Lage von Optionstönen

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Ich spiele seit einiger Zeit Gitarre in einer Big Band; da ich bis dato keine Ahnung von Jazzakkorden hatte, habe ich mir die Ton für Ton zusammenklamüsert. Was mich dabei oft verunsichert, ist die Frage, ob die sog. Optionstöne (also z.B. 9, 11, 13) in jeder beliebigen Umkehrung klingen dürfen oder halt prinzipiell schon ganz oben liegen sollten.
Z.B. bin ich für G7#9#5 darauf gekommen, ihn im 3. Bund als Barrée über die 4 hohen Saiten zu greifen plus h-Saite im 4. Bund. Das ergibt von unten geschichtet: 7(f)-#9(a#)-#5(d#)-1(g). Das Spezielle hier ist, dass die Terz fehlt, bzw. die #9 auch als Mollterz (a#=bb) gedeutet werden könnte und das Ganze dann eher ein Gm7#5 wäre.
Kann ich das trotzdem so spielen und jeden Akkord in jeder beliebigen Umkehrung greifen?
 
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Hi waldgyst,

Optionstöne können in jeder Stimme liegen, also auch in den tiefen Stimmen. Dabei gilt es allerdings die L.I.L. 's zu beachten. Außer der Oktave hat jedes Intervall eine Begrenzung nach unten hin was die Lage betrifft.

Außerdem sollte man sich noch über die manchmal auftretenden conditional avoids im Klaren sein.
Das ist schnell erklärt.
Liegt eine Tension einen Halbton unter einem Akkordton, so muß man beachten, dass keine b9 Intervalle entstehen.
Beispiel:
Mixolydisch hat als Chordscale eigentlich nur die T11 (s4) als avoid note. Die T13 ist erlaubt, da sie einen Ganzton über dem darunterliegenden Akkordton liegt. Soweit ist das ja klar.
Nun kommt das conditional avoid. Einen Halbton über der T13 liegt die kleine Sept. Hier besteht Gefahr einer b9, wenn die kleine Sept eine Oktave höher zu liegen kommt. Das wäre dann nicht gut.
T13 darf aber unmittelbar neben der kleinen Sept im Voicing liegen, falls es sich um Mittelstimmen handelt. (Zwischen den oberen beiden Stimmen eines Voicings sind Halbtöne nicht gut.)

___________________________
b (Durterz)
a (T9)
f (kleine Sept)
e (T13)

G (Grundton)

wäre erlaubt.
__________________________
f' (kleine Sept)
b (Durterz)
a (T9)
e (T13)

wäre nicht gut. (conditional avoid)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wofür Du Dich VOR ALLEM enscheiden mußt ist, ob Du auf der Gitarre Voicings MIT Grundton, oder Voicings OHNE Grundton bevorzugst, oder sie auch mischen willst und kannst.
Wenn von Grundtonvoicings die Rede ist, gibt es für beide Lagen (E-Saite, A-Saite) ein gut funktionierendes Voicing für den Standard-Sept-Dreiklang (Grundton, Terz, Septime). Bei dem würde ich dann bleiben und die Tensions nur dann auf Saite 5 oder 6 miteinbeziehen, wenn sie "in Reichweite" sind. Ist das nicht der Fall, funktioniert der Basis-Sept-Akkord immer auch genauso gut (außer, Du wärst das einzige harmoniebildende Instrument, was ich nicht annehme ...).
Wenn von Grundton-losen Voicings die Rede ist (die meistens in einer Art von Akkord-Solo gebraucht werden, auch in Begleit-Funktion, ...) ist vielmehr eine Melodieführung der jeweils höchsten Töne von Akkord zu Akkord gefragt. Ob da nun dann wirklich alle "geforderten" Tensions mit d´rin sind halte ich eher für unwichtig, solange die Akkord-QUALITÄT jener des geforderten Akkordes entspricht und der nicht zuwiderläuft ...

LG, Thomas
 
Spielt die Bigband ausschließlich Jazz (Swing- und andere Standards) oder auch Pop etc.? Und ist auch ein Tasteninstrument dabei?

