Michael Kiske und seine Hinwendung zur Welt des Geistes
Warum entwickelt der Herr Kiske diese Abneigung gegen "
Konsum-Kunst" und ihre Anhänger wohl erst, nachdem er selber seine
Welterfolge mit Helloween lange hinter sich hat und nun mit seiner eigenen Solo-"Karriere" in die
völlige Bedeutungslosigkeit gerutscht ist? Kann denn das ein Zufall sein? Will er sich sein erfolgloses Schicksal durch diese Neuinterpretation (Lossagung von allen weltlichen Erfolgen) der Musik-Welt erträglicher machen? Oder versucht er jetzt
Aufmerksamkeit durch Worte zu erzwingen, da es
durch Musik - die eben keiner hören will - nicht mehr gelingt. Paradoxerweise kritisiert er in seinen "Abrechnungen" gerade die Szene, die ihn damals groß gemacht hat, tut dies natürlich öffentlich und stellt sich zur Krönung auch den einschlägigen Medien
dieser Szene als Märtyrer zur Verfügung ("kritisches" Interview auf der letzten Rock Hard DVD, nebenbei gibts zufällig auch einen Videoclip von seinem neuen Album darauf). Diese Art der Lossagung ist natürlich
sehr glaubwürdig.
Mein Eindruck nach oberflächlicher Sichtung einiger seiner geistigen Ergüsse:
Er verquickt
spekulativ-philosophische Meinungsäußerungen mit allerlei
pseudowissenschaftlicher Argumentation. Dies hat für Kiske den Vorteil, dass er seine Argumentationen leichter verteidigen kann (er sagt wahlweise: "Ist halt meine Meinung!" oder "Es ist wissenschaftliche belegt, dass ...!") bzw. man ihn schlechter kritisieren kann, trägt jedoch nicht zum Gehalt seiner Aufsätze bei.
Es werden relativ beliebig ["
eklektizistisch" LOL] und "bedarfsgerecht" Befunde und Autoren aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Paradigmen herangezogen, die oft von
zweifelhafter Güte sind. Von Jesus bis Freud, von religiös-spirituelle Quellen bis hin zur empirische Sozialforschung und naturwissenschaftlichen Bezügen ist alles dabei.
Seine Sicht der Musikszene ist mindestens genauso
radikal und voller Stereotype (Der Spießer), wie er es der Szene seinerseits unterstellt. Auffällig fand ich die Ähnlichkeit seiner Ausführungen zur Kritik an der Kulturindustrie des Soziologen Adorno
KLICK. Da artikuliert sich bei beiden wohl ein starkes, elitäres Distinktionsbedürfnise auf die gleiche Weise ;-)
Immerhin finden sich doch hin und wieder "entlarvende" und auch aus meiner Sicht zutreffende Diagnosen über den Zustand der Musik- bzw. Heavymetalindustrie. Z. B. diese hier:
"In Wahrheit ist diese hochgelobte "Heavy Metal oder Fan-Treue" nämlich auch keine andere als die übliche "Industrie- und Konsumenten-Treue". Man bedient seinen Markt. Es ist die gängige "Käufer- und Lieferantenmoral"" (aus der Spießer, S. 11)
.
Insgesamt würde ich für die Auseinandersetzung mit dieser Thematik (Kunst und Komerz, Status der Musikindustrie und ihrer Konsumenten) doch eher zu anderer Lektüre raten (Achtung, versteckte Eigenwerbung! ;-)).