Hi,
das wichtigste Merkmal der ursprünglichen Classic war immer das "slim taper" Halsprofil, das wesentlich schlanker ausfällt als beim rundlichen Standard.
Eingeführt wurde das Modell Anfang der 90er. Ich kann mich erinnern, dass sie damals oft günstiger angeboten wurde als die damalige Standard. Was sie interessant macht, ist neben dem Halsprofil, dass sie einige Anlehnungen an Vintage-Paulas hatte. Während die grünlichen Einlagen mMn eher hässlich als authentisch gealtert aussahen, hatte sie z.B. das schmalere Binding im Cutaway, wodurch man dort bei transparenter Lackierung ein Stück der Ahorndecke sieht, während bei der Standard das Binding so breit war, dass es diese abdeckte. Auch das Binding hatte wohl eine etwas andere Farbe, und der Headstock war etwas schmaler. Die Seriennummer war gestempelt und nicht eingeprägt, und es wurde Vintage-mäßige Hardware verwendet (Kluson-Tuner statt gekapselten, ABR-1-Bridge statt Nashville), die wie früher vernickelt war statt verchromt.
Was sie nicht hatte, war der "long neck tenon", also der lange Halszapfen, den alte LPs haben, und die "Hot Ceramic"-Humbucker 500T und 496R ohne Kappen wollten so gar nicht zum Vintage-Vibe passen. Mit anderen PUs wirkte sie äußerlich aber eben schon sehr viel näher an klassischen Paulas als die damalige Standard. Es wurde dann auch eine "Classic Plus"-Version eingeführt, die war etwas teuerer und hatte eine schöne Riegelahorndecke. Das lag dann noch näher an dem, wie man sich eine alte Burst vorstellte.
Ich persönlich bin eh nicht überzeugt, dass jede Paula mit long tenon automatisch besser klingt, das hängt mMn eher von der individuellen Verarbeitung ab. Ein schlecht passender long tenon wird eher Schwingungen abtöten als ein stramm sitzender kurzer Halszapfen. Die andere Hardware macht dagegen auf jeden Fall einen Unterschied, da die Nashville-Bridge mit ihren billigen Materialien und der wackeligen Passung zwischen Bolzen und Einschlaghülsen nicht gerade ein Treffer war. Die ABR-1 sitzt mit den Stehbolzen dagegen direkt im nackten Holz. Die Mechaniken machen auch einen gewissen Unterschied, Grovers machen den Ton fetter und etwas weniger holzig als die hier verwendeten Klusons (was den Stilbruch mit den Pickups noch merkwürdiger erscheinen lässt, aber vielleicht wollte man bei Gibson nicht, dass eine "bliige" Classic im Laden genauso klingt wie die damaligen Reissues...).
Warum sie so beliebt ist? Die Classic ist nicht unbedingt eine Edel-Gibson, aber sowas wie die Reissue des kleinen Mannes. Mit anderen PUs kann man sie noch mehr in die Richtung bringen, vorausgesetzt man mag den für Gibson eher untypischen Hals. Der relativ hohe Gebrauchtpreis dürfte aber nicht zuletzt da seine Ursache haben, denn Paulas im klassischen Look und diesem Profil sind eher selten und meist aus teurer Custom-Shop-Produktion. Außerdem hatte ich schon einige in den Händen, und die klangen alle einfach gut. Weiß nicht, ob das Zufall war, aber vielleicht ist das einigen anderen auch schon aufgefallen und sie sind deshalb recht gesucht.
Gruß, bagotrix