Ich frage das deshalb, weil die Akkordangaben in solchen Arrangements sich immer auf den Gesamtsound beziehen und nur in expliziten Fällen in allen Details auch von der Gitarre gespielt werden müssen. Beispielsweise reichen beim G7#9#5 auch Grundton, Terz und Sept, wenn die Erweiterungen eh schon fett z.B. von Bläsern kommen; es schafft Transparenz im Klangbild und erhöht den rhythmischen Druck, wenn halt nicht alle gleichzeitig alles spielen.

Und gerade bei Swing etc. ist die Gitarre eher als Rhytmusinstrument zu verstehen (Verstärkung des 4tel Beats) und nicht als Lieferant vielstimmer Akkorde. Hier kannst Du weiterlesen:
http://www.freddiegreen.org/technique/pettersen.html
 
...seit einiger Zeit Gitarre in einer Big Band; da ich bis dato keine Ahnung von Jazzakkorden hatte

Umkehrungen sind entsprechend der für die Gitarre üblichen und gut klingenden Voicings möglich.
Als Anhaltspunkte würde ich sehen, dass man den Grundton der Akkorde auf E und A-Saite als Gitarrist in der Big Band normalerweise nicht betont oder zumindest in den unteren Lagen sogar dämpft, weil man da schnell mit anderen Stimmen (z.B. Keyboard) matschen kann. Generell sollten scharfe Dissonanzen auf der Gitarre lieber hoch liegen und eigentlich kann man sie auch gut den Bläsern überlassen, wo sie meistens ausnotiert in den Stimmen stehen.

Die Gitarre hat bei swingenden Titeln eine wichtige Rhythmusfunktion und optimalerweise Voicings zu spielen, die "hör-logisch" durch die Changes führen. Das kann oft auch mit sehr reduzierten Akkorden bis hin zu nur ein, zwei Tönen geschehen (siehe Freddie Green).

Voicings ergeben sich neben (ausnotierten) Forderungen des Arrangements meist aus der Akkordfolge (Auswahl der Töne und "Griff").
Zunächst wäre ein G7#9#5 nur wie ein G7 mit dem Voicing 1-7-3 zu sehen (3. Bund: G auf E-Saite, f auf d-Saite, h auf g-Saite), evtl. plus der #5 (4. Bund: d# auf h-Saite), wenn sich das in der Oberstimme anbietet. Oder mit dem Voicing 1-3-7 (evtl. plus #9) mit dem G auf dem 10. Bund der A-Saite und erweiterbar zum "Hendrix Chord".

Eine gute, weil praktische Hilfe für die Big Band Gitarre bietet das Heft von Charlton Johnson, Big Band Guitar.
Der Autor Charlton Johnson hat in der Nachfolge von Freddie Green für 6 Jahre im Count Basie Orchestra gespielt und auch sonst viele Größen des Show Biz begleitet. http://charltonjohnson.com/
Weiter in die Tiefe geht sein zweites Buch, das ich aber nicht als alleinigen "Einstieg" empfehlen würde: Charlton Johnson, Chords for Jazz Guitar.

Einen schnellen und recht soliden Überblick in gut fassbarer Form bieten z.B. Jeff Schroedl, Jazz Guitar und Fred Sokolow, The Complete Jazz Guitar. Beide sind daher auch als Grundlagen für das Duo und Trio spielen zu empfehlen. Für den Ausbau in einem solistischen Chord-Melody spielen gäbe es noch andere Hefte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo CUDO II, turko, Hans_3 und zonquer,
besten Dank für eure ausführlichen Tipps - ich hätte euch schonmal früher fragen sollen:)
Ein großer Teil des Programms ist schon Swing, aber auch funkygere und Latin-Sachen sowie Arrangements von Film- oder Popsongs. Einen Pianisten haben wir natürlich auch, aber da ich das nicht im einzelnen so genau höre, was der da greift, dachte ich immer, ich muss schon meine Akkorde mit allen Tensions komplett spielen, damit die Harmonien deutlich werden. Da hab ich schon immer fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal was weglasse, was wirklich doof zu greifen ist.
Das mit Freddie Green ist ja da schon echt extrem - one note chords:gruebel:
Ich denke, ich werde mal schauen, was sich mit je 3 Tönen pro Akkord so machen lässt und verstärkt drauf hören, ob die geforderten Optionstöne von Klavier oder Bläsern kommen.
Viele Grüße
waldgyst
 
