Hallo @Silvieann, Du hast Dir da ein sehr, sehr schönes Lied ausgesucht, ein wirklicher "Klassiker" aus dem Gesangsrepertoire, allerdings auch ein höchst anspruchsvolles Lied, was die Technik und vor allem die Interpretation angeht.
Ein Werk von gleichzeitig äußerster Schlichtheit und Reduktion und dabei von geradezu erbarmungsloser Konsequenz im Spannen fast unendlich langer Bögen, deren Spannung man zugleich aushalten als auch gesangstechnisch halten muss.
Zur Aufnahme selber und zur Aufnahmetechnik schreibe ich jetzt nichts, dazu haben sich schon einige andere sehr kompetent geäußert. Die Aufnahmequalität ist in der Tat nicht besonders, aber für eine Demonstration zur Beurteilung Deiner bzw. Eurer Ausführung reicht es allemal so. Vor allem auch Danke für das Video, das einiges im wahrsten Sinn des Wortes anschaulicher macht.
Meiner Wahrnehmung nach würde ich deinen Gesang hier als ziemlich "kehlig" bezeichnen. Es klingt alles etwas wie ´in den Hals gezogen´, ich hoffe, Du kannst Dir darunter etwas vorstellen. Die Vokale klingen jedenfalls nicht frei und offen, sondern etwas eng und ´halsig´. So wird aus dem "Himmel" klanglich ein "Himmöl" um es mit einem recht deutlich zu vernehmenden Beispiel zu belegen.
Das verschlechtert leider die Sprachverständlichkeit, da die Vokale undeutlich und unklar in ihrer jeweiligen Vokalfärbung werden.
Hast Du beim Singen die Vorstellung, den Rachen- und Hals-Raum möglichst weit machen zu wollen? Und eine Vorstellung, eine sogenannte "Maske" möglichst konsequent einhalten zu müssen?
Ich frage das, weil ich es kenne, dass oft aus dieser Vorstellung heraus eine gewisse Verspannung gerade im Hals- und Rachenbereich resultiert, die im Endeffekt sogar das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich beabsichtigt war. Ich meine, bei Dir dort Verspannungen wahrnehmen zu können. Ein Zeichen dafür sind für mich die immer wieder sehr deutlich sichtbar hervortretenden Halsmuskeln. Aber auch die Kopfposition, die immer etwas nach vorne geschoben aussieht, jedenfalls nicht frei aufgerichtet ist.
Dadurch ist auch die Mundpartie etwas stereotyp gespannt, was leicht die Artikulation beeinträchtigen kann.
Das Drehen des Kopfes könnte insofern auch ein unbewusstes Ausweichen gegen diese unbewusst gefühlte Überspannung sein, sozusagen eine "Flucht in die Bewegung". Damit will ich nicht sagen, dass es wichtig oder nötig sei, möglichst unbeweglich zu bleiben, gewiss nicht. Ich formuliere das wie stets nur als eine Anregung dafür, sich in dieser Hinsicht mal zu befragen und nach zu spüren, ob da etwas dran sein könnte.
Hast Du das Gefühl, einen guten Bodenkontakt zu haben bzw. zu machen?
Ich habe eher das Gefühl, dass Du keinen wirklich guten Bodenkontakt und damit zusammen dann auch keine gute Stabilität in der Aufrichtung hast. Jedenfalls sehe ich ein stetes, leichtes Schwanken vor und zurück was ich als ein Zeichen mangelnder Stabilität kenne. Dieses Schwanken passt auch nicht zum Ausdruck der ´unendlichen´ Bögen dieser Musik, die an den Sänger besonders hohe Anforderung hinsichtlich seiner Stabilität stellen. Und die beginnt mit und in dem guten und hier sicherlich besonders intensiven Bodenkontakt.
Deinem Bruder möchte ich nicht zu nahe treten, er gibt sich redlich Mühe, geradezu perfekt im einmal gewählten Tempo zu bleiben. Aber genau das ist förmlich der Tod des Ausdrucks besonders dieses Stücks. Es ist ein Text von Eichendorff, eine Komposition von Schumann, wir befinden uns mitten in der musikalischen "Romantik"! Die Phrasen leben von Spannung und Entspannung, es gibt Beschleunigungen, voran gehen und inne halten, Verzögern, Überleiten. Einatmen und Ausatmen auch und gerade im Klavierpart. Das Klavier muss singen, mitsingen, mitfühlen, begleiten, mitgehen, stützen, darf auch mal drängen und muss dann wieder nachlassen. Diese Klavierpart ist gewiss nicht leicht zu gestalten, aber gestaltet muss er werden. Auch die Anforderungen an den Anschlag sind hier sehr hoch, der eben fast nirgends ein "Schlagen", sondern mehr ein weiches Anspielen sein sollte.
@Silvieann, den langen Atem hast Du ja, und das Einfühlungsvermögen traue ich euch beiden gewiss zu, ihr müsst euch wohl frei machen. Bitte unbedingt weiter daran arbeiten, es lohnt sich! Auch und vor allem an der Vorstellung dieser Musik und wie sie am besten zum Erklingen gebracht werden kann.
Als Anregung erlaube ich mir hier einen Link auf eine wie ich finde ganz herrliche Interpretation von Peter Schreier zu setzen:
Von meinem über alle Maßen geschätzten Fritz gibt es soviel ich weiß leider keine Aufnahme von diesem Stück. Da sein Gesang und seine Interpretation aber immer besonders anregend sind, hier noch ein Link zu einer Aufnahme mit "Dichterliebe" von R. Schumann mit ihm: