Obertöne (Akustik) im Raum (für Harmonielehre)

  • Ersteller mjchael
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@mjchael, vielleicht sind diese beiden Bücher für dich auch anregend, zumindest das jeweils erste bzw. die ersten Kapitel, weil beide Autoren sich darin auch zur Herleitung des (unseres) Tonsystems aus den Obertonspektren Gedanken machen, durchaus auch philosophischer Natur
Arnold Schönberg, "Harmonielehre" http://www.kholopov.ru/arc/schoenberg-har-ocr.pdf
Paul Hindemith "Unterweisung im Tonsatz" http://www.kholopov.ru/arc/hindemith-unt.pdf

Diese Art der Herleitung hatte ich schon in meinem Musikstudium in den 80-er Jahren kennen gelernt.

Eine interessante Tabelle der genauen Frequenzen aller Klaviertöne in der gleichstufig temperierten Stimmung (bezogen auf A1 = 440 Hz) findet sich bei E. Sengpiel:
http://www.sengpielaudio.com/Rechner-notennamen.htm

Unser Tonsystem aus der Raumakustik herleiten zu wollen, würde ich auch als den falschen Ansatz bezeichnen.

Es gibt allerdings sehr wohl Zusammenhänge zwischen Räumen und deren Akustik und der darin gespielten Musik bzw. mit der Musikausübung an sich.
Die oben von mir bereits erwähnten Kathedralen wurden grundsätzlich nicht als Räume für musikalische Aufführungen konzipiert und gebaut, aber ich denke, dass den Mönchen durchaus der grandiose Eindruck des langen Nachhalls sehr bewusst und willkommen war, fügt sich dieser doch mit den in diesen Kirchen seinerzeit praktizierten "Gregorianischen Chorälen" zu einem äußerst beeindruckenden Klangereignis, auch wenn diese Gesänge zunächst und eigentlich einem liturgischen Zweck zu dienen hatten. Sie dienten aber auch der Kontemplation, und die Akustik wird diese sicherlich sehr vertieft haben.
Selbst heute noch fügen sich diese großen Kirchen und die Gregorianik wie selbstverständlich für die meisten Menschen, auch jene, die sich nicht für den christlich-religiösen Hintergrund interessieren, zu einem einheitlichen Ganzen zusammen.

Interessant finde ich auch die musikhistorischen und sozialgeschichtlichen Aspekte, die im Zusammenhang mit den ebenfalls von mir erwähnten Konzerthäusern stehen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und intensiv fortgesetzt im 19. Jahrhundert wurden viele Instrumente weiter entwickelt und zwar in Richtung zu einer größeren Klangentfaltung, einem volleren und kräftigeren Klang. Der moderne Flügel löste das Hammerklavier ab, die metallene Querflöte die hölzerne Traversflöte. Die Trompeten, die jetzt Ventile hatten, bekamen eine weitere Mensur, ebenso die Posaunen. Bei den Streichinstrumenten hielten die Stahlsaiten Einzug, die eine größere Spannung hatten, so dass der Klang dieser Instrumente gleichzeitig lauter und obertonreicher wurde.
Das Sinfonieorchester wurde zur Hauptbesetzung der "sinfonischen" Musik und es entwickelte sich zu seiner endgültigen Größe sowohl die absolute Anzahl der Musiker (sehr große Streichergruppen) als auch die Erweiterung der Bläser-Gruppen und Percussion betreffend.
Die höfischen Orchester der vorherigen Epochen waren recht klein und größere Ensembles hätten auch nicht in die höfischen Konzerträume gepasst. Die Aufführungen dort waren auch nicht öffentlich.
Das aufstrebende Bürgertum übernahm immer stärker die kulturellen Institutionen und es schuf in den Konzerthäusern eine eigene Institution, in der sich die gehobene Gesellschft traf zum großen gesellschaftlichen Ereignis des Konzertbesuchs. Diese Konzerthäuser mussten den großen Orchestern Platz bieten (aber auch einem großen Auditorium), nicht nur räumlich, sondern auch akustisch. Dieses jetzt große Sinfonieorchester, nicht selten noch ergänzt durch einen großen Chor, musste selbstverständlich seinen Klang ungetrübt und durchhörbar, und dabei auch prachtvoll entfalten können.
Die Kirchenorgel wurde in dieses weltliche Umfeld integriert, alle großen Konzerthäuser hatten selbstverständlich eine große Pfeifenorgel (auch heute noch). Bemerkenswerterweise fanden sich noch einige Zeit später die allergrößten Pfeifenorgeln in noch weltlicheren und noch größeren "Tempeln", den Tempeln des Kommerzes, den Warenhäusern (bei Interesse mal danach googeln, ist wirklich ein faszinierendes Thema).

