In die Songs hineinversetzen?

In der Ausbildung junger Sänger/innen, die das klassische Fach studieren und klassische Sänger werden bzw. bleiben wollen, ist das bildungsbürgerliche "lyrische Ich" sicher angebracht. Im Pop-GU klingt es nun einmal verstaubt und ich kenne niemanden, der diesen Ausdruck verwenden würde. Ich fürchte, die meisten meiner Schüler würden nicht einmal verstehen, was das sein soll.
Ansonsten stimme ich antipasti zu, was gewisse Interpretationsgrenzen angeht: bei religiösen Liedern, sei es nun Gospel oder Kirchenlied, ist bei mir Schluss. Als Atheistin fehlt mir jegliche Inbrunst, den Lord, Herrn, Heiland etc. überzeugend zu besingen - da kann ich auch nur Klänge imitieren, aber es klingt nicht überzeugend und die Texte wirken auf mich oft ungewollt komisch oder pathetisch, dann kann ich sie nicht ernstnehmen und das lyrische Ich versagt....
 
Der Begriff hat halt bloß nun mal etwas ältlich anmutendes und ich erwarte nicht unbedingt, dass er heute noch verstanden wird.

Im Pop-GU klingt es nun einmal verstaubt und ich kenne niemanden, der diesen Ausdruck verwenden würde. Ich fürchte, die meisten meiner Schüler würden nicht einmal verstehen, was das sein soll.

Naja.. ein bisschen Bildung hat noch niemandem geschadet, denk ich. Wenn der Schüler mit dem Begriff nichts anfangen kann, kann man ja erklären, was er bedeutet.

Ansonsten stimme ich antipasti zu, was gewisse Interpretationsgrenzen angeht: bei religiösen Liedern, sei es nun Gospel oder Kirchenlied, ist bei mir Schluss. Als Atheistin fehlt mir jegliche Inbrunst, den Lord, Herrn, Heiland etc. überzeugend zu besingen - da kann ich auch nur Klänge imitieren, aber es klingt nicht überzeugend und die Texte wirken auf mich oft ungewollt komisch oder pathetisch, dann kann ich sie nicht ernstnehmen und das lyrische Ich versagt....

Ehrlichgesagt würde ich als Gesangsschüler aber auch ernsthaft darüber nachdenken, mir einen anderen Lehrer zu suchen, wenn dieser mich dazu drängt, mich im Unterricht beim Singen zu einem Glauben zu bekennen, den ich nicht teile.
 
Naja.. ein bisschen Bildung hat noch niemandem geschadet, denk ich. Wenn der Schüler mit dem Begriff nichts anfangen kann, kann man ja erklären, was er bedeutet.

Wenn man ihn selber normalerweise verwendet, ok. Sonst - ich sehe nicht, warum man unbedingt alles künstlich verkomplizieren muss :nix:

Ehrlichgesagt würde ich als Gesangsschüler aber auch ernsthaft darüber nachdenken, mir einen anderen Lehrer zu suchen, wenn dieser mich dazu drängt, mich im Unterricht beim Singen zu einem Glauben zu bekennen, den ich nicht teile.

Ehrlicherweise glaube ich nicht, dass ein GL, der seine fünf Sinne beieinander hat, das unbedingt von seinen Schülern so verlangt. Viele spirituelle oder sogar christliche Lieder können imho aber durchaus auch von Nicht-Christen überzeugend rübergebracht werden, denn oft genug geht es um Werte, mit denen auch Atheisten was anfangen können dürften. Selbst bei den Gospel, die meiner geringen Einschätzung nach oft christlicher geprägt sind als z.B. neues geistliches Liedgut. Nehmen wir z.B. doch nur mal "When Israel was in Egypts Land" (Gospel) - eine Geschichte von einem Volk, dass die Nase voll hat davon, geknechtet zu sein und aus dem Land, in dem sie leben, weg will. Ist das denn wirklich so unnachvollziehbar für Atheisten? Ich bin absolut sicher, wenn ich mal durch meine Noten schauen würde, ich würde einige Lieder finden, wo Ihr erstmal nicht drauf kommt, dass die christlich sind :)
 
Es geht mir gar nicht so sehr um die Religion - die diente als Beispiel.

Ich kann es noch vertiefen.

Ich hatte keinen Lehrer und als ich anfing mit GItarre spielen und singen habe ich mir allerlei ZUegs aus Büchern mit Akkorden und Text zusammengesucht und gespielt.

zB

Go Down Moses

When Israel was in Egypt's land: Let my people go,
Oppress'd so hard they could not stand, Let my People go.

Go down, Moses,
Way down in Egypt land,
Tell old Pharaoh,
Let my people go.


Natürlich konnte ich mir denken, das es da Leuten nicht so gut geht und sie lieber frei wären. Aber vom Text - obwohl ich Englisch konnte - konnte ich als 14jähriger nicht ein Wort verstehen. Ich hatte keinen Schimmer, wieso Israel in Ägypten gewesen sein soll und was der alte Moses mit den Pharaonen zu schaffen hatte. Das war mir ein Rätsel. Singen konnte ich dennoch halbwegs.

Und darauf wollte ich hinaus. Um sich in die Lage eines lyirischen Ichs zu versetzen, braucht es manchmal eben schon ein gewisses Repertoire aus eigenen Gedanken, Gefühlen und sogar Hintergrund-Wissen.

Und das hat mal halt nicht einfach so.
 
Natürlich konnte ich mir denken, das es da Leuten nicht so gut geht und sie lieber frei wären. Aber vom Text - obwohl ich Englisch konnte - konnte ich als 14jähriger nicht ein Wort verstehen. Ich hatte keinen Schimmer, wieso Israel in Ägypten gewesen sein soll und was der alte Moses mit den Pharaonen zu schaffen hatte. Das war mir ein Rätsel. Singen konnte ich dennoch halbwegs.

Und darauf wollte ich hinaus. Um sich in die Lage eines lyirischen Ichs zu versetzen, braucht es manchmal eben schon ein gewisses Repertoire aus eigenen Gedanken, Gefühlen und sogar Hintergrund-Wissen.

Und das hat mal halt nicht einfach so.

Ah, ok. Das Hintergrundwissen muss dann ggf. der GL beisteuern. Und Substitutionen für die Situation. Hier in diesem Fall könnte ich mir z.B. etwas vorstellen wie "Denen ging es wie Dir zuhause, wo Dich die Eltern doch auch ständig nerven, nur noch viel, viel schlimmer" (vorausgesetzt natürlich, Du hast in dem Alter grad heftig pubertiert :) ).

Klar, dass man Lieder nicht gut authentisch singen kann, bei denen man noch nie in der gegebenen Situation war und auch keine ähnliche Gefühlslage kennt, versteht sich von selbst. Das kommt dann mit dem Alter ganz von alleine :/
 
Ich bin in der komfortablen Lage Amateur zu sein. Das bedeutet ich brauche mich nur mit Musik befassen, die MICH interessiert. Das setzt sich im Gesangsunterricht fort. Das heisst, die Songimpulse bzw. -wünsche kommen von mir. Das erspart die unwillkommene Situation mich mit Stücken auseinandersetzen zu müssen, die mir nichts sagen. Am Anfang steht die Liebe zu einem Stil, einer Band, einem Stück und dann versucht man das umzusetzen. Es ist dann wohl am ehesten möglich, das rauszulassen, was man in sich trägt (musikalisch gesehen). Vielleicht sagt Dir das Stück nicht zu, weil Dein Geschmack wenig getroffen ist. Ergo: Schwierigkeiten Gefühl wahrzunehmen, Verzückung, Ausdruck blahblah. Du weißt, was ich meine.


Gruß Ottilein
 

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