten gab es diesen Akkord nur in verkürzter Form, sprich: kleiner verkürzter Dominantseptnonakkord, bzw. der Jazzer nennt diesen Diminished Seventh Chord (o7).
Dieser Akkordtyp enthält keine kleine None, da ihm ja der Grundton fehlt. Somit gabe es das b9 Problem nicht. Einen D9 spielte man damals aus besagtem Grunde eben nicht.

Die kleine None trat in Präsenz des Grundtones historisch gesehen zunächst immer als Vorhalt zum Grundton der Dominante, bzw. als Vorhalt zur Quinte der auf ihn folgenden Tonika auf.

Stellt man sich nun vor, dass dieser Akkord ja selbst eigentlich eine Mischung aus Dominant- und Subdominantklang darstellt, kann man daraus sehr gut seinen Vorhaltscharakter erhören.

Dazu einfach mal den Akkord F-6/G spielen, das im Voicing enthaltene c zum b führen und nach C Dur/Moll abkadenzieren. Dadurch wird der Vorhaltscharakter der b9 (ab), die zur Tonikaquinte (g) leitet, verdeutlicht.
Oder auch mal den F-6/G direkt auflösen.
Der Ton ab ist in diesem Zusammenhang ja die bVI Stufe der Tonart, welche charakteristisch für alle SDM Akkorde, da sie in allen in irgendeiner Form als Akkordton enthalten ist.
Dieser Akkord ist also eigentlich ein Zwitter.

Ich denke dieser Klang hat sich aus diesem Zusammenhang heraus mit der Zeit verselbstständigt und ist von unseren Hörgewohnheiten als solcher somit irgendwann akzeptiert worden.


CIAO
CUDO
 
Vielen Dank, tolle Antwort. Gerade unter diesem Blickwinkel, daß die b9 der Dominante mit der Terz der Mollsubdominante identisch ist, habe ich das ganze noch nie gesehen.

Viele Grüße,
McCoy
 
Der Grundton ist Bezugston der None,
die Terz ist Bezugston der Undezime und
die Quinte ist Bezugston der Tredezime.


Als Ergänzung fällt mir noch ein, daß man auch gern vermeidet, über eine Maj7 den Grundton zu spielen, da auch hier ein b9-Intervall entsteht - die Dissonanz wird hier aber nicht so stark wahrgenommen wie bei den Tönen des Dreiklangs.
Ist der Grundton auch ein wichtiger Melodieton, ist es besser, im Begleitakkord anstatt der Maj7 die 6 zu verwenden.


Dazu einfach mal den Akkord F-6/G spielen, das im Voicing enthaltene c zum b führen und nach C Dur/Moll abkadenzieren. Dadurch wird der Vorhaltscharakter der b9 (ab), die zur Tonikaquinte (g) leitet, verdeutlicht.
Oder auch mal den F-6/G direkt auflösen.
Der Ton ab ist in diesem Zusammenhang ja die bVI Stufe der Tonart, welche charakteristisch für alle SDM Akkorde, da sie in allen in irgendeiner Form als Akkordton enthalten ist.
Dieser Akkord ist also eigentlich ein Zwitter.

Mark Levine bezeichnet den susb9-Akkord auch als phrygischen Akkord und leitet ihn von der phrygischen Skala ab, welche ja die große Terz nicht enthält. In seinem Jazz-Piano Buch beschreibt er ihn auch als Dominant-Septakkord mit Tredezime im Bass, den man gleichermaßen nach Dur oder Moll auflösen kann.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang noch, daß die Terz in der Melodie über einen sus4-Akkord sehr reizvoll klingen kann - umgekehrt, also die 4 über einen Dur-Akkord weniger, wieder wegen der b9.
Ich dachte lange, sus4-Akkord und Terz in der Melodie schließen sich grundsätzlich aus - oder daß man sowas einfach nicht darf...:redface:
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Ergänzung fällt mir noch ein, daß man auch gern vermeidet, über eine Maj7 den Grundton zu spielen, da auch hier ein b9-Intervall entsteht - die Dissonanz wird hier aber nicht so stark wahrgenommen wie bei den Tönen des Dreiklangs.
Ist der Grundton auch ein wichtiger Melodieton, ist es besser, im Begleitakkord anstatt der Maj7 die 6 zu verwenden.

Hi Funkeybrother,

zunächst einmal Danke für die Ergänzung zur b9 Problematik.

diese von Dir erwähnte Einschränkung wegen eines b9 Konfliktes ist allerdings ein bisschen anderer Natur als die der von mir erwähnten Avoids, da ja dabei beide in der Entstehung verwickelten Komponenten an sich erlaubt sind. Es ist so zu sagen nur ein bedingtes Verbot und von Diesen gibt es noch einige mehr.
Diese bedingten Verbote entstehen bei den an einer Halbtonschrittbildung einer Chordscale beteiligten Töne immer dann, wenn der Obere von Beiden im Voicing über dem Unteren in einer nach oben versetzten Oktavlage zu liegen kommt.


