Woher kommt Deine Vermutung, man würde glauben, sein Instrument selbst ausgesucht zu haben ?
Wieviele Musiker behaupten von sich, sie hätten sich selbst entschieden ?
Daher, dass Menschen generell glauben (möchten), sie hätten einen freien Willen?
Selbstverständlich ist diese Frage nur relevant für Personen, die die Freiheit haben, sich gemäß ihrer persönlichen Vorlieben zu entscheiden. Hier geht es ja gerade um die Entschlüsselung der Hintergründe dieser persönlichen Vorlieben. Äußerlicher Zwang verfälscht das natürlich, weil dann diese individuellen Vorlieben gar nicht zutage treten können.
Wenn du als Kind von deinen Eltern genötigt wurdest, ein Instrument zu spielen, und kein eigenes Interesse daran entwickelst, hörst du damit wieder auf, sobald es geht - spätestens wenn du erwachsen bist.
Tust du das nicht und machst aus eigenem Antrieb weiter, obwohl der äußere Zwang weggefallen ist, entscheidest du dich an diesem Punkt freiwillig für das Spielen dieses Instruments. Ja, du wurdest vorher konditioniert und hast jetzt schon Vorkenntnisse, die die Wahl dieses spezifischen Instruments begünstigen. Es kann aber auch sein, dass du als Kind Instrument A spielen musstest und es gehasst hast, und du dich jetzt bewusst für Instrument B entscheidest.
Wenn du konkret wissen möchtest wie viele sich generell frei entscheiden können, d.h. wie viele Kinder von ihren Eltern zum Musikmachen gezwungen werden - und ja, mit quantitativen Antworten kann man immer mehr anfangen - darfst du gerne versuchen, eine Studie zu finden, die das aufschlüsselt.
Warum "missachtet"? Sie wird nur nicht angewandt und ist nicht Grundlage für das jeweilige Konzept. "Missachtet" klingt wieder so abwertend, warum?
"Missachtet" im Sinne von "nicht beachtet" (=ignoriert), nicht verachtet.
Wobei "ignoriert" es wahrscheinlich noch besser trifft, denn das bezeichnet - zumindest im deutschen Sprachgebrauch - meist exklusiv das willentliche Nicht-Beachten.
In anderen Sprachen ist es oft schwieriger zu trennen zwischen "nicht beachten" und "nicht wissen".
Aber warum hier das Wort "einschränken"? das ist doch vollkommen egal , außer man denkt vorwiegend in kommerziellen Dimensionen.
Na, dann kann man ja auch weiterhin schön im stillen Kämmerlein vor sich hinmusizieren, wo einen keiner hört - ist doch vollkommen egal, wie viele Zuhörer man hat...
Etwas weniger zugespitzt formuliert: Unabhängig vom kommerziellen Interesse dürften die meisten Künstler sich nicht darüber beschweren, wenn ihre Anhängerschaft größer wird. Menschen streben halt einfach nach sozialer Akzeptanz, und je mehr Leuten meine Musik, also ein Teil von mir, gefällt, desto höher mein Status, desto stärker fühle ich mich wertgeschätzt.
Was die Masse von meiner Kunst denkt, ist quasi das "demokratische Maß" für deren Qualität.
Wenn ich dieses Maß nicht anlegen möchte, weil ja durchaus nicht alles, was die Masse mag, Qualität haben muss, brauche ich stattdessen einen Katalog von anderen Kriterien, mit der ich die Spreu vom Weizen trennen kann.
Dennoch sind selbst diese Kompositionen ein Beitrag zur Vielfalt, auch sie bereichern die Welt, vielleicht nur ein wenig, aber auch sie machen unsere Welt bunter. Wenn die Natur nur nach dem Prinzip der "Mehrheitsfähigkeit" gehen würde, gäbe es keine Mischwälder und vielleicht nur Ratten auf der Welt.
Wohin dieser Exkurs führen soll, ist mir nicht ganz klar. Habe ich mich irgendwo für die Zensur dieser Künstler ausgesprochen?
"Vielfalt" hat sich zwar zu einem Begriff entwickelt, der oft als Selbstzweck dargestellt und missbraucht wird, um Bewertungskriterien auszuhebeln; selbst etwas, das für einen Großteil der Menschen schlecht ist, erhält dadurch einen Eigenwert einzig und allein auf Basis der Tatsache, dass es eben "anders" ist. Ich sage da gerne: Nicht jedes Essen, das nicht schmeckt, ist deswegen automatisch gesund
.
Aber da es hier ja um Selbstausdruck und damit
Meinungsvielfalt gibt, die soll natürlich erhalten bleiben - habe ich irgendwo etwas anderes behauptet?
Als Abschluss unter die Naturmetapher sei gesagt: Ja, die Natur ist bunt. Und sie ist auch "survival of the fittest". Wie du an dem Beispiel "Meteoriteneinschlag" selbst sehr schön verdeutlicht hast.
An dieser Stelle möchte ich den Komponisten Oliver Messiaen erwähnen, der noch nicht genannt wurde. Sein wichtigster Impuls für sein recht umfangreiches Oevre war seine tiefe Religiosität, hier könnte man auch mit Fug und recht sagen, er komponierte/musizierte um Gott zu sehen.
Naja, da würde ich zumindest nicht behaupten, die Musik sei verkopft...
Wenn Religiösität allerdings als "redeeming quality" eines Stückes angeführt werden soll, das mir ansonsten bereits nicht zusagt, bist du bei mir auf dem falschen Dampfer.
Wenn mir dagegen die Musik gefällt, aber nicht die Aussage des Stückes insgesamt, ist es bei mir so eine Sache. Manche Menschen können darüber hinwegsehen und die Musik unabhängig vom Inhalt des Rests weiterhin wertschätzen. Ich für meinen Teil achte sehr auf Texte, und die können mir auch ein Stück verhageln, dass ich ansonsten aus rein musikalischer Sicht mögen würde.
"Kunst kommt nicht von ´Können´, sondern von ´Müssen´"
Das habe ich jetzt tatsächlich recherchiert, denn "Müssen" klingt für mich im Vakuum wieder nach Zwang und Selbstdisziplin
. Gemeint war es aber offenbar
im Sinne des inneren Drangs zum Selbstausdruck.
Wie ich bereits im Startpost gesagt habe: Ich denke, je professioneller man ist, desto mehr nähert sich beides an. Wenn ich als Komponist aus eigenem kreativen Drang ein Stück schreibe, aber für eine Gruppe von Musikern, egal wie groß, brauche ich immer auch ein paar "Mitläufer" darunter, die einfach funktionieren und das spielen, was ihnen vorgesetzt wird. Die "müssen" dann eben in einem anderen Sinne als ich.
Zu letzterem hat sich @McCoy schon ausführlicher geäußert, da will ich nur kurz ergänzen, dass es stets nicht gut herüber kommt, wenn sich jemand wertend über Dinge äußert, über die er eigentlich nicht viel weiß.
Das ist mir bewusst; mein Grundsatz ist, auch was die Bewertung meiner eigenen Musik angeht:
Laienfeedback ist das wertvollste, aber gleichzeitig auch das am schwierigsten umzusetzende Feedback, das es gibt:
- Schwierig umzusetzen, weil Laien (und die größten Laien sind komplette Nicht-Musiker) nämlich meist auch wissen, was sie an einer bestimmten Musik stört, aber ihnen das Fachvokabular fehlt, es angemessen und inhaltlich korrekt auszudrücken.
- Wertvoll, weil die Laien immer in der Mehrheit sein werden - und damit am repräsentativsten für ein allgemeines Publikum.
Ich habe z.B. den Begriff "atonal" im umgangssprachlichen Kontext gebraucht, womit er auch Dinge beinhaltet, die chromatisch, aber immer noch tonal sind. Was glaubst du erst, was Laien über Cage, Stockhausen & Co. sagen könnten?
Selbst in diesem Thread wurde die neue Musik ja sogar von mehreren Usern (die selbst Musiker sind) noch deutlich undiplomatischer abgewertet - "ihre Musik ist scheiße", "Orchester ist Sklavenarbeit" etc.
Auch der Laie hat ein Recht auf seine Meinung. Als Künstler kann man nun versuchen, die Laien zu verstehen, weil man selbst ja die korrekten Begriffe seines Genres kennt, und sich das in konkrete Handlungsempfehlungen übersetzen. Wer das schafft, der kann das Feedback mit dem von Profis integrieren und eine große Masse an Zuhörern ansprechen, ohne dafür musikalische Qualität opfern zu müssen, indem man dem "Pöbel" einfach billigen Trash gibt.
Oder halt, man entscheidet für sich: "Okay, das Feedback dieser Person ist nicht so wichtig für mich, denn das ist ohnehin nicht meine Zielgruppe." Aus aktuellem Anlass nenne ich das mal die Brie Larson-Haltung (Captain Marvel)
. (Zitat: "I don't need a 40-year-old white dude to tell me what did or didn't work about A Wrinkle in Time - it wasn't made for him.")
Damit ist dann aber auch klar, dass man die entsprechende Zielgruppe verprellt. Im Extremfall macht man irgendwann nur noch "Musik für Musiker" - und selbst unter denen nicht für alle Musiker, sondern nur für eine ganz bestimmte Auswahl.
Und damit verkleinert man seine potentielle Zuhörerschaft. Das sage ich wohlgemerkt wertneutral, denn in gewissem Maße will sich ja jeder vom Mainstream absetzen und es dementsprechend auch nicht allen recht machen.
