Neue Geige - und jetzt?

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Diese Woche habe ich einen lang gehegten Traum verwirklicht. Der Weg dahin war etwas schlingerig. Denn schon als ich noch ganz jung war, da wollte ich "wenn ich groß bin" auf einer guten Geige spielen. So eine, die untenherum etwas harzig und mit Volumen kommt, sich dann nach oben öffnet und seidig leicht dahinsingt. Und vor der Pandemie da war es schon fast soweit, und ich habe ein paar Geigenbauer und -händler aufgesucht nach "meiner" Geige. Sie hat mich aber nicht gefunden. Und dann habe ich kaum noch gespielt, die Finger wurden langsam, die Fingerkuppen empfindlich und irgendwie fand ich die Vorstellung, mit dem was aktuell klappt eine Geige zu testen wenig zielführend.

Also 3 Wochen lang die ganzen Onlineshops durchgeschaut mit steigender Ratlosigkeit. Am Ende bin ich dann beim T gelandet, hab eine Scala villagio FH ausgesucht, mit etwas kleinerem Korpus, fein anzuschauen und im Rahmen meines gesetzten Budgets. Obwohl sie tatsächlich einen Tag früher kam als angekündigt, konnte ich es kaum erwarten sie zu spielen, dennoch hab ich ihr Zeit gegeben sich aufzuwärmen und zwischenzeitlich die beiden Testbögen kolophoniert.

Aus dem Koffer genommen, gezupft, lauter als erwartet. Und fast richtig gestimmt. Also auf die Schulter und nachstimmen. An den Wirbeln - extrem ungewohnt. Der einsame Feinstimmer auf der E-Saite noch schwergängiger als der A-Wirbel. WTF? Was soll der Quatsch ohne Feinstimmer eigentlich? Einfach sinnlos schwierig. Aber machbar. Und dann ein paar Tonleitern. Es zwirbelt in meinen Ohren. Metallisch. Kalt. Trocken. So klingt eine neue Geige vom Geigenbauer? Meine alte Zigeunergeige gespielt. Viel besser! Zurück zu "sie hat noch keinen Namen": die muss sich doch auch spielen lassen! Was sie genau 3 Stunden am Stück (wann hab ich zuletzt daheim 3 Stunden gespielt, hab ich das jemals?) weitgehend verweigert hat.

Pause. Ernüchterung. Geld spielt nicht Geige, ich muss das selbst machen. Oder ich schick den Klotz zurück.

Und die Saiten sind zwar offensichtlich länger schon drauf, aber nicht eingespielt. Also heute weiter drauf spielen, Arpeggien in Fortefortissimo grande, ein paar Etüden, mit Playalong ein paar der alten Stücke und so ganz langsam werden die Finger wieder geschmeidig. Und die Geige auch. Cam aufgebaut, neue Geige, alte Geige, E-Geige, alles nacheinander angespielt und aufgezeichnet. Und ja, die Saiten klingen langsam und die Geige hat sich etwas geöffnet. Sehr laut sie ist. Leise will sie noch nicht klingen. Aber laut legt sie los. Und verdammt spricht die schnell an. Hammer. Gestern wollte ich sie zurücksenden, heute ist es auf der Kippe. Bin gespannt wie es weiter geht. Heute Abend Session mit der E-Geige und dem neuen Amp. Ich mach wieder Musik. Es beglückt.

Nichtsdestotrotz haben wie gestern dem Tabellenführer ein Unentschieden abgerungen, auch Sport ist toll.
 
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Meine alte Zigeunergeige gespielt. Viel besser!
Lustig, dass du das in dem Zusammenhang so schreibst. So eine alte „Zigeuner“-Geige habe ich auch - in den Neunzigern für 80 DM in einem Second-Hand Laden gekauft und ein wenig überholt, treibt sie ihr Unwesen als schräge „Konkurrenz“ zu u.a. einer Gobetti Bj. 1705, die aktuell wohl einen netten sechsstelligen Euro-Betrag wert sein wird und zwei weiteren guten älteren Instrumenten aus Frankreich und Italien.
Nichts spielt sich leichter und geschmeidiger als die „Zigeuner“-Geige. Sie ist auffallend leise, nicht sehr dynamisch und verzeiht einem viel. In meinen Orchester-Zeiten als Jugendlicher hatte ich die eine ganze Weile im Kammerorchester dabei weil sie einfach Spaß gemacht hat.
 
