Gerne möchte aus der Perspektive eines Musiker-Dispokinesiopaeden (auch "Musiker-Dispokineter", hier ein Link dazu auf eine Seite eines befreundeten Kollegen:
https://www.musik-und-disposition.de/html/dispokinesis.html) etwas zum vom TE angesprochenen Problem schreiben.
Tatsächlich wird man nur sehr wenige Instrumentalpädagogen, Dozenten und Professoren an Musikschulen und Musikhochschulen finden, die tieferen Einblick und eine einigermaßen dezidierte Ahnung in bzw. von Anatomie, Physiologie und den daraus ableitbaren Konsequenzen für die Instrumentaltechnik und das Musizieren haben.
Ich darf sagen, dass Musiker (Instrumentalisten/Sänger) mit der Zusatzausbildung zum Musiker-Dispokineter hier eine Ausnahme bilden, denn im Rahmen der Ausbildung findet eine Vertiefung in diese Themen statt. Mit einem Medizinstudium sind diese Unterrichtsstunden natürlich in keiner Weise vergleichbar, aber insbesondere die Zusammenhänge zwischen anatomischen und physiologischen Gegebenheiten und Instrumentalmotorik/Atmung/Singen werden sehr zielgerichtet vermittelt.
Leider ist die Zahl der fertig ausgebildeten Musiker-Dispokineter nicht sehr groß, so dass sich nicht immer eine Dispokineterin/ein Dispokineter in der Näher finden lässt.
[@Heliogabalus, bei Interesse schicke ich dir gerne einige Adressen dazu per PM.]
Was steht bisher im Raum?
Der Verdacht auf verkürzte Sehnen und die Beobachtung von vergleichsweise kurzen Fingern. Während die Fingerlängen jedem einsehbar sind und auch eine daraus eventuell herzuleitende Problematik, ein bestimmtes Instrument zu spielen, entzieht sich die Betrachtung der Sehnen aus naheliegenden Gründen als innen liegende Strukturen der direkten Beobachtung, dem Laien sowieso.
Wobei es durchaus Auffälligkeiten gibt, die von auch Laien nicht zu übersehen sind und die jeden spätestens bei genauerem Hinsehen stutzig machen werden.
Ein Beispiel einer pathologischen Verkürzung von Sehnen der Hand ist die "Dupuytren-Kontraktur" / "Morbus Dupuytren" [
https://lime-medical.de/handverletzung/morbus-dupuytren/]. Ab einem gewissen Fortschreiten dieser Erkrankung ist die Verkrümmung der Finger auch von Laien nicht mehr zu übersehen.
Musiker-Dispokinesiopaeden sollten auf jeden Fall in der Lage sein, eine Überblicks-Diagnose einer pathologischen Veränderung zu erkennen und einzuordnen, auch, krankhafte Veränderungen grundsätzlich von individuellen anatomischen Variabilitäten zu unterscheiden.
Zur genaueren, möglichst endgültigen, diagnostischen Abklärung würde jeder Musiker-Dispokineter aber selbstverständlich die betroffene Person bitten, einen entsprechenden Fachmediziner aufzusuchen.
@Heliogabalus, du schreibst, dass die (mutmaßliche) "Verkürzung" an beiden Händen gleich ist. Das deutet zunächst einmal auf eine individuelle anatomischer Eigenart hin, vor allem, wenn du ansonsten keine Beschwerden hast.
Unterdurchschnittlich kurze Finger sind hingegen in aller Regel nichts pathologisches, sondern nur einfach "individuelle Anatomie".
Von mir also auch erst mal der Rat, einen guten Orthopaeden oder vielleicht sogar direkt Handchirurgen aufzusuchen, um eine profunde Diagnose zu bekommen. Dabei ist natürlich klar, dass es gegen zu kurze Finger keine Art von Behandlung oder gar Operation gibt. Bei bestimmten Problemen des Bindegewebes, hier Sehnen, kann dagegen operativ Abhilfe geschaffen werden - z.B. bei der schon erwähnten "Dupuytren-Kontraktur".
Dabei sah G.O. van de Klashorst (der Begründer der Dispokinesis) eine Operation stets als letztes Mittel an, wenn etwa abzusehen war, dass über das Konzept der Disokinesis-Übungen und -Urgestalten das Ziel der freien und ungehemmten Bewegung am Instrument wegen extremer Verkürzungen oder Verwachsungen von Sehnen nicht erreichbar sein würde.
Die Zahl der Fälle mit operativem Eingriff war aber in seiner sehr langjährigen Praxis sehr, sehr klein. Es gibt auch sozusagen antrainierte Verkürzungen des Gewebes (Muskeln und Sehnen) durch verkrampfte und zu kleinräumige Bewegungen über viele Jahre hinweg (gerade eine falsche und wie van de Klashorst es nannte "adzentrische" Instrumentalmotorik ist prädestiniert, Verkürzungen hervorzurufen, z.B. das bei Cellospielern immer wieder anzutreffende "Pectoralis minor-Syndrom).
Diese können durch entsprechende Übungen und vor allem Umstellung der Instrumentalmotorik hin zu einer "ezentrischen" Motorik wieder frei werden und ihre gute Länge zuück finden
[kein Schreibfehler, das Wortpaar "adzentrisch - ezentrisch" ist eine definierende Wortschöpfung von van de Klashorst, der damit genau der Verwechselung mit den auch in anderen Zusammenhängen gebrauchten Worte "konzentrisch" und "exzentrisch" vorbeugen wollte, denn diese meinen oft etwas ganz anderes].
Verkürzungen der Sehnen sollte eigentlich jeder halbwegs gute Orthopaede diagnostizieren können. Leider sind wirklich gute Orthopaeden in Deutschland eine seltene Spezies und wenn nicht eindeutig eine OP angesagt ist (wozu die Orthopaeden an einen entsprechenden Chirurgen überweisen), dann können die Mediziner Musikern auch nicht mehr weiter helfen. Denn kaum ein Mediziner hat wirklich profunde Kenntnisse von Instrumentalmotorik und Instrumental-Ergonomie (es gibt zwar unter den Medizinern nicht selten welche, die selber ein Instrument spielen, aber gemessen an der Gesamtzahl der Mediziner sind das unter dem Strich doch nur wenige, und dann müsste sich der Mediziner in deinem Fall auch noch genauer mit Geige und Gambe auskennen).
Ein Tipp, den ich geben möchte, ist, sich an die "DGfMM" zu wenden ("Deutsche Gesellschaft für Musiker-Medizin -
https://dgfmm.org/) um nach Adressen in deiner Gegend zu fragen. Etablierte spezielle Praxen für Musiker-Medizin finden sich u.a. an den Musikhochschulen in Hannover und Freiburg, dorthin kannst du dich auch zur Beratung wenden.
Sollten sich dort keine Perspektiven ergeben, weil z.B. an den Fingern und Sehnen nichts pathologisches feststellbar ist was eine OP rechtfertigen würde, würde ich dir raten eine(n) Musiker-Dispokineter/Dispokineterin aufzusuchen. Wie gesagt, kann ich dir dazu gerne weitere Infos per PM schicken. Eventuell aber auch schon vor einer OP, denn in nicht wenigen Fällen wirde - gerade in Deutschland - vorschnell zu einer OP geraten. Vielleicht ergeben sich bei der Anamnese durch einen erfahrenen Musiker-Dispokineter Perspektiven, die eine OP überflüssig machen.
Ebenfalls würde ich zu dieser Konsultation raten, sollte es zu einer OP kommen, damit im Anschluss hinsichtlich der Motorik an der Geige möglichst ein guter Weg eingeschlagen wird.