Kommt natürlich drauf an.
Wenn man der typische Clubbeschaller ist, der auf einem Tapeziertisch sein Macbook, sein Kaoss Pad, diverse andere kleine Gerätschaften und einen Kompaktmixer aufbaut und dann im Prinzip nur Sequenzen und Phrasen in Ableton Live abfährt, derweil er an den Geräten herumschraubt und -hantiert, dann muß das nicht wirklich live gespielt sein. Zum einen interessiert es die Leute gar nicht, wie gut derjenige im händischen Echtzeitspiel ist, zum anderen wird das auch überhaupt nicht erwartet, denn die ganze Musik ist von vornherein für den repetitiven Charakter eines patternorientierten Sequencers vorgesehen.
Wenn hingegen mit Keyboards gearbeitet wird, also Klangerzeuger mit Tastatur, die nicht ein reines Hilfsmittelchen ist, sondern Haupteingabegerät, und wenn der Mensch dahinter auch tatsächlich an den Tasten arbeitet, dann will er definitiv, daß das, was er da tut, als live und händisch gespielt angesehen wird. Mag sein, daß ein Teil der Musik zugespielt wird oder vom Sequencer kommt, gerade wenn's elektronisch ist, kann man nicht alles händisch spielen. Aber das, was man händisch spielt, das soll auch entsprechend anerkannt werden.
Das Problem ist doch, daß händisches Synthesizerspiel irgendwo zwischen dem Tod des klassischen Progressive Rock (ich meine Yes, King Crimson, Van der Graaf Generator, die frühen Emerson, Lake & Palmer und Genesis, als Peter Gabriel noch ihr Sänger war), Modern Talking und der sequencerlastigen House- und Techno-Bewegung der frühen 90er komplett in Vergessenheit geraten ist. Gerade auch weil heutzutage fast keine Elektronik mehr händisch auf Klaviaturen gespielt wird, nimmt auch niemand die wenigen Ausnahmen mehr für voll. Wie gesagt, Rick Wakeman, Keith Emerson oder Brian Eno hätte in den 70ern niemand des Playback bezichtigt, wohingegen der nur wenige Jahre später bekannt gewordene Jean Michel Jarre, wie ich weiter oben schon erwähnt hab, selbst heute noch von einigen als Vollplaybacker verschrien wird, obwohl es doch eigentlich (aufgrund der vielen Macken) offensichtlich sein sollte, daß alles live gespielt wird, was geht.
Drei andere Probleme des Synthesizers: Erstens muß das, was zu hören ist, nicht zu 100% in Relation stehen zu dem, was der Keyboarder da macht. Da verändert sich dann der Sound wie von Geisterhand (LFO, Hüllkurve, Stepsequencer, whatever), aber nicht von Musikerhand. Zweitens sieht man einem Synthesizer nicht an, wie er klingen wird. In Verbindung mit der gigantischen Klangpalette, die selbst ein Roland SH-101 drauf hat, kann man einen Laien damit schnell verwirren. Drittens kommt der Sound nicht aus dem Gerät selbst (von wenigen Ausnahmen abgesehen) und kann, seit Synthesizer in Stereo arbeiten, auch auf der Bühne nicht mehr räumlich dem Keyboarder zugeordnet werden.
Martman