So, wie angekündigt nun etwas mehr von mir.
Nach fast 20 Jahren das erste Mal wieder auf der Musikmesse, mußte mich neu orientieren. Als ich das letzte Mal dort war, befand sich der Großteil der Sachen für uns Keyboarder in Halle 9.0. Dank RMV-Ticket und guter Anbindung war die Hinfahrt problemlos und streßfrei.
Mein erster Weg führte mich zum Stand von
Behringer auf der Prolight&Sound. Objekt der Begierde war deren neues iPad-Dock "iStudio". Erster Eindruck: sieht bissl billig aus, faßte sich dann aber weitaus wertiger an. Paßt für alle iPads, da das neue nur minimal dicker ist als das iPad 2 und der Einschub mit Distanzplatte etwas Spiel hat, braucht es auch keine neue Distanzplatte. Auf die Frage, ob das Dock auch MIDI Sysex durchreicht, wollte man mir erst erzählen, daß das iPad das doch garnicht könne. Bissl hin- und herdiskutiert, einen zweiten Standmenschen dazugeholt, der aber auch nichts konkretes sagen konnte. Entwickler war offenbar keiner da, man riet mir, Uli Behringer selbst zu fragen, der angeblich ja offiziell jetzt hier mitliest- und schreibt. Sieh an.
Nächster Stand war der vom
Synthesizer-Magazin, wo ich nicht nur 2 Hefte erstand, sondern auch den Moogulator, in dessen Forum ich ebenfalls schreibe, persönlich kennenlernen konnte. Natürlich konnte ich weder Finger noch Kamera von den Exponaten lassen, insbesondere Polysix und PPG Wave 2.2 hab ich bespielt. Neben dem eher Insidern bekannten Marienberg-Modularsystem gabs dort auch ein ungewöhnliches Instrument zu sehen: Den Ribbon Röhren-Synthesizer von Innovative Instruments.
Neben dem Stand konnte man sich von netten, entsprechend ausgebildeten Damen eine Nackenmassage verpassen lassen, was nicht nur reichlich genutzt wurde, sondern auch lustig zu beobachten war. Eine davon war auffällig bunt gekleidet und warb potentielle Interessenten an den Eingängen beider Hallen an.
Vorm Eingang von Halle 5 befand sich der Stand von
Mode Machines, die diesmal eine Menge Sachen des amerikanischen Herstellers
Livid Instruments ausstellten, u.A. auch die Block Station mit Einschub fürs iPad. Bisher nur reiner Halter dafür, soll es aber tatsächlich auch eine Verbindung zum Rest geben. Ebenso gabs einen weiteren Prototypen eines Desktop-Gehäuses für Eurorack-Module von Livid zu sehen, der auch ein Pad-Feld beinhaltete, etwas kleiner als Block oder Block Station, aber die gleichen Teile.
Weiter gings dann zu Halle 5.1, die einem schon sehr laut entgegenschallte, denn gerade tobten sich am Stand von
Clavia die Jungs von BeatKangz an ihrer Groovebox aus. Da mir das entschieden zu laut war und auch die ausgestellten Keyboards alle besetzt waren, bin ich erstmal in ruhigere Ecken geflüchtet.
Nicht weit davon fand sich dann der Stand von
SoundService, u.A. dem Vertrieb von Kurzweil. Es standen in einer Ecke recht einsam ein PC3K6 neben dem SP4-7, bei dem ich gleich mal die Tastatur begutachtete, stammt diese doch vom chinesischen Musikinstrumentenhersteller Medeli. Testurteil: nichts für mich. Irgendwie wackelig mit deutlich sprübaren Kanten, eher billig und schwammiges Anschlaggefühl.
Interessant dort war eher das fürs iPad gedachte Keyboard von Neusonic, incl Connectorsystem. Die Tastatur machte, bis auf deren etwas zu scharfen Kanten, einen recht guten Eindruck. Weiteres Guck- und Tastobjekt war ein imposant aussehendes Controllerkeyboard von icon, welches sich Logicon nennt. Tastatur war leider auch nicht meins.
Am Stand von
ESI gabs ein neues MIDI-Interface fürs iPad zu sehen, daran war eine der eignenen MIDI-Keyboards mit 25 Tasten (KeyControl 25 XT) angeschlossen, dessen Tastatur mir sehr gut gefiel, fühlte sich genauso an wie eine Fatar TP9 meines PC361.
Vorbei gings auch an den Ständen der Numark-Firmen
Akai und
Alesis. Bei Akai stand die MPCfly immer noch als Mockup in der Vitrine, dafür gabs die Synthstation 49 anzutasten. Tastatur ist ganz ok, mehr konnte ich nicht probieren. Sehr gut war allerdings die Tastatur des rotmetallicfarbenen Max 49 Controllerkeyboards, sehr sicher eine Fatar. Da es die TP8S nicht kleiner als 61 gibt, war es wahrscheinlich eine TP9.
