Bin Student und das hat Vorrang. Zeit habe ich deswegen eigentlich keine, aber ich bin vertraglich an eine Frau gebunden und habe deswegen auch noch Zeit neben der Uni zu haben. Okay, damit lässt es sich ja noch leben, zumal ich glücklich damit bin.
Aber dann kommt noch Arbeit dazu, 20 Stunden die Woche. Geld muss schon sein, denn letzten Endes dreht sich nahezu jede Frage des alltäglichen Lebens eben um Geld, auf die ein oder andere Weise. Damit habe ich eigentlich garkeine Zeit mehr, bzw. ich bin im Zeitminus.
Aber ich bin ja auch noch Bassist. Was mir auch Spaß macht, aber mein Zeitminus noch mehr belastet. Proben tun wir bis zum Jahresende nicht mehr, weil irgendwie jeder keine Zeit hat. Stattdessen hocken wir alle zuhause, lernen, arbeiten, treffen uns ab und zu um zu trinken, oder beim Umzug zu helfen und so sehen wir uns ab und zu und reden ein bißchen. Früher probten wir regelmäßig 2 Mal die Woche, aber seitdem die Hälfte von uns studiert hat sich das auf einmal am Wochenende reduziert. Da wir aber auch bessere und effizientere Musiker geworden sind, geht diese Reduktion völlig in Ordnung.
Musik ist uns wichtig, aber im Kontext unseres Lebens ist sie nicht wirklich wichtig. Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen (wie finanziere ich meiner Lady den Diamantring, wie dies, wie das, ich sags doch, läuft alles immer aufs Geld hinaus...). Und deswegen sitzen wir abends irgendwann und üben für uns, bis wir uns im nächsten Jahr wiedersehen und als Band spielen. Leiden tut unter unserer Musiker"karriere" nicht wirklich was. Vor allem, wenn man sich dessen bewusst ist, daß man damit mehr gefährden als gewinnen würde, sollte man dem nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Unsere besseren Hälften finden es gut, daß wir Musik machen, denn das ist ja ein gutes Hobby - kreativ, entspannend, anspruchsvoll, bla - aber das meistens nur, bis sie uns dann mal live sehen. Dann finden sie das sehr, sehr peinlich und ärgern sich maßlos, wenn uns Mädchen, die uns toll finden, begeistert ansprechen. Beziwhungsweise ärgern sie sich maßlos, mit welcher Begeisterung wir diesen Mädchen antworten und wie wir hochgenüsslich in unserem mometanen, zeitlich sehr begrenztem "Ansehen" baden. Wir sind dann sehr traurig darüber, also über ihr Empfinden uns peinlich und gemein und doof finden zu müssen, denken uns unseren Teil und nehmen sie dann einfach nicht mehr mit auf Konzerte und reden zuhause auch nicht mehr darüber, da wir uns dann alle einfach nur auf den Sack gehen. Bzw. gerade das nicht, Liebesentzug ist die wahrscheinlichere Folge. Außerdem hören sie grundsätzlich andere Musik, halt so Soul, R'n'B, was weiß ich. Und das ist auch okay so. Was mich allerdings nervt, wenn ich Autofahren muss und sie unbedingt einen Radiosender hören will, wo sie "mitträllern" kann. Häufig geht mir das voll, aber wirkich voll auf den Sack. Nicht, daß sie singt, ich liebe ihre Stimme, aber dieser von mir als Dreck empfundene Müll der da im Radio läuft. Und meine Musik ist fürs Autofahren zu zweit tabu. Dabei passt sie meines Empfindens soo gut...
Studio war bisher immer so, daß irgendwas nicht gestimmt hat und es so viel Geld kostete, wie es sich für den Aufwand nicht lohnte. Aber die Begeisterung war damals zumindest da. Heute reicht uns zur Begeisterung das Bandbier. Wir sind jetzt auch eine dieser Bands, die von sich behaupten kann "reifer und erwachsener" geworden zu sein. Wobei ich als Wirtschaftswissenschaftler die Sache als "Konzentration auf das ökonomisch Wesentliche" betrachte. Nutzenmaximierung durch Bandbier bei Frauenabwesenheit. Das ist so wie eine Welt ohne Krieg, grüne Wiesen, auf denen glückliche Kinder laufen, wie Eis, das nicht dickt macht, wie... ääh, oder so ähnlich.
Musik ist schon wichtig, aber wenn man das im realistischen Rahmen sieht - wir werden nicht berühmt und müssen deswegen auch nicht jeden Scheissgig spielen und uns peinlichmachen oder verbiegen. Wir haben einfach Spaß am Bier, der Musik und am Equipmentkauf. In der Reihenfolge. Diese Einstellung halte ich für sinnvoll. Und ich mag meine Band sehr, wir sind eine in der jetzigen Besetzung gesund zusammengewachsene Truppe aus Freunden und schaffen uns beim Proben unsere eigene, kleine, heile Welt. Es kommt ja auf nichts an und wir können für ein paar Stunden vor unseren Frauen flüchten.
Equipment - ja, das ist die Schwachstelle des Systems. Glücklich ist man nie, immer mehr immer teureren Zeuges muss her und das ist nicht wirklich sinnvoll, aber so ist das nunmal. Wäre dem nicht so, müsste ich ihr noch mehr Schmuck kaufen oder was weiß ich, und da würde ich mich fragen, wofür ich eigentlich arbeite. Somit dient Equipmentkauf auch dem Selbstschutz. Es gibt auch sicherlich unsinnvollere Möglichkeiten sein Geld aus dem Fenster zu werfen. Außerdem ist mir das völlig egal, ich will das und fertig.
Wie intensiv wir an Stücken arbeiten kommt darauf an, wie wir den Wert dieses einschätzen. Wir schaffen um die 10, plus/minus 3 Songs im Monat. Aber uns ist natürlich klar, daß einige wertvoller sind als andere. Manche sind Improvisationsgelegenheitsgeber, die bei einem Konzert die Zeit totschlagen und folglich nicht wirklichen Übungseinsatz im Proberaum erfordern. Und bei manchen kommt jemand von uns an und wenn er da aus einem Teil seines Lebens einen Song mit viel Herzblut drin komponiert hat, dann wird dem der notwendige Respekt gezollt. Kann durchaus sein, daß so ein Lied nie wirklich fertiggeprobt wird, da man selbst bei vielem üben nicht zwangsläufig das Gefühl bekommen muss dem Song gerecht zu werden. Und das wollen wir. Wozu treffen sich Freunde denn bei Bier in einem stickigen Raum in der Wildnis?...
Ach so, ja, Freundeskreis - ääh... ? Keine Ahnung, hab ich Freunde?...
Also die, die ich habe, die stört es weder noch begeistert es sie. Wenn ich sie auf mein Konzert einladen würde, kämen sie gerne, täte ich es nicht, wäre das auch okay. Und mir ist auch egal, was sie über diesen Teil meines Lebens denken, sie sind meine Freunde aus anderen Gründen.