Hat wie gesagt, nicht wirklich etwas mit unserem Tonsystem zu tun, aber mit dem Zusammenhang von Räumen und Musik.
 
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Ich lese eure Informationen mit großem Interesse und lerne einiges dazu. :)
Einige Fragen wurden mir schon beantwortet, in andere Themen lese ich mich gerade weiter ein.

Viele Informationen sind mir sogar größtenteils bekannt (z.B. Stimmungen), lenken aber ab von den eigendlichen Grundlagen die mich interessieren (z.B. natürliche Resonanzen)

So wird der weiter oben genannte Begriff "Rauheit" heute fast nur für Lärmschutz benötigt; durchaus interessant aber irrelevant.

Gregorianischer Gesang ist nett, kann aber mit seinen strengen Kompositionsvorschtiften wieder von den Grundlagen ablenken. Und Kirchenmusik als solche, steht auf einem anderen Blatt, ebenso, wie Obertongesang oftmals in den Bereich Esoterik gehört. Es liefert zum Thema Harmonielehre wertvolle Impulse, aber auch eine Menge Schrott.

Das mit den Resonanzen in der Raumakustik möchte ich noch nicht völlig verwerfen, zumal die Obertöne in Räumen lustigerweise durch die Obertöne bei Vokalen bestätigt wurde, obwohl mir natürlich bewusst ist, dass die Mundhöhle nicht gerade als ein Paradebeispiel für Raumakustik gewertet werden kann. :) Es ist doch zumindest mal interessant, das wir bestimmte Intervallsprünge (wenn auch unbewusst) bei der normalen Sprache in den Obertönen der Volale hören. Hier ist ein "Eichen" auf bestimmte Intervalle mehr als plausibel, obgleich es noch mehr akkustische Phänome gibt, die auf natürlichen Obertöne beruhen.

Das Problem, dass ich mit den zu vergleichenden Saiten sehe, ist, dass sie einen beliebigen Grundton haben können (vgl. bundlose Streichinstrumente) und nur harmonische Zusammenhänge belegen können, nicht aber zwingend melodische, weil eben der Grundton beliebig gesetzt werden kann. Aber selbst Musiktraditionen mit kleineren Intervallen als eine kl. Sekunde halten sich dennoch weitestgehend an eine modale Tonleiter (nebst Moll)

Eine stehende Resonanz (Monade) im Raum würde aber eher eine Tonleiter erforderlich machen, ungeachtet der unbestreitbaren Tatsache, dass gute akkustische Räume genau diese Monaden minimieren, und jede beliebige Frequenz weitestgehend gleich wiedergeben (oder zumindest sollten) .

Aber mir ist auch klar, nur weil etwas plausibel klingt, muss es noch nicht richtig sein.

Es macht zumindest Spaß weiter in den Quellen zu stöbern, und durch die von euch, oder euren Linktipps gegebenen bessere Schlagworte nicht auf zu vielen Nebengleisen zu landen.

Sollte ich mal eine Antwort schuldig bleiben, bitte ein wenig Geduld, da ich (wie die meisten hier) mich noch um anderes kümmern muss.
 
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