Ja eben genau so würde ich es nicht machen. Ich würde mir einen Russen suchen, der mir zunächst das Reden beibringt, nicht das Schreiben.
Verstehen ist nicht vorgesehen?
Polemik beiseite: Ich denke, wir reden ein klein wenig aneinander vorbei. Es geht nicht um die naive Vorstellung nur mit Notenpauken was über Musik und künstlerisches Klavierspiel zu lernen oder die Anwendung als alleiniges "reicht vollkommen aus"-Übungsmittel zu betrachten.
Ich lerne wie gesagt relativ gut über Lesen und Durchdenken und anschließendes praktisches Üben (das wäre Dein Punkt "Reden"). Selbst beim Motorradfahren haben mir einige eigene und angelesene theroretische Überlegungen (Blickführung, Gewichtsverlagerung) mehr gebracht als einfach nur zu fahren. Dass man die Sachen natürlich praktisch ausprobieren und die Ergebnisse erfahren muss, steht außer Frage. Und nur in der Garage auf dem Moped rumturnen bringt auch nur bedingt was.
Ich halte um mal bei dem Beispiel zu bleiben das Reden etc auch für sehr wichtig (da will man ja hin), was ich parallel gern verbessern würde ist halt das Lesen (in dem Fall genaugenommen "Erkennen") samt zugehörigem Artikulieren (ums mal korrekt zu formulieren - Reden ist dann die nächste Stufe). Ein ganz einfaches Beispiel für mich war z.B. der Kaiserwalzer aus dem Heumann-Buch. Da sind die Takte 1-4 und 9-12 mehr oder weniger gleich, außer der Verschiebung g->a in Takt 9. Ich weiß, dass die da ist und wie sie klingen soll, hatte aber so meine Schwierigkeiten, mich daran zu halten. Die Note haben wir dann auch markiert, aber ich wäre halt gern in der Lage, schnell(er) beim Draufschauen zu sagen: "aha, das ist g". Eben auch um ohne den Russen permanent daneben sitzen zu haben mit Texten arbeiten zu können, ohne jedesmal von c aus zu Zählen. Das Wissen um die anderen Noten rundrum brauch ich natürlich trotzdem.
Ich würde mal sagen es geht hier (nur für den Aspekt Notenlesen!) um den Unterschied zwischen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: Der Russe würde einem trotzdem sicher sagen, dass es nicht schadet, die Buchstaben zu kennen und halbwegs flüssig lesen zu können.
Nehmen wir mal Dein Beispiel:
Ich habe wirklich von Russisch nicht die geringste Ahnung, und kyrillisch Lesen oder Schreiben kann ich auch gar nicht. Griechisch habe ich mal ein bisschen geübt, kyrillisch nicht.
Nun ja, ich bin in Griechenland rein vom Lesen her auch ganz ok zurechtgekommen (Städtenamen etc) und habe da von meinen wirklich uralten Russischkenntnissen profitiert. Insofern würde ich das bei Dir schon einige Vorkenntnisse sehen.
Die ersten drei Buchstaben hast Du verraten: Fjod. Das r kenne ich, beim o vermute ich, das es dem deutschen o entspricht. Also: Fjodor (es scheint 2 verschiedene o im Russischen zu geben, oder heißt es Fjedor?). Das kleine d aus dem ersten Wort findet sich im letzten Wort wieder als Großbuchstabe, wiederum gefolgt von einem o. Fjodor Do ..., ha, denn kenn ich doch, das kann nur Dostojewski sein.
Da es Dir offenbar Spaß macht: Ich hätte doch dem ersten Impuls folgen sollen - was entnimmst Du "Фидо Догстоевский"? Wäre echt mal interessant.
[/quote]Und plötzlich kann ich das ganze Wort lesen, weil ich es schon vom Sprechen her kenne. Dann kann ich die Buchstaben des mittleren Wortes mit den bereits vorhandenen vergleichen: Da "falschrumme" N kommt wieder vor, es entspricht dem i, wenn es einen Bogen obendrauf hat, ist es wohl ein j.[/quote]Naja, das Letztere stimmt nicht wirklich. Insofern schadet es vielleicht dennoch nicht mal zu schauen, was der Buchstabe tatsächlich ist...
Mir hilft der sinnvolle Textzusammenhang dabei jedenfalls ganz enorm weiter.
Zweifellos. Das Wissen hab ich (noch?) nicht in dem Umfang, möchte aber trotzdem gern schneller optisch Erfassen, was da vor mir steht.
Durch bloßes Buchstaben pauken wäre ich jetzt nach einer halben Stunde üben noch nicht so weit. Ohne sinnvollen Zusammenhang wäre das für mich wie Telefonbuch auswendig lernen.
Ich glaube, wir missverstehen uns weiterhin. Es geht nicht um "bloßes" Pauken von Buchstaben, sondern um die Verbesserung der Erkennung (und für mich noch Zuordnung der entsprechenden Taste auf der Klaviatur) derselben als ein kleiner Baustein des Lernens. Dass das für sich alleine sinnfrei ist, bestreitet (vermutlich) niemand. Und dass man das dann auch gern in "Worten" bis hin zu Sätzen anwenden möchte auch nicht.
BTW: LESEN (selbst "Vorlesen") kann ich alle Noten. Nur halt noch nicht so schnell wie gewünscht. Selbst wenn das perfekt klappen würde - daraus dann einen schönen Gedichtvortrag zu machen bedarf natürlich nochmal weiterer Dinge, ansonsten würde man auf dem Level eines stumpf heruntergehämmerten von Noten generierten midi-Files landen.
Genau das ist mein Beruf, davon lebe ich. Ich habe schon ziemlich vielen Erwachsenen von NULL an das Notenlesen und Klavierspielen beigebracht.
Aus echtem Interesse: Wie bringst Du Deinen Schülern die Verbindung "Note - Klang - Taste" näher? Hast Du eine reine "Noten-Erkennen"-Übung in Deinem Ausbildungsplan oder eher nicht?
Ciao
Jan