Meine lange Suche nach dem perfekten Amp:
Seit 1980 spiele ich E-Gitarre. Damit suche ich seit 38 Jahren den perfekten Sound. Was simpel mit einem gebrauchten Ibanez Einsteigermodell (Blazer 170 TV) und günstigen gebrauchten Transistorcombos (Roland Cube 60, dann Marshall fifty split channel reverb) begann, hat sich zu einer langen Entdeckungsreise entwickelt.
Bei den Gitarren selbst habe ich im Laufe der Jahre meine Favoriten gefunden, sowohl was Klang als auch Haptik angeht.
Bei den Amps gestaltete sich das ungleich schwieriger. Als ich mit etwa 19 bis 23 Jahren als Student viel Zeit für die Musik hatte und wir als Band damit auch ziemlich gut verdienten (das ging damals in der Vor-DJ-Zeit noch wesentlich einfacher, als heute) war es simpel: Wir spielten Rock und der gute alte Klassiker Marshall JCM 800 – Fullstack, ergänzt nur durch einen Tubescreamer, deckte alles ab, was wir mochten und spielten.
Balladen waren schon schwieriger, der Clean-Kanal eines JCM 800 ist ja eher so lala, der aufkommende (damals noch melodische) Metal war mit einem 800er so gerade noch machbar. Ebenso Blues, es geht, aber es ginge eben noch besser.
Mit Erweiterung der eigenen Spieltechniken, Musikrichtungen und Stile in den letzten 25 Jahren, also etwa seit 1995, wäre eigentlich folgende Auswahl spannend gewesen:
- Fender Röhrencombo für den schönen warmen Cleansound
- MESA Mark 2c plus für Blues bis nicht zu stark verzerrten, dynamischen Rock
- Marshall JCM 800 für das klassische mittenbetonte Rockbrett
- Diezel/Bogner/Engl für noch mehr Highgain
- Rectifier für die bösen Sachen
Da ich leider weder Profi, noch Lottogewinner bin und auch keine Roadies habe, die das alles für mich tragen, war ich in den letzten fast 25 Jahren auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau, also einer flexiblen Lösung, die all diese Sounds kann oder zumindest dem nahe kommt.
Es war ernüchternd. Zunächst setzte ich große Erwartungen in Modeler, aber diese Hoffnung wurde immer wieder enttäuscht. Zuerst war da die spürbare Latenzzeit (Verzögerung), aber auch als die Hersteller das im Griff hatten, waren die gemodelten Typen einfach zu weit vom Original entfernt. Ein paar Modelle konnten zumindest einige Sounds gut (etwa die frühen Vollröhren-Modeler von Line6-Bogner), aber mir fehlte subjektiv immer die Dynamik eines echten Röhrenamps.
Also Röhren? Da stellte sich gleich das nächste Problem: Die „amerikanischen Sounds“ (insb. Fender) mit ihren 6L6 Röhren unterscheiden sich für mich deutlich von den „britischen EL34 – Sounds“. Dazu das Problem mit den Speakern: Ich mag die Celestions, die für den Rockbereich schöne mittenbetonte Sounds mit viel Druck produzieren (natürlich Modell-abhängig, aber so die Grundtendenz), aber clean für mich nie erste Wahl waren, wohingegen für Clean die Electro Voice – Speaker mit ihren klareren Höhen und Bässen hier ihre Stärken ausspielen, aber für mich im klassischen Rock nicht ganz so präsent klingen.
Nur vorsorglich, bevor jemand aufschreit: Ich schildere hier die Eindrücke, die sich bei mir in den letzten Jahrzehnten nach ständig neuen Experimenten in diversen Bands verfestigt haben, aber zum einen ist das natürlich rein subjektiv und zum anderen verallgemeinere ich natürlich grob (natürlich stellen Celestion und EV sehr viele sehr verschieden klingende Lautsprecher her). Ich nehme also gar nicht erst für mich in Anspruch, hier allgemeingültige Thesen aufzustellen.
Natürlich kam irgendwann der Gedanke „Kemper“ auf. Liegt ja auch nahe, oder? Aber ich habe das wirklich versucht. Ich konnte mir einen Power-Kemper für fast 4 Wochen von einem Freund ausleihen, zusammen mit diversen teuren Kaufprofilen, ich habe mich da komplett eingelesen, habe eigene Profile erstellt, war anfangs überwältigt von den Möglichkeiten, aber letztlich war es das nicht für mich. Jeder einzelne Sound klingt wirklich gut, für Aufnahmen sicher das Optimum, aber life und laut war es für mich einfach nicht dasselbe. Da brauche ich die „Urgewalt“ eines guten Röhrenamps, der Speaker muss die Hosenbeine flattern lassen, es muss einfach rotzig und ursprünglich sein. Vielleicht eine subjektive Sperre, aber ich habe mich mit dem Kemper nie genau so wohl gefühlt, wie analog.
