Eine wirklich plausible Erklärung, warum man (nur) die lydische Tonika so schnell als Zentrum verliert, habe ich leider noch nicht.
Weil eine Tonart bzw. Tonika durch die Dominante respektive den Dominantseptakkord (oder einer seiner Vertreter) gefestigt wird, das ist immer so, wenn man das Dur-Moll-System und deren Derivate benutzt.
Sobald man eine Dominante einsetzt, assoziiert das Gehirn automatisch eine ionische Tonika, wenn ich das mal so nennen darf.
Die leitereigene Dominante der lydischen Skala wäre ja naturgemäß kein Dominantseptakkord, sondern eben einer vom Tonikatypus, wie man es so schön nennt, ein maj7. Derselbe Akkordtyp entsteht aber auch auf der Subdominante.
Ein maj7 leitet nicht und festigt daher auch keine Tonart. Wenn man den zu einem dom7 umbaut, um den Effekt zu erreichen, wird ja automatisch die Subdominante trotz ihrer lydische Skala zur Tonika...
Das Ganze ist also ein Relativitätsproblem, wenn man die Funktionstheorie heranzieht. Und da hilft dann nämlich keine skalenmäßige Betrachtung der Kadenz mehr.
Deshalb ist es für mich schwierig, von einer lydischen Tonika zu sprechen, auch wenn ich den Terminus verstehe und nachvollziehen kann. Da spreche ich dann lieber von einer Subdominante.
Warum auch soll man ein Stück nicht maßgeblich auf der Subdominante aufbauen?
Nebenbei:
Du bleibst leichter drin, wenn du denkst, du spielst auf der Subdominante...
Und: Den Charakter kannst du beibehalten, indem du die III. lydische Stufe mit einer b6 versiehst - der Neapolitanerdiskussion sei Dank...
So verliert sie ihren äolischen Charakter, weil man doch wieder irgendwie lydisch I raushört, den Ton muß man aber nicht wirklich exponieren, der tut´s auch nebenbei...
Da fällt mir noch was ein:
Wie kann man eine Subdominante weiter öffnen? Es geht nicht. Bei der Tonika hast du immer die Möglichkeit, über die Subdominante das "Gefecht" zu eröffnen, also die Akkordprogression aufzumachen. Wenn man aber schon auf der Subdominante spielt, geht das ja nicht mehr. Es gibt keinen weiteren Punkt, der eine "schwerere tonale Schwerkraft" besitzt, wenn man das mal so mit den Augen Russells betrachten würde.
Pöhlert würde wohl sagen, die Subdominante begrenzt den diatonischen Quintfall nach unten, könnte ich mir vorstellen.