Evtl ist das auch ein Stück weit ... ja, Bewahren alter Zeit ... ich hab da so unsortierte Gedanken dazu.
1. Das Instrument selbst ist sowohl Werkzeug fürs Musikmachen als auch Kunstwerk für sich. Das Instrument in diesem Sinn beginnt an der Saite und endet an der Lautsprechermembran.
2. Die meiste Arbeit wird zunehmend weniger physisch, man sitzt viel mehr am Rechner als früher. Früher stand man am Reißbrett, leste was aus Diagrammen ab, denkte sich was aus, rechnete, ging in die Werkstatt, an den Prüfstand - heute haste GT, da hängst das Zeug aneinander, mit Pfeilen und Rohrstücken und so, und drückst mit der Maus auf Feuer frei, und dann tut das (ein taugliches Modell vorausgesetzt - andere Branchen haben andere Programme), und was auch immer dabei rauskommt, wird das Licht der Welt erst erblicken, nachdem es durch Creo, Catia, SWx, ... selbst als Licht in die Welt erstrahlte.
3. Musikbezogener Leistungsdruck, bzw der wo auf Gitarren anzuwenden ist, betrifft eh mehr den Spieler. Was man auf ner Tele von 1952 kann, kann man auch auf einer Fanned-Fret-Aktivelektronik-Blabla-Klampfe und (weitgehend) umgekehrt. Was besser klingt, ist i.A. nicht objektiv auszumachen, was ergonomischer beim Spielen ist auch nicht notwendigerweise (solang keine derben Fehler drin sind, ist das mehr von Gewöhnung und Präferenzen bestimmt als von einem allgemeinen Fortschritt). Dafür kann man das alles nutzen, aber auch als E-Gitarrist kann man heute mit dem Zeug aus Opas Zeiten geil klingen.
4. Die direkte, analoge Energiewandlung, Informationswandlung, überhaupt Funktionalität, die hat ne Faszination für sich, evtl vergleichbar mit einem von jeglichem modernen Ballast freien Fahrzeug. Direkte Auseinandersetzung mit der Physik des genutzten ... Dinges. Das hat einfach was, so wie Gewichtheben oder so. Das kann ja auch ein Kran viel besser als der kräftigste Mensch, aber trotzdem gibt es Leute, die Jonglieren mit Traktorrädern, oder werfen irgendwas Großes durch die Gegend, und das hunderte Jahre nach Erfindung von Kränen, Katapulten und so weiter. Evtl ist das sogar ein Grundbedürfnis des Menschen, bzw der Faktor, der einen an seiner Arbeit oder Freizeitaktivität glücklich werden läßt, die unmittelbare Erlebbarkeit des Prozesses. Ich haue inne Saiten, das hört man. Ich klicke mit der Maus auf Schaltfläche sowieso und das Syntheseorchester plärrt eine in Echtzeit geschriebene Sinfonie - ist irgendwie ... nicht so recht dasselbe. Man kann die Ideallinie auf einer Rennstrecke rechnerisch bestimmen. Man kann auch einfach fahren.
5. Die Freude an 1. ist wohl bei einem Programm weniger direkt erlebbar - damit kann ich in diesem Sinn auch garnichts anfangen (obwohl ich taugende Programme schon schätze, nur halt nicht für sowas), erst, wenn ich weiß, das wird sich in der Realität irgendwo niederschlagen - aber das ist keine Zufriedenheit durch Erleben, sondern eine durch Verstehen. Auch nicht schlecht, aber ich denke, es ist ok, wenn man beides haben mag...
6. Den allgemeinen Trend, der Effizienz und so weiter fordert, an einer Stelle gezielt zu umgehen, in eine Art ... andersartige Welt ... sich zu begeben hat was. Es ist nicht im physischen Sinn eine Welt für sich, aber es gelten dort Zusammenhänge, die sonst nicht gelten und nicht für allgemeine Gültigkeit gedacht oder geeignet sind ... uff, wenn ich das so lese, kommt es nur vage ran an was ich meine ... die aktive Seite der Musik ist für den reinen Hörer nicht immer richtig zugänglich, auch nicht unbedingt wichtig. Selbst wenn man nun alle Klänge, Anschläge, Übergänge, ... ....... reproduzieren könnte, zur Not mit einem physikalischen Modell in Echtzeit, es wäre einfach nicht dasselbe.