Letztlich brachte mich ein Interview von Joe Bonamassa auf einen guten Weg: Obwohl er als Intensiv-Sammler bekanntlich alle legendären Fender-Verstärker hat, meinte er, der für ihn beste und Fender-Sound käme aus einem Mesa Boogie der Mark I - Serie. Das weckte mein Interesse. Schnell bekam ich mit, dass die Mark-Modelle I bis V stets alle Sounds der Vorgänger-Modelle 1 zu 1 mit aufnehmen und nur neue Sounds dazu kommen. Das war doch schon einmal spannend, da ich damit zumindest 2 Sounds (den von Joe geschätzten Mark I Fender-Sound und den großartigen Mark II c plus) abdecken konnte. Natürlich nur mit dem Black Shadow-Electro Voice – Speaker und 6L6-Endstufenröhren.
Dann die Überraschung für mich, das hatte ich nicht gewusst: Der Mark IV kann zugleich mit 6L6 – Röhren und EL 34 bestückt werden. Die 6L6, die sich, wenn alle Endstufen-Röhren an sind, beim Sound in den Vordergrund schieben, lassen sich wegschalten. Außerdem bringt der Mark IV bis 85 Watt, das reicht nun wirklich für alle Auftritte.
Den Kauf eines Mark IV vor etwa einem halben Jahr habe ich nie bereut. Clean und in den Blues-Bereich hinein klingt er großartig, die Mark II c plus –Sounds im zweiten Kanal sind unglaublich spritzig. Im Bundle bekam ich von Verkäufer noch eine Thiele-Box mit (400 Watt^^-) Eminence-Speaker für ordentlich Headroom bei lauten Cleansounds.
Im Rock- Metalbereich war der graphische Equalizer hilfreich, zumal mir der beliebten V-Stellung auch Rectifier-ähnliche Sounds klappten. Naja, zum Original fehlten hier sicher noch 20-30 %, aber die Tendenz stimmte.
Nur der klassische mittenbetonte Rocksound war für mich gut, aber noch nicht perfekt. Bis endlich am letzten Wochenende in den ebay-Kleinanzeigen eine 8 Ohm 2x12 Mesa-Box (Lonestar, also mit 2 x 12 Zoll Black Shadow Celestion MC90) angeboten wurde. Aufgrund des irre guten Preises (sie stammte aus einem Nachlass und der Nachlassaufkäufer hatte nicht begriffen, dass es sich um ein Private Reserve – Teil mit Edelholzgehäuse handelte, neu mit 2500 € bei Thomann im Angebot, Verkaufspreis hier 700 €, yeah!) rief ich den Verkäufer an und nahm mir spontan frei, um sie abzuholen, bevor ihn irgend so ein Schlaumeier anruft und mit „Ich weiß was…“ anfängt. Hat zum Glück geklappt!
Zuhause natürlich sofort eingestöpselt und…Begeisterung!
Ich könnte die 2 x 12 zusammen mit dem „bordeigenen“ EV des Mark IV betreiben, ist technisch möglich, klingt aber nicht. Isoliert angeschlossen ist die Box aber der Hammer! Die klassischen 80er-Jahre-Rocksounds sind (insbesondere im EL34-Betrieb) überhaupt kein Problem, dazu singt der Amp bei Soli schöner als der Marshall, er kommt sehr dynamisch rüber.
Damit habe ich für mich –nach endlos langer Suche- den perfekten Amp gefunden. Spiele ich clean, angezerrt oder allgemein mit Halbresonanzgitarren, dann kommen nur Mark IV und zusätzliche Thiele-Box mit zum Gig / in den Übungsraum, für rockigere Sachen statt der Thiele die 2x12 Celestion-Box.
Okay, selbst mit den Celestions und EQ in V-Position ist ein Rectifier-Sound nur eingeschränkt möglich. Ansonsten habe ich aber tatsächlich alle Sounds, die mir gefallen, zur Verfügung. Ja, es hat 25 Jahre gedauert, aber jetzt endlich bin ich wirklich zufrieden!
Ist alles noch etwas provisorisch aufgestellt und wird noch anders angeordnet. Aber der Sound stimmt.
Die Edelhölzer sind natürlich für den Sound irrelevant, aber ich konnte sie alle nach langer Suche ohne Aufpreis ergattern, dann hört auch das Auge mit.
Abschließend: Die Kombinationen funktionieren sogar in Zimmerlautstärke gut, es klingt auch dann noch super.