Man erkennt, daß die schon bekannte Übertragungsfunktion des Tonabnehmers mit einem konstanten Faktor K multipliziert wird. Elektrotechnisch steht das für eine Kaskadierung von zwei Systemen: Einem P-Glied und einem T2-Glied. Das bedeutet:
- Die Übertragungscharakteristik wird durch das P-Glied unabhängig von der Frequenz beeinflußt. K steht also für eine frequenzunabhängige Dämpfung (K<1) oder Verstärkung (K>1).
- Durch das T2-Glied liegt grundsätzlich wieder ein Tiefpaß 2. Ordnung mit Resonanzstelle vor.
Das Verhalten des belasteten Tonabnehmers ist also prinzipiell gleich! Schauen wir uns jetzt die Kenngrößen dieser Übertragungsfunktion an und vergleichen sie mit dem unbelasteten Tonabnehmer:
1. Proportionalglied
Der Faktor K, als Einfluß des Lastwiderstandes RL, taucht nur beim belasteten Tonabnehmer auf. Er stellt den Spannungsteiler aus Lastwiderstand und Wicklungswiderstand des Tonabnehmers dar und hat deshalb prinzipbedingt immer einen Wert, der kleiner als 1 ist. Es tritt also generell eine Dämpfung des Signals auf. Hier stellt sich nur die Frage, ob diese Dämpfung signifikant ist?
Nimmt man einmal typisch 10kOhm für R und 500kOhm für RL an, so wird K=0,98. Die Abweichung beträgt also rund 2%. Das entspricht in etwa einer Dämpfung von 0,2dB. Dieser Wert ist meßtechnisch sicherlich erfaßbar, das menschliche Ohr wird jedoch keine Änderung der Lautstärke wahrnehmen. Vernachlässigt man K im Proportionalglied, macht man also keinen so bedeutenden Fehler. Bei tiefen Frequenzen (deutlich unter der Resonanzfrequenz) verhält sich der Tonabnehmer unter Last also in etwa so wie ohne Last!
2. Kennkreisfrequenz
Auch hier taucht K (unter der Wurzel) zusätzlich auf. Die Kennkreisfrequenz wird also auch von RL beeinflußt! Durch die Radizierung kommt uns jetzt allerdings die Mathematik zu Hilfe: Die Wurzel aus einer Zahl, die kleiner als 1 aber größer als 0 ist, ist immer etwas größer als die Zahl selbst. Mit den eben gemachten Annahmen beträgt die Abweichung dann nur noch 1%. Das heißt, die "neue" Kennkreisfrequenz wird durch die ohm'sche Belastung um 1% verringert. In der Praxis wird sich diese Abweichung kaum klanglich bemerkbar machen.
Viel interessanter ist jetzt die Wirkung von C (Zur Erinnerung: C=CS+CL+Cin). Der Wert von C wird im belasteten Fall deutlich größer sein. Das bedeutet: größeres C -> größerer Nenner -> kleinere Kennkreisfrequenz.
Typische kapazitive Belastungen durch Kabel und Verstärkereingang können um den Faktor 7 bis 20 größer sein, als die Wicklungskapazität gängiger Tonabnehmer. Nimmt man einmal 14 als Mittelwert an, so beträgt die Kennkreisfrequenz jetzt nur noch rund 27% des unbelasteten Wertes und kann mit Sicherheit nicht mehr als vernachlässigbar bezeichnet werden! Die Abweichung beträgt also rund 73%!
Durch die Belastung wird die Kennkreisfrequenz also grundsätzlich verringert. Dabei spielt der Einfluß der Kapazität eindeutig die größte Rolle!
3. Güte
Güte und Dämpfungsgrad sind zwei unterschiedliche Darstellungen für den gleichen Sachverhalt: Sie beschreiben die Ausprägung der Resonanz. Je größer die Güte ist, desto schmalbandiger ist die Resonanzausprägung und desto höher ist die Spitze. Wie der Formel zu entnehmen ist, wird die Güte des belasteten Tonabnehmers auf dreierlei Weise beeinflußt:
Zum einen spielt wieder K eine Rolle. Die angenommene Änderung von 1% steht jetzt im Nenner. Dadurch ergibt sich eine Vergrößerung der Güte um rund 1%. Aber das dürfte sich nicht hörbar auswirken!
Die vergrößerte Kapazität C hat natürlich auch einen Einfluß auf die Güte. Benutzt man zur Abschätzung die Formel für den unbelasteten Tonabnehmer mit den schon bekannten Annahmen, so ergibt sich eine Abweichung von 73% nach unten. Die Kapazität hat also einen großen Einfluß auf die Verringerung der Güte!
Zu Schluß wirkt sich der Lastwiderstand auch noch auf die Zeitkonstante im Nenner der Güte aus. Dieser bildet zusammen mit der Induktivität der Spule einen zweiten Tiefpaß mit der Zeitkonstante L/RL und erhöht somit die durch C ohnehin vergrößerte Zeitkonstante zusätzlich. In diesem Faktor führt RL also zur Verringerung der Güte!
Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie groß die "Verstärkung" bei Resonanz ist? Um das zu berechnen, setzt man die Resonanzfrequenz in die Formel des Amplitudengangs ein (die hier allerdings unterschlagen wurde). Es ergibt sich dann ein sehr einfacher Zusammenhang:
Mit dieser Formel läßt sich die Resonanzüberhöhung recht gut abschätzen. Der exakte Wert läßt sich damit jedoch nicht ermitteln, da die Kennkreisfrequenz verwendet wurde. Der genaue Wert ergibt sich nur, wenn die Resonanzkreisfrequenz benutzt wird. Dann ist die resultierende Formel allerdings wesentlich komplizierter. Da der entstehende Fehler nicht so groß ist, soll daher auf eine Darstellung verzichtet werden.
Faßt man die Erkenntnisse aus diesen Abschätzungen zusammen, so gelangt man zu folgendem Schluß:
Die Güte wird durch die Belastung stark verringert. Mit typischen Werten für Tonabnehmer und Last ist dabei ein Änderung um rund 70% nach unten durchaus realistisch. Die durch K verursachte Erhöhung wird aufgrund ihrer geringen Größe keine Rolle spielen! Der Verlauf des Amplitudenganges wird durch die Belastung daher breiter und flacher.
4. Resonanzkreisfrequenz
Für diese Kenngröße kann man die gleichen Überlegungen anstellen, wie für Kennkreisfrequenz und Güte. Wie zu vermuten ist, wird diese Freqenz durch die Belastung ebenfalls verringert. Den größten Einfluß hat wiederum die Kapazität C.
Zusammenfassung
Folgende Effekte treten durch die Belastung des Tonabnehmers auf:
- Die Kapazität C beeinfluß sehr stark die Resonanzfrequenz und die Güte.
- Der Lastwiderstand hat nur einen nennenswerten Einfluß auf die Güte
Sehen wir nun, was bei einer typischen Belastung eines Tonabnehmers passiert:
Abgebildet sind ein paar Amplitudengänge des "Fender Vintage Noiseless Strat". Laut Hersteller hat er eine Induktivität von 3H und einen Gleichstromwiderstand von 9,8kOhm. Die Wicklungskapazität wird, mangels Herstellerangabe, mit 110pF angenommen.
Diese Werte führen zu der roten Kurve, dem Amplitudengang des unbelasteten Tonabnehmers. Die Resonanz liegt hier bei 8,76kHz mit einer Erhöhung von 24,53dB. Die Güte beträgt 67,41.
Eine typische Belastung mit 700pF für das Instrumentenkable, 500kOhm für das Volumen-Poti und parallel dazu 1MOhm Eingangswiderstand eines Verstärkers führen nun zur blauen Kurve. Die Resonanz liegt jetzt bei 3,182kHz mit einer Erhöhung von 9,28dB. Die Güte beträgt 11,81. Erst diese Belastung führt zu dem grellen metallischen Klang, für den die Stratocaster und ihre Nachbauten bekannt geworden sind.
Bemerkenswert ist jetzt noch die schwarze Kurve. Sie entsteht, indem man die Resonanzfrequenz und -überhöhung für verschiedene Kapazitäten errechnet. Dadurch erhält man sozusagen eine "Hüllkurve" der möglichen Resonanzen. Mit ihrer Hilfe kann man abschätzen, welche Resonanzüberhöhungen bei gegebenen Bauteilewerten überhaupt möglich sind.
Es ist deutlich zu erkennen, daß die gewählte Belastung zu einer maximalen Resonanzüberhöhung (und damit auch Güte) führt. Eine Veränderung der Kapazität, egal in welche Richtung, führt in jedem Fall zu einer Verringerung der Überhöhung.
Die Lage des Maximums dieser Kurve hängt in erster Linie von der Induktivität des Tonabnehmers ab. Aber auch der Gleichstromwiderstand und die ohm'sche Belastung hat einen Einfluß. Generell kann man sagen:
- Je größer die Induktivität, desto kleiner die Resonanzfrequenz bei der eine maximale Überhöhung auftritt.
- Je größer der Gleichstromwiderstand des Tonabnehmers, desto kleiner ist die Überhöhung und desto höher ist die Frequenz der Überhöhung.
- Je kleiner die ohm'sche Last, desto größer ist die Überhöhung und desto höher ist die Frequenz der Überhöhung.
@diazepam:
Die meisten Antworten auf Deine Fragen sollte der obenstehende "kleine" Beitrag gegeben haben. Zu Deinem letzten Bild kann man ganz klar sagen: Ja, das ist durch eine Absenkung der Güte Q und eine Vergrößerung von K (zusätzliche Verstärkung) möglich.
@Blashyrkh:
Wie Du siehst, ist die Anwendung des Parallelschwingkreises hier leider nicht so ohne weiteres möglich. Wir sprechen hier über ein Übertragungsverhalten und nicht über eine Admitanz (Leitwert).
So, jetzt habt ihr wieder was zum denken.
Ulf