
topo
HCA Recording
Interview
"Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"
Tim Renner, ehemaliger Deutschland-Chef von Universal und Gründer der Radiostation Motor FM will im Internet Musikfernsehen machen. Er spricht mit Welt Online über seine Ideen.
1986 fing er bei Polydor an mit dem Auftrag neue Künstler zu entdecken. Diesen Job machte er ordentlich, erkannte er doch die Talente der Bands "Element of Crime" und "Rammstein" und der Musiker "Westbam" und "Philipp Boa". Er stieg auf zum Deutschland-Chef des Musikkonzerns Universal und verließ diesen 2004 nicht unbedingt einvernehmlich. Genervt war er von Kostenreduzierungen, Fusionen und Mitarbeiterentlassungen. Heute ist der 41-Jährige Chef, Gründer und Miteigentümer der Radiostation Motor FM. Ab September will er im Internet unter motor.de Musikfernsehen starten.
Welt.de: Herr Renner, der Autor Chris Anderson hat die "Long-Tail-Theorie" aufgestellt, wonach dank des Internets auch exotische Produkte ganz einfach zugänglich werden. Das große Geld wird demnach längst nicht mehr mit Hits verdient, sondern mit Marktnischen. Stimmt das?
Tim Renner: Zumindest bei der Herleitung stimme ich ihm zu. Auf dem Musikmarkt gibt es momentan zwei Bewegungen: Die Jugend fällt als Käuferschicht aus, weil sie sich zum Großteil die Musik umsonst verschafft. Und die ältere Generation ist an Musik interessiert, aber nicht hitgetrieben, weil sie einen diversifizierten Musikgeschmack hat. Sie kann plötzlich über das Internet bedient werden und hat kein Beschaffungsproblem mehr.
Welt.de: Trotzdem setzen die Musikkonzerne immer weniger um.
Renner: Der Musikmarkt ist in drei Segmenten zusammengebrochen. Der Single-Markt funktioniert nicht mehr, weil er schon immer nur die Jüngeren angesprochen hat. Die Compilation-CD ist verschwunden, was auch nicht wundert, weil ich mir im Internet eine Best-of-Liste selbst zusammenstellen kann. Zudem ist die Nachfrage nach mittelstarken Künstlern weggebrochen.
Welt.de: Was können die Konzerne jetzt machen?
Renner: Sie haben ein handfestes Problem, aber kein unlösbares. Sie haben die Verwertungsrechte für alte Songs, von denen viele immer noch nicht digitalisiert wurden. Diese Schätze müssen sie heben. Zudem ist ein Konzern als einziger in der Lage für Madonna oder Robbie Williams weltweit Werbedruck aufzubauen. Diese zentral vermarkteten Acts sind auch irre profitabel.
Welt.de: Konzerne werden demnach trotz atomisierten Geschmacks bestehen bleiben?
Renner: Es wird immer Konzerne geben. Es wird immer Superstars geben. Es wird auch immer Mainstream geben. Der Mainstream mag an Größe verlieren, aber auch im Internetzeitalter entstehen neue Stars.
Welt.de: Ist Erfolg noch planbar, wie einst mit Boygroups wie N¹Sync oder Take That?
Renner: Natürlich, nehmen Sie Tokio Hotel. Erfolg zu planen ist eine Kunst, die nur wenige können, aber es gibt sie. Das zahlt sich dann auch für die Konzerne aus. Tokio Hotel ist das perfekte Beispiel für ein Teenie-Produkt, das über hormonelle Ansprache funktioniert. Pubertierende und das meine ich nicht abwertend wollen jemanden zum bewundern, der sexy ist und mit dem sie sich gegen die Erwachsenen abgrenzen können. Das sind andere Grundbedürfnisse, als wenn unsereins Musik hört.
Welt.de: Weiß ich nicht. Ich verehre weiterhin Musikerinnen aus hormonellen Gründen.
Renner: Aber nicht so offensichtlich.
Welt.de: Okay, das stimmt. Haben Sie das Plakat gesehen, von den Mädels in Leipzig, die auf Tokio Hotel gewartet haben,..
Renner: ...auf dem stand, "Wir wollen eure Schwänze sehen? Oh ja, das war eine deutliche Aussage. Diese Radikalität traut sich nur die Jugend.
Das Gespräch führte Matthias Wulff
Artikel erschienen am Sa, 5. August 2006
aus : Interview: "Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"
==========================================
Was meint ihr dazu und zu welcher Gruppe von "Musikbeschaffern" gehört Ihr ?