Das "Gefährliche" an der Gitarre ist generell, dass man sie anfangs mit Akkorden lernt, die meist aus 5 bis 6 Tönen bestehen - damit es halt "voll" klingt, wenn man alleine spielt. Das wichtige Reduzieren wird hingegen kaum gelehrt (außer, man beginnt mit Klassik, dort arbeitet man von vornherein mit weniger gleichzeitigen Saiten). Dann kommen irgendwann die Chorderweiterungen, und da man halt 6 Saiten zur Verfügung hat, versucht man, alles irgendwie unterzubringen. Der erheblich schwierigere Lernprozess ist die Reduktion - abhängig von der Besetzung und der Aufgabe der Gitarre, die in jedem Song oder in Teilen davon völlig unterschiedlich sein kann.

Sinngemäß gilt das auch für Tasteninstruementler. Je häufiger sie alleine spielen, desto vielstimmiger fällt es aus. Das ist ja auch OK, weil das Klavier eben diese Riesenbandbreite bietet. Kritisch wird es dann plötzlich, wenn der "vollgriffig" gewohnte Spieler nicht reduzieren kann und in der Band neben Terzen und Quinten sämtliche Tensions bedient und dabei "untenrum" mit der linken Hand auch noch dem Bass klanglich voll ins Gehege kommt.

Heißt kurzum: Wenn alle alles spielen, klingt es derb schei*e. Sobald mehr als 1 Harmonie-Instrument (Gitarre, Tasten, Bläser-/Streichersätze!) vorhanden ist, schalte ich voll zurück auf maximal 3 Töne gleichzeitig.

Hier noch ein Beispiel für die One-Note-Begleitung - die Gitarren haben hier eine völlig andere Aufgabe als Arrangement-Chords zu doppeln:

http://www.youtube.com/watch?v=etsUIb2CdvQ&feature=related
 
Hi Folks!

Ich möchte kurz ergänzen, weil Folgendes etwas unklar schien. Vielleicht hilft es auch waldgyst weiter.

Tensions ist eine Abkürzung für das Englische Wort Extensions- allgemein also: Akkorderweiterungen

Tensions bestehen aus 2 Gruppen:
1) Optionen
2) Alterationen

Die Optionen entstehen, zunächst einmal völlig losgelöst von einem Akkord-Skalen Zusammenhang, durch die " große-None-Regel", wie ich sie hier einmal eingedeutscht habe. Im Englischen, bzw. Berklee heißt sie " a ninth above a chordtone rule."
Optionen entstehen demzufolge, wenn man das Intervall einer großen None über einem Dreiklangston bildet.
Das führt bei Durdreiklängen bzw. Vierklängen mit einem Durdreiklang als Basis zu den Optionen 9-#11-13,
bei Molldreiklängen bzw. Vierklängen mit einem Molldreiklang als Basis zu den Optionen 9-11-13.
(Auf die übrigen Qualitäten gehe ich jetzt mal nicht ein).
Eine große None über einer Septime ( groß oder klein) führt zu keinem sinnvollen Ergebnis mehr.

Alterationen sind chromatische Veränderungen von Optionen. Sie erzeugen spannungreiche b9 Intervalle zu den Akkordtönen. Daher gibt es Alterationen nur bei Dom.7 Akkorden. Major 7 Akkorde zB. werden durch Alterationen zu stark aus ihrer klanglichen Ruhe gebracht.
Die einzigen Alterationen die einen Sinn ergeben sind : b9-#9-b13
( b11? (sinnlos)- #11?(ist Optionston)-#13?(=b7)

Wenn man Tensions im Zusammenhang mit Skalen betrachtet, spricht man von den "zur Verfügung stehenden Tensions". Wer zB. eine #11 für seinen Major 7 Akkord benötigt, darf nicht zu Ionisch greifen, sondern muss Lydisch nehmen.

