Habt ihr's jetzt mal?
Im Grunde habt ihr beide recht.
Bedrahtete Bauteile können sehr wohl automatisiert bestückt werden, und das schon länger als es das Internet gibt. Aber nicht alle Bauteile sind dafür geeignet. Beispielsweise Übertrager oder Drosseln, die keine vergossenen Anschlussbeine haben, und Bauteile, die eine unregelmäßige Form haben (sogenannte Odd Shape Bauteile), können nur von wenigen Bestückungsanlagen verarbeitet werden. Bauteile ab einer gewissen Größe und/oder Gewicht sind grundsätzlich auch problematisch und lassen sich nur mit speziell angefertigten Werkzeugen bestücken, was nur bei wirklich sehr großen Stückzahlen realistisch ist, da hier die Kosten für den automatisierten Prozess geradezu explodieren.
/Ende der Exkursion
Tatsächlich sind Gehäuse, Bedienelemente und Stromversorgung weitaus größere Kostenpunkte als die tatsächliche Schaltung sowie die dafür eingesetzten Bauteile. Teure Übertrager oder spezielle ICs die nur in geringen Stückzahlen verfügbar sind zwar auch teilweise sehr teuer, finden aber ihre Anwendung auch nur in den teuren Kisten, die hier zunächst garnicht zur Debatte standen.
So einige Vertreter der "edlen" Preamps sind eher durch ihre Besonderheiten bekannt geworden, die dem ganzen einen speziellen Klang verleihen, als dadurch, dass sie ihren Konkurrenten technisch faktisch überlegen gewesen wären. Übertrager haben nie einen gänzlich linearen Frequenzgang, und je nach Impedanz macht sich das unterschiedlich bemerkbar. Röhren bringen viel harmonischen Verzerrungsanteil mit, wenn sie große Amplituden abbilden sollen. Manche Röhren tun das schon früh und mit einer sehr weichen Kennlinie, andere fangen erst später an, aber dann auch plötzlicher. Das gleiche gilt auch für Übertrager, wenn sie an ihren Grenzen kommen, aber bei denen klingt es anders... es gibt Dutzende solcher Aspekte, ich habe mich jetzt mal nur auf die bekanntesten beschränkt.
Die typischen Op Amp basierten Preamps der heutigen Massenware unterscheiden sich schon noch voneinander, wenn auch weniger als das früher der Fall war. Denn obwohl heute zu jedem IC ein Datenblatt mit Schaltungsbeispielen erhältlich ist, und viele Hersteller sich auch daran orientieren und nur die eine oder andere Funktion variieren oder hinzufügen, haben solche Unterschiede im Layout und der sonstigen Beschaltung drumherum viel mehr Anteil an dem Resultat als die funktionale Kern der Schaltung.
Zusammenfassend:
Es lässt sich heute tatsächlich mit sehr geringem Kostenaufwand (im industriellen Maßstab) schon eine recht hohe Qualität bei Preampschaltungen realisieren. Und im Laufe der letzten 10, 15 Jahren haben die meisten der bekannteren Interface Hersteller auch gelernt, diese Möglichkeiten besser zu nutzen, so dass man im Zweifel die meisten üblichen Aufnahmesituationen damit geschaukelt bekommt. Aber für besonders heikle Aufnahmen braucht man hin und wieder eben doch einen Preamp, der "mehr" oder etwas "besonderes" kann, beispielsweise in Verbindung mit sehr leisen Bändchenmikros, oder alte Harp Mics, die sehr hochohmige Ausgangsübertrager haben für den Anschluss an Röhren(instrumenten)verstärker.
In manchen Fällen kann es auch ein wichtiger Faktor werden, wenn ein Künstler darauf besteht, mit diesem oder jenem speziellen Preamp oder anderen Teil der Signalkette aufgenommen zu werden. Bei manchen Künstlern kommt so ein "Diva-Faktor", wie ich es gerne nenne, sehr krass zur Geltung. Da muss man sich dann u.U. aus einem anderen Studio noch so ein spezielles Teil ausleihen oder man kann sich den ganzen Job ans Knie schrauben... Sicherlich auch ein Grund, warum manche der großen Studios die reinsten Audiotechnik-Museen sind. Damit jeder Künstler etwas findet, womit er sich "besonders" fühlen kann.