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Oj ja, irgendwie sammelt es sich mit der Zeit ein wenig, eigenartigeweise gibt es aber auch unvermutete Abgänge - meine schlimmste Geige ever, eine Yamaha SV-120 ist nicht mehr auffindbar. Keine Ahnung wem ich die in die Hand gedrückt habe oder ob überhaupt, aber sie ist nicht mehr da. Dabei war der Koffer echt gut, den vermisse ich. Die "Zigeunergeige" (darf ich die überhaupt noch so nennen?) habe ich tatsächlich für schlappe 120€ in desolatem Zustand von einem suptertollen Menschen mit genau dem angesprochenen kulturellen Hintergrund erworben. Steg neu und @Kylwalda hat auch noch den Hals wieder neu eingepasst, hat sie nun eine niedrige Saitenlage und klingt ganz gut. Ursprünglich vermutlich eine deutsche Manufakturgeige, sieht man ihr diverse grob ausgeführte Reparaturen an. Trotzdem oder gerade deswegen ein Teil mit Style.
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Zurück zur neuen "sie hat noch keinen Namen", denn die kam mit zwei Bögen: CodaBow "Joule" und "Diamond GX". Der Joule ist sehr nah an meinem hölzernen Bogen aus der Herstellung "Alois Sturm" zuletzt behaart vom legendären Herrn Krussig. Diese Bögen liegen "satt" auf den Saiten machen schnell nen guten Ton und zicken nicht herum. Der Diamond GX braucht etwas mehr Einsatz im Spiel, ist dann aber auch viel agiler, klingt besser und lässt sich leicht ins Sautillé führen. Den mag ich, der Joule wird zurückgehen, zu nah am "Sturm".

Und die Geige? Hat sich heute nicht weiter "geöffnet". Anders als meine Finger in der linken Hand, die fühlen sich sehr offen an.
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Und auch wenn ich sehr sicher sein kann, dass ich meine Spieltechnik allein daheim wieder etwas besser hinbekommen kann - ich glaube es ist soweit, dass ich mal wieder ein paar Unterrichtsstunden nehmen werden.
 
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Gratuliere erstmal zur neuen Geige!
Auch wenn ihr noch nicht die besten Freunde geworden seid, ist sie wohl sehr kraftvoll.
Das klingt direkt am Ohr oftmals eher brutal und hart, aber aus ein paar Metern Entfernung dagegen besser als die "die dem Geiger sanft ins Ohr säuselt".
Ich bin gespannt wie es mit euch beiden weitergeht! :m_vio:
 
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Eines habe ich nicht ganz verstanden: Du warst bei zahlreichen Geigenbauern und konntest nicht finden, was du gesucht hast. Aber dann bestellst du eine Geige aus dem Internet, von der du gar nicht genau weiß, welches Instrument aus der Modellreihe du genau erhältst und ob und wie der Ton bei der Aufnahme ggf. manipuliert wurde. Also kaufst ein bisschen die Katze im Sack.

Ich glaube, wenn ich das machen würde, wäre ich bei den älteren Mittelklasseinstrumenten von Corilon. Also wieder bei einer alten deutschen oder französischen Geige.

Man sagt meines Wissens, dass das Einspielen nicht nur strikt das Instrument einspielt, sondern auch ein Gewöhnungseffekt von Spieler und Instrument ist. Also sollte es besser klingen, wenn du sie täglich eine Weile gespeilt hast und ihre Eigenarten kennengelernt hast. Vermutlich wird man mit begrenztem Budget (was ja quasi jeder hat) nie die 100%ige Traumgeige finden, die einem in absolut allen Punkten zusagt. Man wird sich ihr nur annähern können. Das sollte man immer beachten.

Trotzdem viel Spaß mit der neuen Geige und beim Erkunden ihrer "Persönlichkeit".

Man muss ja auch bedenken: Viele Profimusiker, gerade im Streicherbereich, spielen als sehr gute Solisten Instrumente aus einer Stiftung etc., die zwar an sich "hervorragend" sind, die sie sich aber auch nicht selbst aussuchen konnten. Und die kommen damit ja auch zurecht. Ich stelle mir das immer gruselig vor, wenn man mir ein Instrument hinstellen würde, ich auch dankbar sein muss, weil es hunderttausende von Euro wert ist, ich aber mit bestimmten Aspekten wie Klang einer Saite, Lautstärke, Größe etc. nicht wirklich zufrieden wäre. Das wäre dann harte Arbeit, sich so weit mit dem Instrument vertraut zu machen, dass man diese (subjektiven) Schwachstellen akzeptieren oder das Instrument so spielen könnte, dass sie einem nicht mehr auffallen.

Bedenke trotz Onlinebestellung, dass du die Geige auch mal zum Geigenbauer bringen und neu einstellen lassen oder mit anderen Saiten experimentieren kannst, die vielleicht weniger laut sind oder das Instrument anders klingen lassen.
 
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Eine neue Geige ist ähnlich wie zumidest früher ein Motor war der am besten läuft wenn er sorgsam erst mal auf Halbgas usw eingefahren wurde
 
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Dank an @Fidi987 und @120 für Euer Mitfiebern. Ich habe mich diese Woche zu meinem Jugendfreund Klaus auf den Weg gemacht, studierter Bratscher der aktuell oft als Geiger muckt, derzeit ebenfalls auf der Suche nach einer etwas feineren Geige ist. Wir hatten dann bei ihm eine "C. Götz" in der Preisklasse von 1,5k, sein "Leihinstrument" (Barock, ca. 20k) sowie die "Mahr" und meine "F. Hertzsch (sie hat noch keinen Namen)" beide zwischen 6 und 7k. Wie haben die Geigen in unterschiedlichen Reihenfolgen gespielt, der Zuhörer hat aber nicht hingeschaut welche Geige dran ist = Blindtest. Verschiedene Lautstärken, unterschiedliche Phrasierungen, Lagen, Arpeggien, Tonleitern, kurze Melodien. Wir mussten regelmäßig Pausen einlegen, denn nach 20 Minuten konzentriertem Hören auf Nuancen machten bei beiden von uns die Ohren zu und es kam Quatsch in die Bewertungen. War unfassbar anstrengend und hat richtig Spaß gemacht.

Die C. Götz und die Barockgeige haben sich selten vorne platziert, die "Mahr" und die "Hertzsch" haben sich fast immer wieder durchgesetzt, mit "meiner" Hertzsch die am häufigsten den Extrakick hatte. Für den Hörer.
Anders allerdings beim Spielen, da war die Barockgeige (eine extreme Zicke) mit dem angenehmsten Ton, die Götz war unauffällig, die Mahr hat Spaß gemacht und die "sie hat noch keinen Namen" war am Ohr einfach sehr anstrengend.

Und anders als der Klaus, der sein Geld damit verdient vor anderen Menschen tolle Musik zu machen, bin ich doch überwiegend allein mit meinem Instrument und muss das dann ertragen. Um es kurz zu machen: sie hat sich heute wieder auf den Weg nach Treppendorf gemacht. Die Bögen sind auch alle mit ins Paket gekommen, das ist der "einfachste" Part, anders als bei Geigenbauern habe ich einen Bogenbauer des Vertrauens, da hätte ich auch gleich hinfahren können.

Ja, @Fidi987 das war einfach ein Versuch ohne Verlustrisiko. Corilon überfordert mich gerade etwas, aber auch bei Thomann musste ich ne ganze Weile schauen, bis ich mich für ein Instrument zum Test entscheiden konnte. Vielleicht stöbere ich da gründlich und übe weiter, um mich bald wieder fit für die Situation "Kauf beim Geigenbauer" zu fühlen.
 
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Und die Geige? Hat sich heute nicht weiter "geöffnet". Anders als meine Finger in der linken Hand, die fühlen sich sehr offen an.

Und auch wenn ich sehr sicher sein kann, dass ich meine Spieltechnik allein daheim wieder etwas besser hinbekommen kann - ich glaube es ist soweit, dass ich mal wieder ein paar Unterrichtsstunden nehmen werden.

Meine Erfahrung mit Einspielen meiner geklonten Guarneri-Wilton Geige:
1. Tonleitern spielen langsam, von 1 Lage bis in die höchste Lage. Penibel auf Intonation achten.
In der Praxis heißt das, daß Du auf deiner alten Geige prüfst bzw. dich penibel vorbereitest.
Die hohen Lagen sind extrem wichtig, sonst öffnet sich die Geige nicht richtig. Umgegekehrt schließt sie sich ein wenig, wenn das vernachlässigt wird. Es dauert aber bei meinen Geigen viel länger.
2. Geduld haben. Nach ein paar Monaten sollte ein deutlicher Unterschied hörbar sein.
3. Siehe 2.
4. Dynamik: 1. Wiederholen in Piano statt Mezzoforte
5. Dynamik: 1. Wiederholen in Forte statt Mezzoforte

Weitere Wiederholungen mit noch leiseren und noch lauteren Tonleitern würde ich erst nach ein paar Wochen machen (wenn sich etwas hörbar am Klang geändert hat.
Aufnahmen zum Prüfen könnten hilfreich sein, aber gute Geigenaufnahmen sind extrem schwierig...

Stücke spielen im Maßen, immer auf Intonation achten. Schlechte Intonation hörst Du später im Instrument.
Und mit Intonation meine ich die "natürlliche" Intonation mit viel Obertönen.

Saiten, die laut, aber nicht obertonreich sind, eignen sich meiner Meinung nach nicht zum Einspielen.
Leider sind viele Saiten am Markt für solistische Musiker optimiert (laut, durchsetzungfähig aber relativ langweilig im Klang).

Viel Erfolg beim Einspielen.

Edit: Oh, schon auf dem Rückweg.. Ja, die Geige ist ein komplexes Instrument. Mit Geduld kann man schon durch den Wechsel von Saiten ein geändertes Klangbild erreichen.
Aber der Grundklang muß natürlich gefallen. Ich würde (und habe) mir Beispiele von verschiedenen Geigen anhören, deren Herkunft ich kenne.
Dann weiß ich auch, in welche Richtung der Klang sein soll, der mir gefällt (vergleiche mal Guarneri mit Stradivari, beides Italiener, sehr unterschiedlich).
 
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Den Donnerstag vor Weihnachten war ich dann in der nächstgelegenen Ecke mit mehreren Geigenbauern. Der Erste baut tatsächlich Neuinstrumente, das startet dann aber bei 23k €. Fein, dass es sowas gibt. Der Zweite war lange Zeit hoch gehandelt als kompetent und mit großer Auswahl. Ist jetzt aber umgesattelt auf Reparaturbetrieb. Hatte daher nur eher einfache Schülerinstrumente da. Wir haben aber sehr nett gequatscht und er stellte selber fest, dass er da kein Upgrade zur "Zigeunerin" anbieten kann.

Erst beim dritten Geigenbauer wurde es spannend, der hatte wirklich viele Instrumente dort, er hat eine Preisrange von 3k bis 8k (ohne Preisschild) ausgelegt und nach ner halben Stunde hatte ich mich auf einen Favoriten eingeschossen, klar war die Geige für 8k.

Allerdings hatte er dann noch einen fest vereinbarten Kundentermin und wir haben uns darauf geeinigt im Januar weiterzumachen, da wir alle beide auch noch Urlaub auf dem Zettel haben.

Und die Geige die sich dort durchgesetzt hatte wird es auch nicht werden, denn die war zwar schon kräftig im Klang, aber nicht so stark, wie ich es gerne hätte. Die Frage die sich mit beim Probespielen stellte war dann "gibt es Liebe auf den ersten Strich?" Gibt es Instrumente, die sofort eine Verbindung herstellen und laut "nimm mich" rufen?

Der Geigenbauer sagte, das hätte er bisher noch nicht erlebt - ich hab von sowas schon gehört. Es geht weiter...
 
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Allerdings hatte er dann noch einen fest vereinbarten Kundentermin und wir haben uns darauf geeinigt im Januar weiterzumachen, da wir alle beide auch noch Urlaub auf dem Zettel haben.
Interessant zu lesen. Von Geigen bzw. Violinen ;) habe ich keine Ahnung, deshalb frage ich jetzt mal doof:

Wenn der Geigenbauer jetzt nach längerem Gespräch und Ausprobieren eine Vorstellung bekommt, wohin Deine Reise gehen soll: Kann er da dann nicht Geigen bauen, die passen könnten, um diese Dir dann zur Auswahl zu stellen? Oder ist die Fertigung eines Instruments auch für einen erfahrenen Instrumentenmacher ein Stück weit immer wieder eine Überraschung, wie das Instrument ausfällt, wie es sich dann im fertigen Zustand verhält und nur bedingt durch die Auswahl des Holzes, Bauart, etc. beeinflussbar?
 
Liebe auf den ersten Strich gibt es. Habe ich selber so erfahren dürfen. Als Profimusikerin durfte ich viele Jahre sogenannte Dienstgeigen spielen. Die letzte, die ich fünfzehn Jahre spielen durfte war eine alte Italiener, Baujahr so um siebzehnhundert. Ein sehr schön gebautes Instrument, Geigenbauer unbekannt, bzw. die Fachleute waren sich nicht ganz einig, großer warmer Ton. Nervös gemacht hat mich lange, dass ich die Geige am Tag meiner Pensionierung wieder abgeben sollte. Eines Tages begann sie leicht zu scheppern. Eine Randstelle war aufgegangen und musste geleimt werden. Mein Geigenbauer zu dem ich sie brachte, meinte, es würde wohl zwei bis drei Tage dauern, bis ich wieder auf der Geige spielen könnte. Er fragte, ob ich denn ein Ersatzinstrument für den Dienst hätte, er würde mir ansonsten eine Geige mitgeben, ein Neubau, den er eben fertig gestellt hätte. Ich hatte selbstverständlich immer ein Reserveinstrument zur Verfügung, nahm das Angebot jedoch aus purer Neugier an und die Geige mit nach Hause. Das war an einem Freitag und er meinte noch, dass er sie Anfang der kommenden Woche wieder zurückhaben müsse, da eine Kundin sich für ein neues Instrument interessieren würde und die Geige ausprobieren möchte.

Als ich zuhause die ersten Töne auf dem Instrument spielte, blieb mir die Spucke weg. Neues Instrument, neue Saiten; aber es fühlte sich großartig an. Nach zehn Minuten wusste ich, dass ich ein ganz besonderes Instrument entdeckt hatte. Ich habe meinen Sohn, ebenfalls Profigeiger, sofort kontaktiert (wir wohnen im selben Haus) und lies mir die Geige von ihm vorspielen. Mein erster Eindruck hatte mich nicht getäuscht. Ein warmer Klang mit Obertonglitzer. Nun wollten wir es genau wissen, setzten uns ins Auto und fuhren in den Orchesterprobesaal. Die Geige klang auch dort großartig, hatte einen tragenden Ton. Ich telefonierte am selben Nachmittag mit dem Geigenbauer und sagte, dass ich großes Interesse an dem Instrument hätte. Wenn die Kundin kommende Woche die Geige nicht kaufen möchte, dann habe ich großes Interesse an dem Instrument. Er meinte, diese Frau habe schon mehrere Geigen bei ihm und anderswo probiert und könne sich schwer entscheiden. Wer die Geige als erster kaufen möchte bekommt sie. Kurz entschlossen fragte ich nach dem Preis. Darauf teilte ich ihm spontan meinen Entschluss mit, die Geige zu kaufen. Ich hatte Geld aus einer Lebensversicherung auf dem Konto und überwies den Betrag noch am selben Tag. In der darauf folgenden Woche konnte ich die neue Geige mit meinem Dienstinstrument vergleichen, sie war einwandfrei das bessere Instrument für mich. Ich spiele sie seitdem täglich. Habe auch sofort das Dienstinstrument zurückgegeben. Die Geige hat sich seither nur noch verbessert. Ich habe gute Vergleiche mit Instrumenten von Kolleg*innen. Das Instrument kann gut mithalten, auch mit namhaften alten italienischen Instrumenten, vor allem in Kombination mit einem alten Hill Goldbogen.

Es gibt sie also tatsächlich, die Liebe auf den ersten Strich. Eine Kaufentscheidung innerhalb weniger Stunden.

Der Geigenbauer übrigens ist Nicholas Gooch in München
 
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Tolle Geschichte und ein Beweis, das aktuelle Instrumente auch alte Meister verdrängen können! Toll, dass du dein Instrument gefunden hast @Daniela Violine !
 
Schöne Geschichte! Hast Du ihm erzählt, was für ein Prachtstück er da für Dich gebaut hat?
Natürlich weiß er das. Hat sie auch bereits im Konzert gehört.
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Haben wir damals beim ersten Lockdown produziert. Der Schluss ist aus einem Streichquartett von Borodin. (meine neue Geige zwischen lauter alten Instrumenten)
1. Geige: Jean Baptiste Vuillaume
2. Geige: Nicholas Gooch
Viola: Gasparo da Saló
Cello: Giovanni Battista Grancino

 

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Manchmal findet man nicht das Instrument, sondern das Instrument findet einen...
Scheint bei @Daniela Violine so gelaufen zu sein.
 
Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass ich seit meinem zwölften Lebensjahr kaum weniger als zwei Stunden täglich geübt habe. In meiner Studienzeit selbstverständlich viel mehr. Dann habe ich 44 Jahre in einem Spitzenorchester gespielt; nebenher auch sehr viel Kammermusik gespielt. Hatte während meiner beruflichen Tätigkeit das Instrument selten weniger als fünf Stunden täglich in der Hand.

Ich hatte im Umfeld und persönlich nahezu täglich Zugang zu Spitzeninstrumenten. Habe also optimale Vergleichsmöglichkeiten. Zudem kann ich mich innerhalb kürzester Zeit auf ein mir fremdes Instrument einstellen. Diese Möglichkeiten hat ein Hobbymusiker in der Regel kaum. Bevor man eine Geige kauft, sollte man die auch im größeren Saal ausprobieren können.
Ich habe bei meinen Schülern die Erfahrung gemacht, dass sie mit einem wirklich sehr guten Instrument zunächst überhaupt nicht klar kommen. Jahrelang haben sie auf einer mittelmäßig bis schlechten Geige gespielt, haben sich daran gewöhnt, die Schwächen des Instruments irgendwie auszugleichen.

Echte Stradivarigeigen sind nicht nicht leicht zu spielen. Nur wenn man bei diesen Geigen genau an der richtigen Kontakstelle, mit dem richtigen Bogendruck und der richtigen Geschwindigkeit streicht, klingen sie plötzlich wie die aufgehende Sonne. Ansonsten klingt der Ton matt und sandig. Ein Hobbymusiker wird die, wenn er nicht weiß um was es sich handelt, nach fünf Minuten zur Seite legen. Auch mein Instrument verhält sich ähnlich. Wenn ich drei Tage nicht spiele, kommt die ersten 15 Minuten nichts gutes raus. Ich muss mich dann erst wieder entsprechend einspielen.

Es gibt inzwischen einige sehr gute Geigenbauer, die hervorragenden neue Instrumente zustande bringen. Es ist aus meiner Sicht auch ein Märchen, dass man ein Streichinstrument erst jahrelang einspielen muss. Es ist nicht unbedingt das Instrument das im Lauf der Zeit immer besser wird, sonder der Musiker stellt sich immer mehr auf das Instrument ein und lernt auch immer besser damit umzugehen. Viele Geigen aus der ersten Hälfte des 20. Jh. sind nicht gut und zudem viel zu teuer.