Beispiel:

Chordscale = ab bb cb db eb fb gb = Ab Aeolisch

Halbtonschritte bilden sich zwischen bb und cb, und zwischen eb und fb.

Der Fall eb - fb fällt natürlich in die Rubrik der Avoids. fb kann nicht Tb13 sein, da der Ton einen Halbton über seinem Bezugston e liegt.

Der andere Halbtonschritt der Chordscale Aeolisch, der sich zwischen den Tönen bb und cb befindet, besteht ja nun aus der Konstellation Tension - Bezugston und nicht aus der Konstellation Bezugston - Tension. In dieser Konstellation hat der Halbtonschritt ja absolut keine Verbotswirkung auf die involvierte Tension, da diese ja einen anderen Bezugston hat. Hier geht es ja schlussendlich um die T9 und die halbtonschrittweise darüberliegenden Mollterz.
Im "Normalfall" ist die Anwendung der T9 im Aeolischen ja eigentlich kein Problem, da sie ja "ordnungsgemäß" einen Ganzton über ihrem Bezugston (=Grundton) liegt.
Tritt nun aber der Fall ein, dass die Mollterz innerhalb eines Voicings in einer oktavversetzten höheren Lage als die T9 zu liegen kommt, entsteht zwischen beiden ein b9 Intervall, das es natürlich zu vermeiden gilt.

Liste gleich gelagerter Fälle:

Ionisch: MA7 -> 1
Dorisch: T13(6) -> b7 und T9 -> b3
Phrygisch: /
Lydisch: #11 -> 5 und MA7 -> 1
Mixolydisch: T13 -> b7
Aeolisch: T9 -> b3
Lokrisch: T11 -> b5

Die jeweils 2 involvierten Töne können natürlich innerhalb eines Voicings unmittelbar nebeneinander liegen - aber das auch immer nur, solange der obere Ton nicht die 1. Stimme des Voicings darstellt.





Mark Levine bezeichnet den susb9-Akkord auch als phrygischen Akkord und leitet ihn von der phrygischen Skala ab, welche ja die große Terz nicht enthält.
Das liegt nahe, da Phrygisch von Natur aus die b9 enthält. Das dabei entstandene Klanggefüge ist typisch für Flamenco-Musik.

In seinem Jazz-Piano Buch beschreibt er ihn auch als Dominant-Septakkord mit Tredezime im Bass, den man gleichermaßen nach Dur oder Moll auflösen kann.
Dem würde ich nicht uneingeschränkt zustimmen, denn Slashchords funktionieren in der Regel nicht mit Tensions im Bass. Tensions entstellen den Ursprungscharakter und geben dem Akkordgefüge eine andere Bedeutung.
Z.B. würde ich den Akkord d - g - b - c - e nicht unbedingt als CMA7 mit None im Bass bezeichnen. CMA7/D als Bezeichnung geht natürlich schon, aber dabei hat der Ton d keine Nonencharakter sondern Grundtoncharakter.
Ähnliches empfinde ich wenn man sagt, e - f - a - b - e wäre G13 mit der Tredezime im Bass. Natürlich kann es das sein, aber nicht als allein stehendes Voicing, also ohne zusätzlichen Grundton.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang noch, daß die Terz in der Melodie über einen sus4-Akkord sehr reizvoll klingen kann -
Das erwähnte ich schon. Thad Jones setzt es zur Genüge ein.


CIAO
CUDO
 
Dem würde ich nicht uneingeschränkt zustimmen, denn Slashchords funktionieren in der Regel nicht mit Tensions im Bass. Tensions entstellen den Ursprungscharakter und geben dem Akkordgefüge eine andere Bedeutung.
Z.B. würde ich den Akkord d - g - b - c - e nicht unbedingt als CMA7 mit None im Bass bezeichnen. CMA7/D als Bezeichnung geht natürlich schon, aber dabei hat der Ton d keine Nonencharakter sondern Grundtoncharakter.
Ähnliches empfinde ich wenn man sagt, e - f - a - b - e wäre G13 mit der Tredezime im Bass. Natürlich kann es das sein, aber nicht als allein stehendes Voicing, also ohne zusätzlichen Grundton.

Würde ich auch so sehen. Ich denke, Levine wollte hier vor allem eine Verwandschaft im Auflöseverhalten verdeutlichen indem er die Basstöne um eine kleine Terz nach unten verschiebt:

G7 => C - Tritonus löst sich auf in Grundton und Terz der Tonika

Esus4/b9 => Am - Tritonus löst sich auf in Quinte und Terz der Tonika (dieser Akkord enthält den Ton G ja auch gar nicht, ist dem zufolge auch kein G13/E)

Für beide Akkorde benutzt er das gleiche Standardvoicing (ohne Grundton):

G + F-A-B-E = G7/13

E + F-A-B-E = Esus4/b9


Das erwähnte ich schon. Thad Jones setzt es zur Genüge ein.

Ok, hab's jetzt gelesen - gut erklärt.:great:
 

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