[*]In G7 (g-mixolydisch) ist die 11 (c) avoid note, da sie den Grundton der Tonika vorausnehmen würde. Der Akkord würde gleichzeitig harmonische Spannung und seine Auflösung enthalten, was ein Widerspruch ist.
Einspruch!
Den Grundton der Tonika in einer akkordischen Dominantsituation zu spielen ist kein Wiederspruch. Er wird als Vorhalt gehört.
Als Avoid gilt er, solange die Dominantterz im Voicing present ist und nur die Tatsache der dadurch entsehenden b9 Dissonanz macht ihn zum "avoid". Wie von Dir schon treffend bemerkt gilt das avoid sowohl in vertikaler Hinsicht als auch melodisch. Melodisch allerdings nur dann, wenn sich der Avoid nicht stufenweise auflöst, bzw. nicht von kurzer Dauer ist.
Hört man Thad Jones Arrangements genau zu, wird man ab und zu die Kombination Durterz und reine Quarte im gleichen Voicing hören. Allerdings setzt er die Durterz nicht als Durterz ein, diese Funktion ist durch die sus4 vertreten, sondern als Tension im Diskant. So bildet sie kein b9 Intervall.
-------------------------
In diesem Thread wurden schon wieder, wie so oft, die Begriffe Kirchentonleitern und Chordsscales durcheinander gebracht.
Wenn ich eine erweiterte Kadenz, z.B. | D-7 G7 | Cma7 | spiele, spiele ich über den Akkord D-7 nicht wirklich Dorisch. Die zum D-7 passende Chordscale ist zwar vom Material her identisch mit D Dorisch, hat aber nur den Zweck D-7 mit Akkordtönen zu versorgen. Es ist nicht anderes als eine sogenannte Pitch-Collection und keine eigentliche Tonleiter. Somit wäre das Wort Pitchcollection eigentlich noch besser als Chordscale.
Auf der anderen Seite steht das Wort Dorisch als Modus. Wenn ich das Kirchengesangsbuch aufschlage und mir die dorisch angelegten Lieder anhöre, werde ich feststellen dass der Organist dabei viel mehr harmonisch passieren lässt als nur den Akkord D-7 zu spielen. Dorisch hat in historischer Hinsicht nämlich auch einen Leitton (c#), dies sogenannte Diskantklausel, und wurde in der Renaissance auf bunteste Weise mit nicht diatonischen Akkorden ausgeschmückt, was heute noch in der Kirche weiter lebt.
Noch ein anderer Dampfer ist modale Spielweise im Jazz. Hier wird im Dorischen intern, d.h. diatonisch auf dorisch bezogen, kadenziert.
Da Dorisch auf seiner V Stufe im diatonischen Bereich keine wirkliche Dominantfunktion her gibt, nimmt man zum kadenzieren Stufen, die den Ton, der sich vom Tonischen am meisten abhebt. Dieser Ton wird als kadenzierender Ton bezeichnet. Er sollte Bestandteil des Akkordes sein der in Wechselbeziehen mit der dorischen Tonika steht, meistens in Form von Pendeln.
Dieser kadenzierende Ton darf nicht verwechselt werden mit einer Avoid-Note. Das sind zwei vollkommen verschiedene Begriffe.
Auch im Dorischen gelten nämlich die gesetzmäßigkeiten der Avoids. Akkordaufbau sollte natürlich auch hier ohne b9 Intervalle vonstatten gehen. Wir sprechen hier von der Regel und nicht von der Ausnahme!
Zudem sind beim Bilden von modalen Kadenzen Akkorde zu vermeiden, die ins Ionische abtriften. Das sind alle Akkorde die den diatonischen Tritonus enthalten. Sie führen weg von der dorischen Tonika, was natürlich im Regelfall nicht erwünscht ist.
Aber die Töne des Tritonus selbst sind ebenfalls keine Avoids. Sie klingen ja innerhalb der Akkordstruktur konsonant. Sie sind eben nur deshalb verboten, weil ihre Auflösungstendenz ins Ionisch führt.
Das fürs Dorisch gesagte gilt natürlich für alle weiteren Kirchentonleitern.
CIAO
CUDO