Mit dem Blues ausgehen - und dem Jazz heimkommen?

  • Ersteller haiiiner
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Hallo Heiner,

HeinersBluesHarmonik.jpg

ich habe versucht, meine Gedanken zum Thema Harmonik hier zu sortieren und zu Papier zu bringen.

Alles Liebe,
Thomas
 
Hallo Thomas,

Deine Erklärung leuchtet mir ein - enttäuschte Hör-Erwartung :) Echt spannend, dass man in der Musik aufgrund einer unerwarteten Tonkombination Dissonanz empfindet oder zu empfinden meint. Vielleicht ist es auch originär das Empfinden einer stilistischen Unstimmigkeit, die man dann als Dissonanz fehldeutet.

Das hatte ich in der Vergangenheit ganz stark, wenn ich nach einem ganzen Durchgang Blues-Skala danach einfach nur die Terz der I. auf Schlag 1 des nächsten Durchgangs spielte - die kam mir dann anfangs geradezu dissonant vor - vermutlich, weil ich komplett auf die #9 gepolt war und die "Enttäuschung" als Dissonanz verarbeitet habe.

Deinen Vorschlag, Mixo durch die Blues-Scale zu ersetzen, finde ich auch gut, das kommt kerniger und um 100% erwartungsgemäßer. Die Avoid note "a" voll auf Schlag der V zu spielen, muss ich ausprobieren, das hätte ich erstmal nicht in Erwägung gezogen.

Im Übrigen vielen Dank für Deine sehr substiantielle Auseinandersetzung mit meinen Fragen, das hat mir viel Spaß gemacht und bringt mich weiter!

Die geänderte Fassung stelle ich später noch hier rein.

Gruuuß,
Heiner
 
Echt spannend, dass man in der Musik aufgrund einer unerwarteten Tonkombination Dissonanz empfindet oder zu empfinden meint. Vielleicht ist es auch originär das Empfinden einer stilistischen Unstimmigkeit, die man dann als Dissonanz fehldeutet.

Habe ich wirklich von "dissonant" gesprochen ... ? Ich hoffe nicht, wenn doch, war es voreilig und unüberlegt. Es kam mir tatsächlich eher wie ... tja, ... wie "unstimmig" vor, aber nicht im Sinne von "dissonant" ...


Deinen Vorschlag, Mixo durch die Blues-Scale zu ersetzen, finde ich auch gut, das kommt kerniger und um 100% erwartungsgemäßer. Die Avoid note "a" voll auf Schlag der V zu spielen, muss ich ausprobieren, das hätte ich erstmal nicht in Erwägung gezogen.

Es ist zwar ein Streit um des Kaisers Bart, aber ... so als "Avoid note" würde ich das A nicht bezeichnen wollen. Ja, in E Mixo hat das A wohl schon so eine Bedeutung, aber in einem BLUES ... ? Erstens ist es der GRUNDTON, und hat als solcher schon mal "Narrenfreiheit", und zweitens ist es ja - meiner Meinung und Erfahrung nach - ja gerade einer der Witze des Blues, daß EINE Skale (in dem Fall A Blues) über ALLE Harmonien GUT (!!) brauchbar und verwendbar ist. Das schließt auch die Verwendung dieser Skala über der V ein, mit dem hier angerissenen "Problemfeld" ... Aber im Blueskontext würde ich den (Song-)Grundton über der V nicht als "avoidig" empfinden ...
Zumal dann - wenn man die Gedanken weiterspinnen mag - gerade in DIESEM Beispiel eines ins Spiel kommt, was ich persönlich erst relativ spät gelernt und akzeptiert habe: Die melodische Logik, Schlüssigkeit und Zielstrebigkeit wirkt viel stärker, als jeder harmonische Zusammenhang oder "Zwang". Die skalentechnisch unpassendsten Töne können als "schön" und "passend" empfunden werden, wenn die melodische Linie logisch zu ihnen hinführt. Es wird dann höchstens "spannend", im musikalischen Sinn des Wortes. Und das kann ja nur erwünscht sein.


Im Übrigen vielen Dank für ...

Nichts zu danken (siehe Anmerkungen auf dem Harmonie-JPG) ... MIR hat es auch Spaß gemacht und mich bringt es erst recht weiter, wenn ich über manches mal nachDENKE ...

LG, Thomas
 
Hi Thomas,

Du hattest wirklich nicht von "dissonant" gesprochen, sondern von "harmonisch ungeheuer" - ich hab es nur so gedeutet :)

So oder so hat uns diese Stelle zu einem interessanten Punkt gebracht. Mir erscheint die melodische und harmonische Logik mitunter wie eine Kippfigur - je nachdem, worauf zuvor die Aufmerksamkeit gelenkt wurde, scheint man sich mehr am harmonischen oder melodischen Zusammenhang zu orientieren.

Die Bluesscale und ihr typischer Einsatz als Universalskala lenken zumindest mein Ohr auf den melodischen Zusammenhang, während die Chordscale-Verwendung viel mehr in die Vertikale lenkt. Dieses Thema würde ich gern noch einmal unter Harmonielehre diskutieren, und ich würde mich freuen, wenn Du wieder dabei wärest!