Weniger schön fühlten sich dagegen die Tasten der Alesis QX-Modelle an, nicht wirklich billig, aber einfach zu labberig und leichtgängig.
Auch bei Avid bzw
M-Audio kam ich vorbei, um mal die Finger auf deren Tastaturen zu legen. Ausnehmend gut: Axiom. Sieht aus wie eine TP8 Piano, aber wenn dann mit anderen Federn. Auf die Frage, ob und welche Fatar-Tastatur da drin wäre, bekam ich ziemliche Märchen erzählt und mußte an mich halten, das nicht zu kommentieren. Sehr nett dagegen die kleine iPad-Tastatur in Melodicagröße, das LPK25, die auch Xaver Fischer schon im Test positiv auffiel.
Dann gings einen Stock runter zum Stand von
Kurzweil. Leider kein Dave Weiser da, nur ein in sein Smartphone sehr vertieftes Deko- und Aufpaßschneggi. Dafür alle Keyboards antestbar vorhanden, was ich aber übersprang, weil SP4-7 schon oben getestet und der Rest bekannt.
Auf dem Weg nach weiter Vorne wurde es immer lauter. Am Stand von
K&M habe ich mir deren Keyboardtische und iPad-Halterungen angesehen, durch die massive Orgelbeschallung von Hammond nebenan war eine normale Unterhaltung fast unmöglich. Getoppt wurde die Lautstärke aber durch den direkt daneben befindlichen Stand von Wersi, den ich großzügig umrundete, um Hörschäden zu vermeiden.
Direkt gegenüber befand sich der Stand von
Roland, wo auf einer Bühne ein Duo aus Gesang und V-Akkordeon im Wersi'schen Gebrüll regelrecht unterging - schade drum. Die wußten aber schon, warum man eine Kopfhöreranlage installiert hatte, und so ergab sich das durchaus amüsante Bild der auf die Bühne schauenden, mitwippenden, bekopfhörerten Zuhörer
Bei Roland hab ich dann mal kurz die Tastaturen beider JPs im Vergleich mit dem Juno Stage befingert, wobei sich die sehr identisch anfühlten. Direkt am Stand fand gerade noch ein spontanes Gruppenportrait statt, solche Szenen sind immer wieder nett.
In der Ecke dann schließlich
Casio. Dort bekam ich eine Einzeldemo des XW-P1 eines sehr dynamischen Vorführers, zu der sich dann noch ein Tascam-Mitarbeiter gesellte. Das Ganze war auch hier mit Kopfhörern, genauer gesagt: Headsets, umgesetzt, angesichts des V-Drum-Getrommels von gegenüber eine sehr weise Maßnahme.
Wie ich im Nachhinein feststellen konnte, hatte der Demo-Man ein Standardprogramm drauf, was mich aber nicht von Detailfragen abhielt. Die Tastatur der beiden Casios ist entweder Eigenbau oder Medeli, aber keine Fatar. Bissl leichtgängig, aber nicht schwammig, eigentlich ok und gut bespielbar.
Der P1 allerdings ist schon ein ziemlicher Knaller, vor allem für den Preis. Man bekommt eine Keyboard-Groovebox a la Electribe, aber mit Mehrwert, denn der Sequenzer ist polyphon, kann Steps, Pattern und Songs, zudem sind neben einer PCM-Soundengine auch ein VA-Monosynth mit 6 Oszillatoren und eine Orgel mit Zugriegelmodus drin. Das USB-Interface ist classcompliant und sowohl MIDI als auch Audio, man kann den P1 als Recorder mißbrauchen. Es gibt einen Schacht für SD(HC)-Karten, der sicher auch per Firmware auf SDXC hochgerüstet werden kann, wie das bei den meisten aktuellen Controllerchips der Fall ist, für den Fall daß man mehr als 32GB Kartenspeicher brauchen sollte.
Bei der Bedienoberfläche hat Casio offenbar Musiker gefragt, denn der Performance- und Spontanfaktor des Gerätes ist recht hoch. Ähnlich wie bei Kurzweil lassen sich sämtliche Regler frei zuweisen, und der Lauflicht-Stepsequenzer ist wirklich gut. Nebenbei sind noch Arrangerfunktionen drin, man kann zB eingespielte Phrasen einfach durch Tastendruck transponieren etc. Rechts befindet sich eine gummierte Auflagefläche, zB für ein iPad. Dieses kann man nicht nur drauflegen, sondern auch anschließen: Entweder USB oder auch an den Line-in auf der Rückseite. Als ich witzelte, daß sich die Herren gegenüber von der Bedienbarkeit hätten eine Scheibe abschneiden könnte, meinte der Demo-Man, daß sich die Herren von Yamaha sehr genau für das Gerät interessiert hatten, sprich: genau angeschaut und alles aufgeschrieben. Den billigeren MM6 läßt der P1 jedenfalls reichlich alt aussehen.
