ein lob vorab: eine sehr gute idee, ein interessanter thread - nicht nur um zu posten, sondern auch um zu lesen und vielleicht so einiges über die rezeption von musik in diesem forum zu erfahren!
texte sind für mich sehr wichtig, oft genug sogar ebenso wichtig, wie die dazugehörige musik. es ist dann auch von der klasse der musik abhängig, wie sehr sie mich für stupide texte zu entschädigen vermag, ebenso verhält es sich umgekehrt: außergewöhnliche texte können ein schwächelndes werk bis zu einem gewissen grad retten, natürlich nicht aus der mittelmäßigkeit in die Erstklassigkeit
es sind feinheiten, die mich dazu verleiten texte faszinierend zu finden, ein kniff aus der literaturgeschichte, eine gelungene metapher, eine außerordentliche, unerwartete anspielung, ein durchgängiges konzept, und so weiter.
texte, die mich besonders fesseln, erschaffen in meinem kopf
bilder-welten, erwecken erinnerungen zum leben oder erzeugen gänzlich neue; sie lassen mich nachdenken, träumen, weinen und lachen - kurz: sie verstehen es mich zu ergreifen, und sei es auf einer vollständig rationalen ebene wie dem glückseligen gefühl eine referenz auf werke der kunstgeschichte entdeckt zu haben... seltener aber dann umso intensiver spricht mich ein text emotional an: in diesen fällen vor allem, wenn dieser erinnerungen an meine vergangenheit erweckt oder mir parallelen zu eigenen erlebnissen aufzeigt. solche situationen sind allerdings noch seltener.
dazu ist es für mich sekundär, ob man diese texte nun versteht oder nicht, wichtig ist es, dass sie vorhanden und zugänglich sind: die beschäftigung mit guten und spannenden texten ist für mich ebenso wichtig wie die zugrundeliegende musik. es ist auch durchaus üblich, dass ich mit dem booklet in händen vor der hifi-anlage sitze und den sängern lausche, ebenso gebannt in den text vertieft wie in ein gutes buch. die gattung liedtexte ist für mich ein vollwertiger bestandteil der literatur, mit ebenso kunstvollen und begabten vertretern wie angesehenere sub-kategorien.
eine besonderheit möchte ich auch nicht unerwähnt lassen: besonders in musikrichtungen der härteren art ist es ja durchaus üblich die phrasierungen der musik anzupassen; der gesang übernimmt in diesen fällen die rolle eines zusätzlichen instruments, eine durchaus gängige methode. dennoch gibt es auch in diesen genres beachtenswerte texte und begabte schreiber: die werke von mikael akerfeldt erfreuen sich nicht nur aufgrund ihrer musikalischen opulenz hoher beliebtheit, der gute mann versteht es auch spannende und berührende texte zu schreiben (mein favorit
still life und
my arms, your hearse seien stellvertretend für sein können genannt). ich wage zu behaupten, dass man beim ersten hörgenuss dieser scheiben allenfalls fragmente erkennen kann, dem ungeachtet sind die texte wertvolle zutaten im musikalischen cocktail von
opeth. es wäre töricht, die worte von mikael mit verachtung zu strafen nur aufgrund der tatsache, dass sie sich nicht bei erstmaliger beschäftigung erschließen.
es kam auch die frage nach dem realitätsbezug - ja? nein? - auf. in dieser frage bin ich immer noch unschlüssig: gelungene texte sind nicht einfach zu schreiben, gute texte sind in jedem fall rar unabhängig vom gewählten gebiet. fantasievolle texte, wie peter gabriel es meisterhaft demonstrierte, sind vermutlich ebenso schwierig wie eine pointierte, politische aussage in einen song zu verpacken, ohne platte phrasen und stumpfen gepolter, wohlgemerkt. es ist in meinem fall jedenfalls eher abhängig von meiner gegenwärtigen stimmung als dass man hier von einer tendenz sprechen kann, ich bevorzuge einen ausgewogenen mix von unterschiedlichsten themen.
wenn jedoch einige dieser kriterien zutreffen, dann muss die meinung nicht notwendigerweise mit meiner persönlichen einstellung übereinstimmen.
als beispiele für - meinem empfinden nach - gelungene texte sind
ulver "
themes from william blake's marriage of heaven and hell" (die credits gehen in diesem fall uneingeschränkt an william blake
) oder auch
satyricons
rebel extravaganza,
tool
ænima,
opeth
still life,
cynic
focus,
genesis
selling england by the pound
es sind hier wieder einmal die üblichen verdächtigen.