Alterationen eines Dom.7 Akkordes haben eine " eingebaute Leittonfunktion" sofern der Dom 7 Akkord Funktion hat. Alterationen klingen bei Auflösung zur Qualität Major 7 , Moll7 und Dom.7 gleichsam gut, Optionen nur bei Auflösung nach (im weitesten Sinne gemeint) Dur. Bei Auflösung zB. zur Qualität Moll7 hinterlassen Optionen eine eingeschränkte, fragliche Wirkung hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit.

Also :
Tensions:
1) Optionen: 9-11-#11-13
2) Alterationen: b9-#9-b13


Grüße!
 
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Tensions ist eine Abkürzung für das Englische Wort Extensions- allgemein also: Akkorderweiterungen

Ach so - ich dachte immer, es handelt sich dabei um "Spannungstöne" wie hier beschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Spannungsnote
(Tension = Spannung)
Aber wir wissen ja, wie das mit Wahrheit und Wikipedia manchmal ist.

Egal, für Praxis als auch für die Theorie ist es eh schnurz, welchen Ursprung der Ausdruck hat.;)
 
Ach so - ich dachte immer, es handelt sich dabei um "Spannungstöne" wie hier beschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Spannungsnote
(Tension = Spannung)
Ich denke, da fallen beide Wortbedeutungen (Spannung u. Erweiterung) zusammen.

Peter Spitzer schreibt z.B. in seinem Jazz Theory Handbook auf S. 24 zur 9, 11 u. 13:

These notes may be played as part of a melody or solo, or added to enrich a piano or guitar voicing. They are called Extensions, tension notes, or color tones.

The most often-used extensions lie a whole step above the original chord tones. Extensions that lie a half step above the basic chord tones sound harsher, and are sometimes calles avoid notes.

Viele Grüße

Klaus
 
Hi Zusammen nochmal!

Wenn ihr damit einverstanden seid, dass Optionen und Alterationen mit dem übergeordneten englischsprachigen Begriff
'' Tensions'' bezeichnet werden können, dann ist die Übersetzung von Tensions als Spannungstöne nur halb zutreffend. Spannungserhöhend wirken ja nur Alterationen beim Dominantseptakkord ( bei dem sie nur verwendet werden), Optionen hingegen erzeugen keinerlei Spannung, sondern färben den Klang. Halb zutreffend ist in diesem Zusammenhang aber nicht ausreichend;Nicht weil es um eine feinsinnige Begriffsdebatte geht, sondern schlicht nicht wiedergibt was wir hören, wenn wir Optionen als Spannungstöne bezeichneten. Demzufolge sollten man sich sprachlich eigentlich auf Folgendes einigen können:

ERWEITERUNGEN -------------------------------------- EXTENSIONS
Optionen - Farbtöne -------------------------------------- - Color Notes

Alterationen- Spannungstöne (nurV7)---------------------- Tensions, ( manchmal auch "altered Tensions")

So kann man schön erkennen, wodurch sprachliche Verwirrung entsteht: Mischung aus Deutsch und Englisch, sowie der Gebrauch einer Abkürzung.
Ich handhabe die Benennungen so, wie oben bereits geschildert. Tensions, im Sinne von Extensions als Oberbegriff, weil mit dem Versuch den deutschen entsprechenden Begriff "Akkorderweiterungstöne" oder nur " Erweiterungen" einzuführen bzw. zu verwenden, ständig Klärungsbedarf entsteht.
( Einfach wärs auch, wenn man Extensions statt Tensions "durchdrücken" könnte)
Ansonsten aber, und das betrifft dann sowieso 80% des restlichen Sprachgebrauchs, benutze ich die eindeutig differenzierenden Begriffe "Optionen" und "Alterationen".

Grüße!

P.S. das Thema "Avoid Notes" was hier schon mal anklang, ist ne Sache für sich, und sollte mit einem neuen Thread erörtert werden, falls Bedarf.
 

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