Moin,
muss den Thread grad mal etwas aufleben lassen...
Ich besitze einen 94er K-100 mit einer geschlossenen, schrägen Rivera 4x12". Ich kam zu der Kiste wie die Jungfrau zum Kind, bzw. kam der Amp zu mir (wie das meiste Equipment von mir...). Eines Tages ging die Proberaumtür auf, und das Halfstack kam reingerollt, hinterher der Besitzer mit der Frage: "Brauche dringend Kohle! Will jemand den hier kaufen?". Muss dazu sagen, dass ich den Amp schon ein, zwei jahre vorher beim Händler sah und mir dachte, dass ich irgendwann mal so einen Amp haben werde (Kostete damals als Halfstack für mich unerschwingliche 4200 DM). Im Laden immer mal wieder angespielt, musste ich mich doch jahrelang mit meinem Marshall S80 Valvestate Combo zufriedengeben.
Also die Türe ging auf, der Amp mit Besitzer reingeschneit, die Frage gestellt, ich hab gelacht und meinte, dass die Kiste für mich wohl zu teuer sei. Worauf er antwortete: "Für 900 Steine gehört er Dir!". Wer kann dazu schon nein sagen?! Also auf zur Bank, den kompletten Zivi-Sold abgehoben und den Rivera eingesackt. Das war '97 oder '98. Der Kerl brauchte wohl seeehr dringend Kohle, naja...
Heute, 2014, spiele ich dem Amp immer noch als Hauptamp im Proberaum. Mittlerweile allerdings nur noch im Cleankanal mit Pedalboard vorneweg. Vor ca. zwei Jahren hat er sich mal kurz das Rauchen angewöhnt, wurde aber von professioneller Hand wieder entwöhnt, bekam einen neuen Endstufen Kondensator verpasst, neue Sicherungen, wurde durchgemessen und auf einen Komplettsatz neuer JJ Tubes eingestellt.
Da ich für gewöhnlich die härtere Gangart bevorzuge, also gerne mit viel Zerre spiele, obwohl ich keine Metalmucke mache, klingt der Rivera - für mich - etwas zu vintage, OHNE Pedalboard, also im 2. Kanal mit und ohne Booster ("Ninja-Boost", frage mich heute noch, wer sich dem Lötzinn hat einfallen lassen!) . Der Cleankanal ist aber sehr hübsch und lässt sich per Booster/Overdrive/Verzerrer ordentlich anblasen. Mein Arbeitstier, nicht lachen, ist eine PRS SE, mit Seymour Duncan Alnico Pro II Humbuckern. Als Treter habe ich einen alten gelben Boss Overdrive (OD-1), einen Fulltone Fulldrive, einen Suhr Riot Green und einen alten Boss MT-2. Kurz gesagt, für alle Lebenslagen die richtige Zerre. Mal den MT-2 ausgeklammert, klingen alle drei Treter mit der Gitarre an dem Amp saugeil. Ich habe extrem viel Dynamik, kann mit dem Gitarrenpoti den Zerrgrad regeln, der Ton ist sustainreich, differenziert und vor allem fett ohne Ende.
Ich hatte von meinem persönlichen Empfinden her traditionell ein mittelgrosses Problem mit Halspickups. Mir klangen die Dinger eigentlich immer zu mumpfig. In der PRS habe ich seit knapp 4 Jahren die SD ALP-II drin, und mit den Pickups ging endlich die Sonne auf. Seitdem hat sich meine Präferenz zum Stegpickup mit teilweise zugedrehtem Tonepoti (3 - 5 etwa) an der Gitte fast komplett ins Gegenteil verkehrt. Die Cleansounds sind sehr sahnig, perlig, satt, man hört sehr viel Röhre raus, es sind genug Höhenanteile da. Der Amp an sich ist staubtrocken. Ist klar, hat er doch kein Reverb. Der geboostete Cleankanal kann auch AC/DC, aber das ist nicht so mein Metier. Interessant wird's auch mit ner USA Standard Strat mit Texas Specials drin: Hendrix, Stevie Ray und John Frusciante lassen grüßen. Insbesondere mit voll aufgedrehtem Amp, also im Last- bzw. Sättigungsbereich. Allerdings ist der Knucklehead dann dermaßen laut, dass man das ohne Gehörschutz eigentlich knicken kann.
Dass führt mich dann zu dem Punkt:
Müssen 100 Watt sein? Im Proberaum braucht das kein Mensch. Der Drummer und ich haben mal in Sauflaune getestet, wer lauter kann, das Ganze hat ziemlich genau 5 Minuten gedauert und er hat aufgegeben!
In der Regel spiele ich den Rivera im Cleankanal ohne Boost, Mastervolume auf 3, höchstens 4, den Kanal-Gain/-Volume auf 6 - 8. Aber auch nur, weil wir IEM benutzen, also quasi mit Gehörschutz (-20dB). Nächste Anschaffung wird wohl ein TAD Attentuator sein...
Jedenfalls ist in den letzten 4 Jahren viel mit meinem Equip passiert:
- Ich habe entdeckt, dass gute Pickups den Charakter einer Klampfe komplett ändern können (vorausgesetzt, man hat irgendwelche Massenware aus Fernost verbaut, wie ich mit den SE Humbuckern)
- Ich musste (!!) Geld im meinen Rivera investieren, was sich dermaßen gelohnt hat, quasi wie ein neuer Amp für "lausige" 360 Tacken Reparaturkosten, inkl. JJ Tubes.
- Ich habe umgesattelt, von Boss GT-irgendwas Multi-FX auf Pedalboard
Seit - sagen wir mal - 2 Jahren kann ich behaupten, meinen Sound definiert und gefunden zu haben. Als Kernstück sozusagen mein 94er Knucklehead. Den geb' ich nicht mehr her.
Allerdings muss man den K-100 lieben lernen. Es ist furztrocken und gibt jede Nuance der Finger, also jeden Spielfehler, gnadenlos an die Boxen weiter. Mich hat er geradezu "erzogen", sauber zu spielen. Andere Leute treibt er schier in den Wahnsinn, habe während einiger Sessions schon alles erlebt, von totaler Verzückung bis zum glühenden Hass auf den Amp.
Es hat lange gedauert, bis ich mit meinem Traumamp warm geworden bin, ich hab 15 Jahre gebraucht, um "meinen" Sound damit zu finden. Aktuell komme ich aus dem Grinsen nicht mehr raus. Ein guter Sound beflügelt, macht die Birne frei, zieht mich in die Musik rein, einfach wunderbar.
Habe seit Mai zum ersten Mal in meinem Leben (!) Gitarrenunterricht, ändere meine Spieltechnik grundlegend, habe meinen Sound gefunden und die Band funktioniert obendrein aktuell sehr gut (reine Hobby-Band). Im Zentrum stand und steht mein Rivera. Er hat mich oft geärgert, war lange unzufrieden mit ihm, wollte mich schon trennen, mir einen modernen Marshall kaufen, einen Diezel oder einen 5150. Mann, was bin ich froh, dass ich das nicht gemacht habe.
Der eigene Sound ist ein Markenzeichen, etwas das wächst, das aus den Fingern kommt, das geschult werden und das Rückschläge verkraften muss. Irgendwann aber kommt der Punkt, an dem auf einmal alles zusammenläuft, wie bei mir. Ich sag immer, "Da geht die Sonne auf!". Bei mir scheint die Sonne auf meinen Rivera. Geiles Ding.
Salut
Jacky