Topo
"Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"
Tim Renner, ehemaliger Deutschland-Chef von Universal und Gründer der Radiostation Motor FM will im Internet Musikfernsehen machen. Er spricht mit Welt Online über seine Ideen.
1986 fing er bei Polydor an mit dem Auftrag neue Künstler zu entdecken. Diesen Job machte er ordentlich, erkannte er doch die Talente der Bands "Element of Crime" und "Rammstein" und der Musiker "Westbam" und "Philipp Boa". Er stieg auf zum Deutschland-Chef des Musikkonzerns Universal und verließ diesen 2004 nicht unbedingt einvernehmlich. Genervt war er von Kostenreduzierungen, Fusionen und Mitarbeiterentlassungen. Heute ist der 41-Jährige Chef, Gründer und Miteigentümer der Radiostation Motor FM. Ab September will er im Internet unter motor.de Musikfernsehen starten.
Welt.de: Herr Renner, der Autor Chris Anderson hat die "Long-Tail-Theorie" aufgestellt, wonach dank des Internets auch exotische Produkte ganz einfach zugänglich werden. Das große Geld wird demnach längst nicht mehr mit Hits verdient, sondern mit Marktnischen. Stimmt das?
Tim Renner: Zumindest bei der Herleitung stimme ich ihm zu. Auf dem Musikmarkt gibt es momentan zwei Bewegungen: Die Jugend fällt als Käuferschicht aus, weil sie sich zum Großteil die Musik umsonst verschafft. Und die ältere Generation ist an Musik interessiert, aber nicht hitgetrieben, weil sie einen diversifizierten Musikgeschmack hat. Sie kann plötzlich über das Internet bedient werden und hat kein Beschaffungsproblem mehr.
Welt.de: Trotzdem setzen die Musikkonzerne immer weniger um.
Renner: Der Musikmarkt ist in drei Segmenten zusammengebrochen. Der Single-Markt funktioniert nicht mehr, weil er schon immer nur die Jüngeren angesprochen hat. Die Compilation-CD ist verschwunden, was auch nicht wundert, weil ich mir im Internet eine Best-of-Liste selbst zusammenstellen kann. Zudem ist die Nachfrage nach mittelstarken Künstlern weggebrochen.
Welt.de: Was können die Konzerne jetzt machen?
Renner: Sie haben ein handfestes Problem, aber kein unlösbares. Sie haben die Verwertungsrechte für alte Songs, von denen viele immer noch nicht digitalisiert wurden. Diese Schätze müssen sie heben. Zudem ist ein Konzern als einziger in der Lage für Madonna oder Robbie Williams weltweit Werbedruck aufzubauen. Diese zentral vermarkteten Acts sind auch irre profitabel.
Welt.de: Konzerne werden demnach trotz atomisierten Geschmacks bestehen bleiben?
Renner: Es wird immer Konzerne geben. Es wird immer Superstars geben. Es wird auch immer Mainstream geben. Der Mainstream mag an Größe verlieren, aber auch im Internetzeitalter entstehen neue Stars.
Welt.de: Ist Erfolg noch planbar, wie einst mit Boygroups wie N¹Sync oder Take That?
Renner: Natürlich, nehmen Sie Tokio Hotel. Erfolg zu planen ist eine Kunst, die nur wenige können, aber es gibt sie. Das zahlt sich dann auch für die Konzerne aus. Tokio Hotel ist das perfekte Beispiel für ein Teenie-Produkt, das über hormonelle Ansprache funktioniert. Pubertierende und das meine ich nicht abwertend wollen jemanden zum bewundern, der sexy ist und mit dem sie sich gegen die Erwachsenen abgrenzen können. Das sind andere Grundbedürfnisse, als wenn unsereins Musik hört.
Welt.de: Weiß ich nicht. Ich verehre weiterhin Musikerinnen aus hormonellen Gründen.
Renner: Aber nicht so offensichtlich.
Welt.de: Okay, das stimmt. Haben Sie das Plakat gesehen, von den Mädels in Leipzig, die auf Tokio Hotel gewartet haben,..
Renner: ...auf dem stand, "Wir wollen eure Schwänze sehen? Oh ja, das war eine deutliche Aussage. Diese Radikalität traut sich nur die Jugend.
Das Gespräch führte Matthias Wulff
Artikel erschienen am Sa, 5. August 2006
aus : Interview: "Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"
==========================================
Was meint ihr dazu und zu welcher Gruppe von "Musikbeschaffern" gehört Ihr ?
Topo
- Eigenschaft