Ich möchte das mal hier etwas ergänzen und strukturieren.
Meiner Meinung nach, muss man deutlich unterscheiden, zwischen der "logischen" und der "praktischen" Seite des Auswendiglernens
Auf Seiten der Logik, hilft es, wenn man möglichst viel Wissen über Musik, und ihre Strukturen hat. Das muss man aber mit der Zeit erlernen und anwenden lernen, und kategorisieren.
Es beginnt aber bei ganz banalen Dingen, wie die Form, sprich den Aufbau des Stückes.
Bei Pop-Songs, ist das meist sehr übersichtlich, weil es eine Strophen-Liedform ist, und man sich schnell merken kann "Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge, Refrain..." (oder wie auch immer).
Sich solche Strukturen klarzumachen, spart viel Auswendiglernerei. Statt sich 100 Akkorde und deren Reihenfolge merken zu müssen, merkt man sich 4 für die Strophe, 4 für den Refrain, und 4 für die Bridge, und dann den Ablauf.
Gleiches findet sich auch in vielen kleineren Sinneinheiten. Oft ist die Strophe ist mehrere kleine Abschnitte unterteilt, in denen sich Akkorde Wiederholen, etc.
Wenn man Wissen über Tonarten und Kadenzen etc hat, merkt man sich dann vllt einfacher auch Sachen wie "Bridge ist in Em" oder "Refrain endet auf der Grundkadenz in G".
Diese strukturellen Elemente vereinfachen die Musik, indem wir sie gliedern können.
Das kann jeder nach seinen Möglichkeiten tun. Oft helfen auch Vergleiche, wie "das ist die selbe Akkordfolge, wie in...", was auch ohne irgendwelche theoretischen Hintergründe geht.
Je nachdem, wie komplex Musik wird, kommt man ohne weiterführendes Wissen, aber irgendwann an Grenzen, wo es schlichtweg zuviel zu merken wird.
Das ist aber sicher eine sehr individuelle Geschichte, aber jeder, der mal ne Stunde an klassischer Musik auswendiggelernt hat, wird wissen, was ich meine. Da ist man froh, über jede Erinnerungsstütze, die man kriegen kann.
(Es gibt sogar Musiker (von diversen Konzertpianisten hab ich das gelesen) die ihre Stücke von den Noten her im Kopf auswendiglernen, bevor sie die an ihrem Instrument spielen)
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Auf der praktischen Seite, gibt es durchaus sehr verschiedene Ansätze.
Eine Methode, die hier auch angesprochen wurde ist das "machen, und irgendwann nicht mehr hingucken" - Prinzip.
Man geht also davon aus, dass man irgendwann das Stück (zumindest in Teilen) sowieso eigentlich unbewusst schon auswendig kann, und lässt dann die "Krücke" an Noten weg.
Das ist eine Methode, die mMn gut funktioniert, wenn man sich ohnehin schon länger mit einem Stück beschäftigt hat, und sich dann überlegt, dass man es (etwa für ein Konzert) auswendiglernen möchte.
Wenn man von Anfang an vorhat ein Stück auswendig zu spielen, kann man das Ganze aber auch drastisch forcieren.
Eine Methode wäre dann z.B. wirklich nur kleine (so klein, dass man sie sich direkt merken kann) Sinnabschnitte zu lernen, und quasi sofort auswendig zu spielen. Das können im Extremfall dann nur ein paar Noten sein, je nach Komplexitätsgrad des Stückes und Können des Lernenden. Und dann hängt man immer mehr Abschnitte zu einer Kette zusammen.
Eine andere Möglichkeit (und ich mache das sehr gerne so) ist das "Aufzäumen von hinten".
Die meisten Leute lernen ein Stück, indem sie es von vorne an, immer weiter aufbauen. Man hat dann aber häufig den Effekt, dass man den Anfang gut kann, weil man ihn hunderte Male gespielt hat, aber das Ende nicht so richtig sitzt, etc.
Wenn ich ein Stück so spielen gelernt habe, gehe ich beim Auswendiglernen gerne die umgekehrte Richtung: Ich fange mit dem letzten Sinnabschnitt an, und lerne dann rückwärts auswendig. Das zwingt mich dann dazu, das ganze Stück noch einmal neu zu denken. Statt "nach Teil A, kommt Teil B, kommt Teil C" (und dem Phänomen, dass man bei manchen Teilen nur weiß, wie sie losgehen, wenn man den Teil davor gespielt hat.. ;-), bekommt man die Gedanken "vor Teil F kam die Wiederholung von Teil E, und davor das Ende von Teil H, mit xyz"..
Und wenn man sich dann so rückwärts durch das Stück gekämpft hat und am Anfang angekommen ist, hat man zwangsweise das Stück schon irgendwie kapiert.
Die wesentlichen drei Punkte zum Auswendiglernen generell sind für mich:
- nicht zuviel auf einmal. Wenn es von drei Versuchen nicht zweimal fehlerfrei klappt, ist's zu lang
- viele Wiederholungen, bis man wirklich nichtmehr drüber nachdenken muss.
- nicht unterschätzen, was abseits vom tatsächlichen Spielen im Kopf passiert. Das Hirn braucht auch mal Pause (!) um etwas zu verarbeiten, und oft hilft es auch einfach sich im Kopf nochmal Abläufe vorzustellen und drüber nachzudenken.