Vielen Dank für Eure Antworten!
Ich bin momentan am überlegen, ob ich nicht alles etwas zu verbissen sehe.
Verbissen im Sinne von - ich will alles schaffen, und ich will das alles möglichst schnell schaffen. Und am besten soll alles auch noch nach wenigen Anläufen möglichst perfekt sein.
Es stimmt schon, dass ich ein (was die Musik und insbesondere auch meine Stimme angeht) relativ ehrgeiziger Mensch bin, der auch mal zum Perfektionismus neigt. Und mir ist auch durchaus bewusst, dass man nicht jede seiner Bestleistungen zu 100 Prozent reproduzieren kann - das können auch keine Profis, sie nähern sich zwar einem Ideal, aber wirklich jeder hat mal seinen schlechten Tag, das stelle ich bei mir selber auch nicht in Frage.
In Frage stelle ich aber bei mir momentan dieses Gefühl des "Burn-Outs" - mit dem Begriff Depression möchte ich in dem Zusammenhang vorsichtig umgehen, aber ich sag es ganz einfach mal so: Wo früher "Freude" war, ist nun "Leere". Das meine ich mit diesem Tief. Bei mir baut sich nun folgende Diskrepanz auf: Weitersingen, weil sich sonst wichtige Techniken und Muskeln rückentwickeln? Oder Abstand nehmen, Pause machen, evtl. ein paar Dingen auf den Grund gehen ( bin jetzt in die gymnasiale Oberstufe gekommen, hohes Lernpensum etc. , möglicherweise als Beispiel für eine neueingetretene psychische Belastung) ? Kann nur ich selber das entscheiden? Ich bin mir nämlich nicht sicher.
Ich habe nur Angst und sehe schon die immer weiterklaffende Tendenz, dass ich den Bezug zu meiner Stimme immer weiter verliere. Bell* beschrieb es treffend: ohne Körperanbindung, einfach fremd.
Dieser Punkt macht mich etwas panisch, auch wenn ich im Moment keine Freude am Singen verspüre, ist doch im Hinterkopf der Wille zur eigenen Stimme, nicht zuletzt deswegen, weil ich mich beruflich in diese Richtung orientieren möchte.
Ich bin sehr froh, auch mal von anderen Sängern/innen gehört zu haben, dass sie etwas ähnliches erlebt haben und auch, dass sie da wieder hinausgefunden haben. Gab es da so einen Knackpunkt, einen Tag x, der euch wieder zu eurer Stimme geführt hat? Was war es oder wie war es?
Vielen Dank nochmal für die Antworten
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Du hast dir - was (mögliche) Stressoren anbelangt (Eintritt in die Oberstufe, Ehrgeiz, Perfektionismus) - ja schon einige Gedanken gemacht; vielleicht gibt es ja noch andere?
Wenn Du nicht ein ganz außergewöhnliches Talent bist, dürfte wahrscheinlich zutreffen:
Das Abi wie auch die (Aus-) Bildung deiner Stimme sind Projekte/Ziele, die (von den meisten Menschen) einen erheblichen (jahrelangen) Lern- bzw. Trainingsaufwand erfordern.
Diese Tatsache ist völlig konträr zu Deiner Aussage:
"Ich will das alles möglichst schnell schaffen. Und am besten soll alles auch noch nach wenigen Anläufen möglichst perfekt sein".
Was den Gesang anbelangt (und auch viele andere Bereiche), wirst Du wohl akzeptieren müssen, dass sie im Laufe der Zeit langsamer/schwieriger zu erreichen sind.
Was das Abi angeht, so wird dich der Wechsel in die Oberstufe erstmal viel Kraft/Zeit kosten, bis Du dich angepasst hast, an das geforderte Leistungslevel.
Deine "Verbissenheit" beschert dir wahrscheinlich genau das Gegenteil von dem, dass Du zu erreichen suchst. Du beschreibst dich als lustlos, leer und in einem Tief befindlich. Interessant, dass Du die Begriffe Burnout und Depression erwähnst.
Lass los.
Vielleicht hilft es dir, wenn Du gesanglich erst mal auf Sparflamme kochst; etwa so, wie es antipasti beschrieben hat. Vielleicht besprichst Du ja mit deiner GL, dass ihr euch erstmal etwas weniger seht, keine neuen, schwierigen Sachen angeht, sondern eher rekapituliert oder einfach mal zusammen jamt.
Die Ressourcen, die dadurch frei werden könntest Du nutzen um den Anpassungsprozeß in der Schule hinzukriegen. Bei mir hat das damals etwa ein halbes Jahr gedauert.
Vielleicht gehst du ja auch mal raus, kaufst dir ein Eis und hängst die Füße in's Wasser oder gehst mit deinem Freund in's Autokino.
Was Deine Frage anbelangt:
Mir ging es ganz ähnlich. Wollte auch in verschiedenen Bereichen zu viel. Das hat dann letztlich dazu geführt, dass ich aus meiner Band ausgestiegen bin. Ich hatte dann 8 Monate weder Lust zu trainieren, noch auf GU, noch mir eine andere Band zu suchen. Ich habe allerdings oft im Auto gesungen oder draußen, wenn ich mit meinem Hund in der Pampa unterwegs war.
Trotzdem: Durch diese Pause kann ich zum jetzigen Zeitpunkt viele songs, die eine hohe Lage erfordern nicht mehr singen.
Ganz langsam taste ich mich wieder ran und spiele wieder mit dem Gedanken GU zu nehmen und regelmäßig zu üben. Bei mir ist das Zurückkommen also ein längerer Prozess. Komischerweise habe ich das Gefühl, dass ich zwar an Höhe verloren habe, dass ich dafür jedoch die Töne im tiefen und mittleren Bereich besser stütze. Wenn ich mir die Höhen wieder erarbeite und dieses Gefühl des Stützens nach oben mitnehme, dann habe ich jedoch auch etwas Wichtiges gewonnen.
Im Nachhinein war die Verbissenheit alles so schnell wie möglich zu erreichen der Hauptgrund für meinen Absturz. Ich hätte viel früher Gas rausnehmen und für Ausgleich sorgen sollen. Alles braucht seine Zeit und wenn wir sie uns nicht geben, dann nehmen Körper-Seele sie sie sich eben. Das ist auch gut so, denn letztlich ist das nichts anderes als eine Strategie zum Selbstschutz.
Mach's besser!
Gruss
numb