Außerdem interessiert mich weiterhin, wie sich die Spannung zwischen den typischen Blues-Klängen und den Jazz-Tensions verhält. Eigentlich wollte ich diesen Kontrast in meinem Stück ja eigentlich von Durchgang zu Durchgang abwechselnd herstellen, aber in der Stelle von oben habe ich demzuwider ja doch schon gemixt - was ich eigentlich erst später machen wollte. Jedenfalls führt mich die Unstimmigkeit, die Du bei der braven Mixo-Skala direkt nach
dem #9-Klang empfunden hast, mitten in dieses Thema. Ich habe da auch ein Fragezeichen im Hinblick auf die historische Entwicklung des Jazz aus dem Blues - wie ist es gekommen, dass man die Jazz-Tensions als so anders als die Blues-Klänge - und im direkten Anschluss sogar als unpassend - empfinden kann, wenn doch der Jazz vom Blues kommt?

Noch ein Wort von Cudo zum Grundton auf der V. Stufe, das mir in diesem Zusammenhang im Ohr klingelt:

Für die V7 Stufe:
gleiche Pentatonik wie für die I Stufe (C, Eb, F, G, Bb). Hier gilt es den Ton C zu beachten. Wird er als wichtiger Melodieton gespielt, muss der Akkord G7 in G7sus4 umgewandelt werden.


Gruuuß,
Heiner


Kippfigur:
 

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Hallo Heiner,

ja, es ist siche richtig, daß die intensive Verwendung EINER Skala, z. B. der Bluesscale, ein eher horizontales Denken und fühlen fordert und hervorbringt. Aber im Falle der Bluesscale ist das, glaube ich, auch historisch so ENTSTANDEN. Das WAR ja mal eine reine horizontale Geschichte ... oder ?

TonikaGrundton über V7: Da hat Cudo sicher Recht, theoretisch. Ich wage es fast gar nicht, ihm zu widersprechen und tue das auch nur zögerlich, aber ich bilde mir ein, zig Aufnahmen zu haben, wo der Solist den Grundton BEDENKENLOS über dem V7 anwendet, mal mehr, mal weniger intensiv und betont. Ich kann jetzt im Moment leider nicht sagen, wer und wo, aber ich habe das einfach so im Ohr. Vor allem habe ich mich "intellektuell" auch mal damit auseinandergesetzt, weil ich´s nicht kapiert habe, ehe ich es einfach AKZEPTIERT habe ... :) und KLINGEN tut´s ja nicht so übel, wenn der Rest der Melodik paßt ...

Im übrigen schreibt SIKORA auf Seiten 206/207 ähnliches ...

Aber GUT KLINGEN tut das eben nur im Blues-Kontext. Womit wir schon beim nächsten Thema wären : Blues versus Jazz ...

Ich glaube, man kann das gar nicht so trennen. Natürlich ist Blues ein Ahne des Jazz, aber nur EINER von mehreren. Da gab es ja massenweise auch andere Einflüsse, die die Genese des Jazz beeiflußt haben. Dadurch entstand ja dann z. B. auch diese Kraft und "Reibung" des Blues, indem seine Melodik auf durchaus europäische Harmonietradition gestoßen ist ... was aber vom Blues im Jazz weiterlebt, ist tiefergehend und mehr, als die reine Verwendung der puren Bluestonleiter: Die Tonbildung, die Phrasierung, die Verwendung der Bluenotes, ...

Sikora schreibt - und erläutert - das auch theoretisch einghend: Es ist schwierig, die Standard-Bluesscale mit einem vertikalen Ausspielen aller Changes zu kombinieren, weil die "Sounds" teilweise doch recht verschieden sind. Genauso ist ein jazziges Umfeld denkbar, in dem ein typischer Blues-Lick deplaciert klingen könnte, wenn auch harmonisch vielleicht passend ...

Ähm ... tja ... mehr fällt mir nicht ein im Moment ...

LG, Thomas
 
Hi Thomas,

ja, stimmt, ich lese auf 206 ff. nach - die Stellen habe ich irgendwann einmal mit Textmarker angestrichen :D - und Sikora schreibt sogar zu der maj7 auf der V tatsächlich, dass man sich daran gewöhnen soll! Ich werde Cudo dazu befragen: liegt es daran, dass man Blues und Jazz-Blues unterscheiden sollte?

Vergessen hatte ich auch Sikoras Sätze zur Trennung der beiden Prinzipien bzw. den Beispielen, wo dann doch vermischt wird.

Und Du nimmst mit Deiner Anmerkung zu den Einflüssen des Jazz auch - zumindest teilweise - die Antwort auf eine Frage vorweg, die ich mir (und nun auch noch mal im Forum) stelle: https://www.musiker-board.de/harmonielehre/387093-blues-klaenge-jazz-klaenge-im-widerspruch.html


Gruuuß,
Heiner
 

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