Was halt nur wiederum bei einem potentiellen Publikum schlecht ankommt, ist wenn von Seiten der Schaffenden der Zuhörer in-spe mit der Arroganz behandelt wird, er sei dumm oder uninformiert und deshalb zähle seine Meinung nichts. Ja, für den
Kunstschaffenden persönlich zählt sie nichts, insgesamt aber schon. Wenn der Laie hingeht und anderen, also der Allgemeinheit, davon abrät, Film X zu sehen oder Konzert Y zu besuchen, dann ist das wie eine öffentlich lesbare Rezension, mit der der Künstler leben muss.
Denn im Gegensatz zu einem Künstler, der sich natürlich ebenso vom Feedback eines Laien angegriffen fühlen kann, ist der Zuhörer der Kunde, der ihn am Ende für die Musik bezahlt.
Also muss ich als Musiker den Zuhörer überzeugen, ich muss
seine Aufmerksamkeit gewinnen. Wenn ich ihm dagegen vermittele, er müsse erst extensive Recherche betreiben, bevor sich überhaupt erst ein Urteil über meine Musik erlauben darf, dann verlieren die meisten erst Recht die Motivation, mir eine Chance zu geben.
Der Künstler, der sich als König sieht und den Zuhörer als Jünger, der da ist, um ihm zu huldigen, ist eine Diva.
Der Künstler, der den Zuhörer als König sieht und sich selbst als seinen Diener, ist ein Entertainer
.
Ich erwarte ja auch nicht von jedem, der z.B. kein
Growling und Screaming wie im Metal mag, dass er sich erstmal darüber informiert, wie technisch anspruchsvoll das doch ist und wie viel Ausdauer das braucht, und dass das dementsprechend als hohe Kunst gewürdigt werden muss. Das ist zwar alles der Fall, aber damit überzeuge ich niemanden, sich von der Musik mitreißen zu lassen.
Die meisten Leute, die das zum ersten Mal hören, stößt es ab - und ich kann vollkommen nachvollziehen, warum, auch, wenn ich selbst es (mittlerweile!) mag.
Wie bekommt man jemand Neuen also dazu, es zu mögen? Mit einer gefälligeren "Einstiegsdroge", die diese Technik in einer mainstreamigeren Variante verwendet - im Fall von Growls und Screams bspw. Amorphis - und wenn das fruchtet, kann ich den Zuhörer von da an weiter und weiter an die Nische heranführen. Das ist wie mit Kaffee oder Alkohol, da steigt man ja auch nicht direkt mit dem Extrem ein.
Mich spricht das Instrument am meisten an, dessen Klang mich am meisten fasziniert, mich am meisten berührt, am tiefsten in meine Seele dringt - ganz "unverkopft".
Klang des Instruments und gespieltes Genre sind für mich zwei getrennte paar Schuhe.
Ich mag den Sound von verzerrten E-Gitarren, aber mit bestimmten, wenig melodischen Alternative- oder Metal-Genres kannst du mich trotzdem jagen.
Ich mag den Sound eines Saxofons, aber ich kann nur mit den wenigsten Jazz-Stücken etwas anfangen.
Ich mag den Klang einer türkischen Baglama, aber deswegen mag ich noch lange keine türkische Folkloremusik.
Und ja, vor allem mag ich den Klang eines Orchesters, aber deswegen noch lange nicht das, was es spielt
.
Das war ja gerade der Ausgangspunkt für diese Diskussion: Viele Instrumente sind so eng an ihr jeweiliges Genre gekoppelt, dass die Instrumente auch nur die Leute anlocken, die bereits dieses Genre mögen. Wie viele lernen denn Geige, weil sie Irish Folk oder die Musik von Lindsey Stirling spielen möchten? Wer nimmt Gesangsunterricht, wenn er hauptsächlich screamen möchte? Die meisten werden erstmal auf das Hauptgenre ihres Instruments eingenordet, und können dann erst in einem zweiten Schritt diese Kenntnisse nutzen, um sie in ihrem eigenen Lieblingsgenre anzuwenden.
Jegliche Musik ist in ihrer sinnlichen Erscheinung eine Welt des Klanges, und sei das dahinter liegende Konstrukt auch noch so ´konstruiert´
In der Tat - und es gibt manche Welten (im Sinne von "Orten"), an denen man lieber sein möchte als an anderen.
Deshalb gibt es jedes Jahr aufs Neue mindestens einen "Sommerhit", und deshalb bleiben Weihnachtslieder ebenfalls für die Ewigkeit erhalten.
Wohingegen z.B. die Truppe, die ich gestern in der Lokalzeit aus Köln gesehen habe, die "Klangwelten" aus Föhn, Staubsauger & Co. erzeugt, mich gedanklich eher an einen Ort versetzt, an dem ich das Gefühl habe, ich müsse arbeiten
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