Das ganze KI-Zeug mag treffsicher sein, was die Wirkung der Musik angeht, wenn man es mit genug Daten dazu trainiert ... für funktionale Musik (in dem Sinn, daß sie nicht für sich selbst gedacht ist, sondern Hilfsmittel in einem anderen Zusammenhang) ist das auch ok - ich muß mir, wenn ich was Entspannendes beim Kieferchirurgen höre (oder ne Werbe-Jingle) nicht unbedingt einen Musiker vorstellen, der freundlich lächelnd ein paar schöne Akkorde durchstreicht (dieses langsame Anschlagen, auf der Grenze zu einzelnen Noten anstelle eines am Stück angeschlagenen Akkords ... das mag ich wirklich gern - nachdem ich beim Kieferchirurgen war, hat mich das bis die Narkose alle war sehr glücklich gemacht ... oder das Oxycodon, was weiß ich, ist auch egal, vielleicht braucht man auch einfach beides...), es reicht, daß es so wirkt - aber wenn ich (und vermutlich sehen das noch welche so) mich voll auf irgendwas Musikalisches konzentriere, will ich einfach echte Musiker mit echten Instrumenten hören, die sich den Kram ausgedacht haben. Einfach, weil ich es will, weil ich es mag, weil ich mich mit diesen Leuten zumindest stückweise identifizieren kann und es doch ganz schön ist, daß ein paar von uns davon leben können - ebenso wie es schön ist, daß ein paar mehr von uns das einfach so machen, der meiste Musiker zahlt drauf.
Ich glaub, der Kontrast zur immer digitaleren und z.T. systematischeren Welt (bzw der immer weiter ausgelagerten Systematik, die auch ins arg Irrationale führen kann - was hier zu weit führen könnte) ist da ein ganz großer Treiber hinter. Gefühlt und zum Teil auch real ist man ja immer mehr eine Art Nutzgegenstand als Arbeitnehmer,das dürfte (auch wenn es nicht besonders rational ist, nur scheint) als eine Art negative Rationalisierung wahrgenommen werden, zu der ein Gegenpol einfach gut tut. Musik ist Kunst, Kunst muß und soll nicht sein wie die Maloche im Büro, die muß man nicht so machen, und manchmal geht es da auch einfach um die Schönheit des Prozesses an sich, auch in sozialer Hinsicht: Eine Band muß sich einigen können, zusammenarbeiten können, sich verstehen, damit da was Gutes bei rumkommt. Ein Programm muß das nicht, es ist kein Abbild einer mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehung zueinander (ja, manche Mitglieder derselben Band hassen sich vielleicht auch, aber das ist doch nicht der Regelfall, sondern eher eine bittere Entwicklung, die eben auch mal vorkommen kann ... Programme haben gemeinsame Schnittstellen, blabla - sie mögen einander davon aber nicht). Ich werd niemanden überzeugen können, daß ich den lieben langen Tag mit Dremel, Intuition und Modellierpampe an Einlaßkanalmodellen herumfummele, mittlerweile taugt ja auch 3D-CFD was. Aber ich kann stundenlang an einer Akkordfolge herumspielen, andere Intervallstrukturen probieren, oder eine andere Basslinie etc, ohne mir großartige systematische Gedanken zu machen ... ich wüßte da garnicht unbedingt eine Zielgröße oder sowas, ich merke nur, wenn es gut läuft oder schlecht.
Sicher, das Gehirn hat dafür eine Systematik, die unbewußt läuft, aber solange ich die nicht weiß, ist sie nicht, was mein Handeln bestimmt - und beim Musikmachen will ich die nicht wissen.
Anders, aber ähnlich: Ich habe keine Küchenwaage und reinige meinen Meßbecher meistens wegen Staub, nur sehr selten wegen Benutzung. Immer muß alles exakt und treffsicher sein, genau abbilden, genaue Prognosen, und das ist auch ok so, aber ich will das nicht überall. Ich will ineffizient aber glücklich ein paar Akkorde schrammeln, wenn mir danach ist, und vor Allem will ich nicht in meiner Freizeit eine Ewigkeit am Rechner sitzen.
Angst um die Musiker an sich muß wohl keiner haben: Die Wenigsten machen das, weil sie davon leben, den Meisten geht es nicht allein ums Ergebnis, sondern auch um den Prozess, den Weg dahin, um das Spielen an sich. Das tut Spaß, und ... fertig. Und Welche wollen ja auch Musik von Musikern hören.
Oder so.