Alte italienische und französische Geigen werden leider als Antiquität und Wertanlage gehandelt. Das treibt die Preise in astronomische Höhen und hat oft mit der tatsächlichen Qualität des Instruments für den Musiker überhaupt nichts mehr zu tun. Ich habe längere Zeit eine Joseph Antonius Rocca gespielt. Die Geige hatte einen großen Ton. Klang aber für mein Gefühl immer etwas uncharmant. Der Vorteil war, sie war relativ leicht zu spielen, da sie eine sehr leichte Ansprache hatte. Ich war mit diesem Instrument nie wirklich glücklich. Die Rocca Geigen sind neue Italiener aus dem 19.Jh. und werden inzwischen ziemlich hoch gehandelt.
 
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Das heißt: Man sollte als Anfänger am besten gleich auf einer guten Geige lernen, um sich an diese zu gewöhnen - wenn man später Spitzenmusiker werden will. ;)
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@Daniela Violine : Du hast doch als Profi sicher Kontakt zu vielen anderen Profilmusikern. Mich würde mal interessieren, wie sich das bei anderen Instrumenten verhält. Ist das bei Blechbläsern, Holzbläsern, Schlagzeugern, Gitarristen, etc. genauso oder sind da vor allem die Streichinstrumente so speziell?
Ich meine: Ich habe mir nun eine E-Gitarre gekauft, die man vom Preis sicher schon als Mittelklasse bezeichnen könnte, ist preislich sicher kein Einsteigerinstrument mehr wie meine andere E-Gitarre. Ich merke vom Spielgefühl schon Unterschiede. ABER: Es wird hier im Forum ja heißt diskutiert, ob der Zuhörer überhaupt Unterschiede im Sound zwischen Instrumenten der unterschiedlichen Preisklassen mitkriegt. Okay, E-Gitarre ist kein akustisches Instrument in dem Sinne.
Ich habe als Kind Posaune gespielt und kann mir auch nicht vorstellen, dass da die Unterschiede zwischen Einsteiger- und Profiinstrument vom Spiel her so groß sind (im Klang schon!)
 
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Interressante Story, die ich zu 100% fast genau so erlebt habe. Nachdem ich fast 2 Jahre nur 5 Saiter gespielt habe, wollte ich unbedingt noch eine normale Geige.

Der Anfang einer Odyssee...letztendlich hatte ich etwa 30 (!) Geigen in meiner Wohnung ein und ausgehen sehen. Ich habe alles probiert: billige T-Geigen, Mahr 0 bis 3 (oder sogar 4?), die alten deutschen Stradivari und Stainer-Kopien des Großvaters, Gewa, Yamaha, Klier...da wirst du irgendwann bekloppt. Irgendwann hatte ich eine Mahr Klasse 2 als Mietrückläufer für knapp 1400,- Euro geordert....die wars sofort nach den ersten Strichen, die habe ich dann erstmal gemietet mit Kaufoption nach 24 Monaten. Ich hatte danach noch weiter geschaut, eine Gewa Paris, die 1500er Yamaha Klasse und Klier. Alles kein Vergleich zur Mahr, entweder saumässug lackiert oder klanglich nicht mein Ding. Die Gewa kam dabei tatsächlich am besten weg.

Irgendwann habe ich dann spaßeshalber den Preis verdoppelt und eine Mahr 3, kann auch ne 4 gewesen sein, für etwas über 3000,- Euro geordert. Die war laut ohne Ende, hat mir gar nicht gefallen.

Im Nachhinein musste ich nach 3 Jahren mit der mittlerweile abgezahlten Mahr2 zur Geigenbauerin. Stimmstock, Steg erneuern und Griffbrett abziehen weil ich es mit dem Üben ernstgenommen hatte. Sie schätzte die Geige erstmal auf 2800,- Euro, schon weil die Holzauswahl so toll war. Sie erzählte mir ein paar interessante Sachen über Geigen dieser Art. Rumänien lässt grüßen und den Rest macht der Herr Mahr selbst, und davon hat er wohl wirklich Ahnung! Im Nachhinein bereue ich meine Entscheidung nicht, eine tolle Geige. Wir haben gelernt, nicht die teuerste Geige ist die beste, und Liebe auf den ersten Strich scheint es zu geben.
 
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