Aber ich merke, dass ich irgendwo im Hals eine Art Barriere habe, die ich mich nicht zu nehmen traue. Das ist die, die den Hals in 9/10 Fällen eng macht, wenn ich ein f' mit Verve singen will. Es kommt zwar raus, aber zu kopfig.
Wenn ich deine bildliche Erklärung richtig deute, kann ich dazu nur sagen: Willkommen in der Kopfstimme!
Ungefähr um f' beginnt auch bei Tenören der Bereich, in dem in die Kopfstimme gewechselt werden muss. Die zeichnet sich vom Gefühl her dadurch aus, dass der Klang vornehmlich im Berecih der Maske/Stirn/Nasenwurzel resoniert. In der Bruststimme ist die Resonanz eher im Bereich Pharynx/Kehlkopf/Brust.
Da man es vom Sprechen und auch vom Singen in der Bruststimme gewohnt ist, dass der Klang stark im unteren Pharynx und um den Kehlkopf herum resoniert, kommt einem die Kopfstimme erstmal so vor, als wäre dieser Bereich irgendwie "blockiert" und die "Verbindung" zu der Resonanz oben im Kopf fehlt. Die Kopfstimme zu "erlernen" hat für Männer viel damit zu tun, sich an eine Resonanzsituation zu gewöhnen, die im Alltag quasi nicht vor kommt.
Erstmal geht es also darum sich an diese Art von Stimmsitz zu gewöhnen, die dem Falsett sehr ähnlich ist, und ganz anders als in der Bruststimme. Dabei ist es völlig normal, dass der Ton vom klanglichen Aspekt her erstmal "zu kopfig" ist. Mach dir darum erstmal keine Gedanken und versuche lieber deine Bruststimme sauber mit der Kopfstimme zu verbinden, auch wenn sie dir noch "zu kopfig" vorkommt.
Das Ausgleichen dieses Klangunterschiedes der zu kopfigen Kopfstimme im Vergleich zur Bruststimme dauert in der Tat Jahre und man legt sich nur Steine dadurch in den Weg, dass man meint, man müsste das erreichen, indem man die Bruststimme irgendwie da hoch beommt (womöglich noch mit Kraft oder "Atempower"). Das Ziel ist nämlich vielmehr, die Kopfstimme nach unten zu bekommen und gleichzeitig so zu stärken, dass sie der Bruststimme in Sachen Power und Timbre in nichts nachsteht.
Zum Erlangen der Höhe in der Klassik kenne ich zwei Methoden, die relativ gut funktionieren sollen, beide sind vom Prinzip her "Top-Down"-Ansätze (von der Kopfstimme ausgehend). Von "Bottom-Up"-Ansätzen bin ich persönlich nicht überzeugt.
1. Falsetto-Slides: Dabei ist das Prinzip, dass man auf einem hohen Ton im Falsett ansetzt (z.B. d'') und dann so weit wie möglich in einem Glissandi runtergeht (bis zum e sollte man es auf jeden Fall schaffen). Dabei ist wichtig, dass man bis da unten hin das Falsett benutzt und eben nicht in die Bruststimme wechselt. Dann versucht man diesen Stimmsitz auf den niedrigen Tönen zu erhalten, aber stattdessen die Bruststimme zu benutzen, mit dem gleichen Stimmsitz, den man vorher im Falsett hatte.
Eine nützliche Beschreibung der Technik findest du, wenn du bei YT nach dem Gesangslehrer "Grant King" suchst. Er hat ein 3-Schritte-Tutorial, in dem er genau diesen Ansatz mit ein paar Übungen demonstriert. Seine eigenen Töne oberhalb von g' klingen immer noch sehr kopfig (aber sehr kraftvoll), allerdings muss man auch sagen, dass er ein Bariton ist (womöglich sogar ein tiefer) und diese metallischen tenorartigen Töne oberhalb von g' wahrscheinlich nicht erreichen kann.
2. Die zweite Methode kommt vor allem über den Stimmlippenschluss und lässt das Falsett außen vor. Diese Methode funktioniert eigentlich nur, wenn du auch wirklich ein Tenor bist. Als Bariton wird der Klang der dabei entsteht zu schneidend sein für klassischen Gesang. Grundlage dafür ist, direkt in den bei CVT so genannten "Edge"-Modus zu gehen (= kopfstimmiges Belting). Ein kopfstimmiger Belt ist nämlich eigentlich gar nicht so schwer zu erreichen (genaugenommen ist er Verwand mit dem intuitiven Schreien). Es ist aber irre schwer eine klassische Klangformung auf einem kopfigen Belt zu erreichen (deshalb dauert es auch Jahre das zu entwickeln als Klassiker).
Deshalb geht man bei dieser Methode zuerst in einen "natürlichen" kopfstimmigen Belt und versucht dann erst nach und nach die klassische Klangformung reinzubringen. Den kopfigen Belt erreicht man zunächst mal durch starken Twang. Das heißt, du nimmst dir erstmal den Ton raus, den du üben willst (ein g' eignet sich meist gut). Dann singst du diesen Ton an auf einem "quäk" "quäk" wie eine Ente. Wichtig dabei ist, dass du den Mund
nur nach unten öffnest, nicht zur Seite. Der Ton muss richtig quäkig und penetrant sein, und nicht so viel Atemdruck benutzen.
Starker Twang erzeugt normalerweise ein gewisses Kompressionsgefühl im Bereich der oberen Pharynx, da wo der Zungenrücken an den oberen Backenzähnen anliegt. Wenn du den Ton auf dem Entenquaken stabil ansignen und halten kannst, versuchst du während du den Ton hältst ganz langsam und kontrolliert den Kehlkopf abzusenken, aber ohne, dass du dieses Kompressionsgefühl verlierst. Dadurch geht die Klangformung immer mehr in Richtung Klassik, gleichzeitig wird es aber auch schwieriger den Ton zu halten. Das ist natürlich Übungssache. Beim ersten mal wirst du wahrscheinlich noch nicht ganz auf die klassische Klangformung hinkommen, sondern es wird noch zu quäkig sein.
Du kannst die gleiche Übung auch auf tieferen Tönen benutzen oder Slides machen, genau wie bei den Falsett-Übungen. Wichtig ist aber natürlich, dass du hinterher in der Lage bist, die Töne auch direkt in der klassischen Klangformung anzusingen. Der starke Twang ist dabei nur ein Hilfsmittel.
Welche der Methoden du oder deine GL auch benutzt, es wird auf jeden Fall so sein, dass deine Höhen erstmal zu kopfig (methode 1) oder zu quäkig (methode 2) klingen. Das ist völlig normal und erfordert eine ganze Weile intensives Training bis es besser wird. Zitat Pavarotti: "Es dauert 10 Jahre, um so einen Sound zu entwickeln". Pavarotti selbst hat in seiner frühen Karriere auch sehr kopflastig gesungen und erst später die Fähigkeit entwickelt ein "dramatischer" Tenor zu sein.