KEIN Live-Mikro hat einen neutralen Frequenzgang.
Diesbezüglich empfehle ich, sich mal ein Schoeps anzuschauen. Die Philosophie dieses Herstellers gefällt mir dahingehend sehr gut, dass er eben hergeht und sagt: "Das linearste Mikrofon ist für nahezu jeden Einsatzzweck zu gebrauchen". Das unterschreibe ich so. Will ich eine neutrale Raumaufnahme, lasse ich den EQ aus und nehme einfach auf. Will ich den verbogenen Frequenzgang üblicher (Bühnen-)Gesangsmikrofone, drehe ich mir das am EQ eben hin.
Natürlich hat sich der Markt daran angepasst, dass es eben viele Leute gibt die kein Universalmikrofon sondern ein reines Gesangsmikrofon für die Bühne brauchen. Da hat es durchaus Vorteile, ein Mikrofon zu haben, das einen ohnehin als brauchbar gefundenen EQ quasi schon eingebaut hat. Das setzt sich eben besser im Mix durch ohne dass man viel dran drehen müsste.
Dummerweise passt das nicht auf jede Stimme und genau an der Stelle ist _mir_ ein Mikrofon lieber, das einen von sich aus möglichst natürlichen Sound liefert, weil ich mir dann eben den für die jeweilige Stimme anzuhebenden Frequenzbereich selbst suchen kann ohne daran gefesselt zu sein, was sich ein Hersteller vorgestellt hat.
Um kurz bei SM58 und Beta 58 zu bleiben: Stellen wir uns vor, dass eine Stimme eben keinen dicken Buckel bei 5kHz braucht, sondern eher eine Oktave höher. Dann brauche ich ein EQ-Band um die schon vorhandene Anhebung des Mikrofons loszuwerden und eins, um oben wieder was reinzudrehen.
Zarfld: Du hast soeben herausgefunden, dass verschiedene Hersteller unterschiedliche Vorstellungen davon haben welchen Frequenzbereich man bei (vielen) Stimmen sinnvollerweise anheben sollte, damit sie sich durchsetzen. Blöd ist natürlich, wenn die Präsenzanhebungen bei Mikrofon und PA zusammenfallen. Da filtert man sich dann blöde, weil man teils relativ schmalbandig um zig dB absenken muß, um das System koppelfrei und noch halbwegs schön klingend hinzukriegen.
Richtcharakteristik und Frequenzgang einzeln betrachtet liefern uns keine sinnvolle Information, wie koppelfest eine Mikrofon-Lautsprecherkombination wirklich ist. Dazu müsste man zumindest auch noch Phasengang und Polardiagramme von Lautsprechern und Mikrofon(en) betrachten. Die Wertetabelle die dabei herauskommt ist aber vermutlich etwas unübersichtlich
Kommt noch ein Raum dazu, wird es komplett chaotisch.
Um dieser Problematik Herr zu werden bietet es sich an, möglichst neutral arbeitende Mikrofone und Lautsprecher zu benutzen. Dann hat man nämlich "nur noch" den Raum, der einem dicke Probleme macht.
Ok, auch da macht uns das Mikrofon unter Umständen einen Strich durch die Rechnung, denn außerhalb der Achse wird es nicht so linear arbeiten wie auf Achse - es sei denn es ist eine gute Kugel (die koppelt trotzdem in aller Regel schneller, weil sie eben überall gleich empfindlich ist (sein sollte)).
Was Niere vs. Superniere angeht: Eine Superniere ist - richtig eingesetzt - gut koppelfrei zu halten, wird aber richtig biestig, wenn man sie falsch einsetzt. Die Niere ist da etwas gutmütiger.
Oft kann ich 100 mal sagen "sieh zu, dass das Mikrofon parallel zum Boden ausgerichtet bzw. mit der Kapsel leicht nach unten geneigt bleibt" - trotzdem zeigt es nach dem 3. Song wieder mit dem Hintern zum Monitor. Mit einer Superniere verliere ich so 10-15dB gain before Feedback. Bei der Niere ist diese Ausrichtung richtig, bei einer Superniere ist sie unbedingt zu vermeiden!