Ich habe bei meiner (persönlichen) Einschätzung des Angebotes aber auch nicht zwischen Modular, Desktop- und Keyboard-Synthesizern unterschieden.
Für mich ist alles, was elektronisch Klänge erzeugt irgendwie ein Synthesizer. Vielleicht ist das auch falsch?
Dahinter stecken ganz einfach völlig unterschiedliche Use Cases und völlig unterschiedliche Produktstrategien.
Der typische Coverband-Keyboarder ist allerhöchst seltenst mit mehr als zwei Klangerzeugern zu sehen. Selbst wenn er richtig Geld in die Hand nimmt, hat er Kronos/Montage/Forte plus optional Nord. Wenn er sich was Neues kauft, dann als Nachfolger für eins dieser Geräte, das er dann verkauft.
Der typische Synthesizer-Nerd geht ganz anders vor. Die wenigsten von denen treten live auf, schon gar nicht mit einer Band – wenn, dann im Duo oder Trio mit ihresgleichen, und dann sind das nicht ein, zwei oder mehr Gigs pro Wochenende mit einer halben Stunde Changeover, sondern dann sind das vergleichsweise seltene Einzelkonzerte. Die breiten dann ihr Equipment auf Tischen aus. Das sind etliche kleine bis kompakte Synthesizer, von denen die wenigsten Tastaturen haben – die meisten dürften nicht mal Speicher haben. Wenn sie Tasten haben, dann meist nicht mehr als 37 und fast nie mehr als 49 (außer wenn der Synthesizer mindestens 35 Jahre alt ist – für einen Juno-106 hat man immer Platz). Dazwischen tummeln sich Effektgeräte, Stepsequencer und vielleicht noch ein, zwei Minisampler. Vergleichsweise häufig sieht man auch Modularsysteme vom kleinen Pultgehäuse mit 42 TE bis hin zu aufgetürmten Kabinetten.
Musikalisch läuft das natürlich auch nicht auf Coverversionen von Partyrock hinaus, sondern mehr auf die Berliner Schule (Tangerine Dream, Klaus Schulze, Ash Ra Tempel usw. usf.) und wohl auch so einigem an Improvisation, weil es eben kein Total Recall gibt.
Im Studio ist noch wesentlich mehr erlaubt. Da steht dann, Kleingeld vorausgesetzt, gelegentlich tatsächlich die Eurorack-Wand (nicht unter 12 HE und selten von nur einem Modulhersteller) neben einem Roland System-700 neben einem ARP 2600 neben mindestens einem Synthesizer aus der Korg-MS-Familie (selten ein Reissue, meist echt alt) nebst SQ-10 neben einem Regal, auf dem sich 303, 707, 727, 808, 909, MPC60, mehrere Jomox-Teile, mindestens zwei Geräte von Elektron und die halbe Produktpalette von GenoQs oder Future Retro tummeln. Der Jupiter ist dann auch kein Jupiter-80, sondern ein Jupiter-8. Obligatorisch ist auch der SH-101, der schon erwähnte Juno-106 (MIDI ab Werk, Baby) und irgendwas von Moog (in gefühlt 50% der Fälle tatsächlich ein Minimoog); vielleicht steht irgendwo auch noch ein Korg Polysix, der meist mit Batteriesäureschaden gekauft wurde, und auf jeden Fall ein 19"-Rack mit irgendwas von Waldorf drin.
Die Verkabelung ist, wenn überhaupt, dann nur bis zur ersten Patchbay permanent – ein Mischpult, das das alles auf einmal zusammenführen könnte, wäre so teuer, daß man viel zu lange auf die Neuanschaffung von Klangerzeugern verzichten muß. So manch eine dieser Sammlungen wurde schon in den 90ern angefangen, als man etliche der Altgeräte noch für relativ wenig Geld bekam, weil sie noch keine Spekulationsobjekte waren.
In den Kreisen ist das Austauschen von Geräten selten. Man kauft Zeug, weil man es geil findet, und nicht (unbedingt), weil es der Nachfolger von etwas ist, was man schon hat – zumal so Hersteller wie Dreadbox oder Bastl Instruments gar nicht diese Etliche-Modellgenerationen-Philosophie haben und auch Elektron nur sehr eingeschränkt. Und selbst wenn es mal einen Generationenwechsel gibt, muß das nicht heißen, daß die neue Generation auch besser ist. Auch "Gebrauchtgeräte" gehen immer wieder gern, vor allem, wenn sie mindestens von Anfang der 80er kommen. Ein SH-101 geht immer – und dem Original wird auch weiterhin der Vorzug gegenüber den Klonen von Uli und Arnold gewährt.
Wenn mal was verkauft wird, dann entweder aus Platzmangel oder aus akutem Geldmangel, oder weil es inzwischen langweilig geworden ist und man es eh nicht mehr einsetzt, oder weil es sich ganz einfach im nachhinein als für die eigenen Zwecke unbrauchbar erwiesen hat. Aber willige Abnehmer findet man beinahe immer, je Vintage, desto häufiger.
Ich sehe ja desöfteren die Burg zurückkehren, zumindestens da wo's die Bühnengrösse erlaubt und man wen hat der einem die ganze Scheisse ausm Truck trägt. Gerne auch vollgeballert mit Masterkeyboards, also nur fürs Auge, und dann mit zentraler Klangerzeugung. Oder halt vier Kronosse oder sechs Fantoms (hallo Bassist bei The Weeknd, der bei drei Songs Tasten spielt, ja ich mein dich.)
Einer der häufigeren Gründe für Burgen ist in der Tat der Endorsementvertrag: Der Hersteller will einfach möglichst seine ganze Produktpalette auf der Bühne parken, zumindest alles, was paßt. Vor diversen Jahren, als es bei Roland noch dünn mit Modellen aussah, sah man in so manch einer Burg einen V-Synth, vielleicht noch eine V-Combo und nicht unter drei Fantoms zum Auffüllen (weil man Profis nicht mit RS oder Junos losschickt und die Zeit, in der Rolands VAs endorsenswert waren, mit der Einstellung des JP-8000 endete – und natürlich, damit man die Fantoms auch von überall im Zuschauerraum aus jedem Blickwinkel erkennen konnte). Vielleicht gab's noch die Keytar du jour dazu.
Justin Timberlakes Tourneen sahen zeitweise aus wie die Roland-Ecke beim Freundlichen – bis darauf, daß der Freundliche meistens nur eine Keytar aushängen hatte und nicht drei baugleiche.
Martman