Ist der Reflexionspunkt bei gleicher Saitenstärke so unterschiedlich das sich das Saitenmaterial nennenswert auswirkt?
Wenige Cent kann ich mir bei den umsponnenen Baßsaiten schon vorstellen, aber bei den blanken Saiten?
um wieviele mm müsste sich der RP den verlagern, damit wir von Abweichungen im nennenswerten Cent-Bereich reden?
Beim Stimmen sind die Saiten - zumindest bei mir - auch eher gering ausgelenkt?
Das hast Du richtig erkannt --> bei den blanken Stahlsaiten gleicher Stärke (also wenn die Oktave mit 012 und 016er Saiten für e und b gestimmt hat und man wieder diese Saitenstärken verwendet) dürfte kein merkbarer Unterschied aufgrund der Steifigkeit auftreten --> obwohl auch Stähle deutlich unterschiedliche Steifigkeiten bzw. Biegsamkeiten aufweisen können (aber die Stahldrahtsorten bei den üblichen Westerngitarrensaiten sind doch eher sehr ähnlich).
Bei den umsponnenen Saiten halte ich einen Unterschied des Reflexionspunktes zwischen zwei gleichdicken Saiten von bis zu 3 mm durchaus möglich. (manchmal merkt man ja gleich beim Auspacken und Handhaben von Saiten eine mehr oder weniger vorhandene Biegsamkeit).
Zum vorher genannten Beispiel 650-2 bzw. 325-2: in dem Fall würde der Oktavton um 5,35 Cent zu hoch sein.
Bei einem Unterschied des Reflexionspunktes von 2 mm an einer Seite würde der Oktavton um ca. 11 Cent höher sein. Bei 3 mm Differenz des Reflexionspunktes an einer Seite um ca. 17 Cent.
Auch der Anschlag der Saite (zarter oder kräftiger Anschlag) bewirkt einen merkbaren Unterschied.
Die Saite schwingt ja nicht nur in einer Sinusschwingung, sondern der Ton der erklingt setzt sich ja aus vielen Obertönen (ganzzahligen Vielfachen der Grundschwingung) zusammen. Die möglichen Obertöne sind sehr empfindlich auf Saitensteifigkeit bzw. dessen verschobenen Reflexionspunkt --> da können durchaus sehr schräge Frequenzen mitschwingen.
Erfahrungsgemäß ist es so, dass eine sehr geringe Abweichung der Oktave bei sehr zartem Anschlag bei einem im Vergleich viel heftigeren Anschlag auch etwas stärker wird.
Nachfolgend ein Klangspektrumbeispiel eines einzelnen Gitarrentones --> diese Grafik habe ich irgendwo in anderen Beiträgen, die ich gerade jetzt nicht finde auch schon beigefügt, um die Komplexität eines einzelnen Gitarren-Tones zu veranschaulichen (ist vermutlich nur für jene interessant, die technisch bzw. mathematisch begabt sind und solche dreidimensionalen Diagramme lesen können).
Abschließend: In der Praxis spielen alle Faktoren (Saitenzug, Saitenart, Materialien, Anschlagart, Saitenlage, Halskrümmung, Stimmgerät, ect.) gemeinsam eine Rolle und beeinflussen sich gegenseitig --> oft ist es nicht leicht ersichtlich wo hauptsächlich eine Ursache eines Fehlers verborgen liegt.