Ich würde mir eine Modulversion davon wünschen, und wie ich erfahren konnte, bin ich mit diesem Wunsch nicht alleine, denn offenbar haben sehr viele danach gefragt. Es gibt einen kostenlosen Editor/Librarian für Mac und Windows dazu, den ich ebenfalls zu sehen bekam und einen sehr guten Eindruck machte. Ist ja auch nicht von Soundtower
Der Sequenzer der Kiste hat mir sehr gut gefallen, wenn auch das Display bissl klein geraten ist. Gut, irgendwo muß der Preis von 599.- ja herkommen. Dafür bekommt man aber verdammt viel fürs Geld, vor allem einen sehr gut klingenden Synthi. Nicht nur der VA, sondern auch der Rest, klang nicht nach Plastik, sondern hatte reichlich Druck und Wärme dahinter. Ich hab so den Verdacht, daß von Casio da noch mehr aus dieser Reihe kommt, vor allem wenn ich mir die Gehäuse so anschaue, da ist noch viel Luft für mehr.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der P1 war für mich die Überraschung der Messe.
Weiter ging es dann zum Stand von EMC, wo
Moog,
John Bowen (er selbst),
Radikal Technologies (Jörg Schaaf) und natürlich der
Schmidt Synthesizer zu sehen, hören und antesten waren. Jörg war gerade am Moog Minitaur am Spielen, man kann da wirklich sagen: klein, aber oho. Die Kiste hats in sich, drückt ordentlich und macht dem Namen Moog keine Schande. Eine kleine Demo des Specki und des Accelerator bekam ich auch zu hören, ebenfalls seinen iPad-Editor für den Accelerator, der aber noch nicht fertig ist. Die Tastatur des Accelerator ist eine Fatar TP-8S, und ohne Zweifel die beste Synth-Tastatur auf dem Markt. Diese steckt auch im Solaris von John Bowen, der direkt daneben zu sehen und testen war, und sowohl Solaris als auch Specki und Accelerator sind "made in Germany". Jetzt weiß ich auch, daß in meiner GEM eine alte Version der TP-8 stecken muß bzw das Vorgängermodell, ich fühlte mich da sofort zu Hause.
Tja, der
Solaris, das ist schon ein echtes Getüm mit einem sehr guten Sound, die Bedienung ist allerdings nicht so spontan möglich wie zB bei einem Kurzweil, wo man einfach die Sounds per Data Dial weiterschalten kann. Dafür hats beim Solaris 2 Encoder unterm Hauptdisplay, einen für Program, einen für Bank. Hat mich einen Moment gekostet, um das rauszufinden. Wie bei Kurzweil auch, sollte man die Struktur des Gerätes verstanden haben, dann geht die Bedienung wirklich flott von der Hand, weil jede Sektion ihr eigenes Display hat.
Während ich so am Solaris spielte, entdeckte ich John Bowen, der am Schmidt Synthesizer rumschraubte, was ich unbedingt im Bild festhalten mußte. Daraus ergab sich ein nettes Gespräch, in dem ich auch erfuhr, warum Stefan Schmidt nicht am Stand war: offenbar war er am letzten Messetag in einen Autounfall verwickelt, laut John ist er aber ok. Schade, hatte mich auf einen Smalltalk mit ihm gefreut. War aber auch nett, John dabei zuzuschauen, wie er das Schmidtsche Monster zu bändigen versuchte. Er meinte, das sei jetzt das erste Mal, daß er dazu komme, sich mit dem Gerät zu beschäftigen. Wie ich inzwischen lesen konnte, geht der Schmidt wirklich in Produktion, genauer: Kleinserie. Bei einem Preis von 25000 Euro kein Wunder. Ebenso kein Wunder, daß ein gewisser Hans Zimmer zu den ersten Kunden gehört.
Witziges Dekoteil war ein Sofa, welches aussah wie ein Minimoog, hergestellt von der Firma Woouf aus Barcelona.
Auf dem Rückweg bin ich noch bei
Waldorf vorbei, um mal das Zarenbourg Piano unter die Finger zu bekommen. Sehr nettes Ding. Wenn die den integrierten FM-Synth auf Sysex-Ebene mit DX7 kompatibel machen bzw die Dumps akzeptieren, wäre das echt was richtig feines. Klingt hervorragend, spielt sich gut und sieht auch noch chic aus. Die Frage nach der iPad-Version der Softsynths konnte mir keiner beantworten, da Wolfram Franke leider nimmer da war.
So bin ich denn wieder zurück zum Stand vom SynMag gegangen, vorbei an den Jungs von BeatKangs, die zum Ende der Messe kein Erbarmen bei der Lautstärke mehr zeigten.
So viel von hier. Bilder hab ich auch gemacht, die kommen noch. Fazit: hat sich durchaus gelohnt, mal wieder hinzufahren. Wie immer war natürlich die Zeit zu knapp.
Wußte garnicht (mehr), wie laut so eine Messe sein kann. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt