Ich bin auch zuerst davon ausgegangen, dass die klassischen englischen Rocker einfach ihre geliebte Mollpentatonik mit ihren geliebten Durakkorden harmonisiert haben. Melodisch bleibt auch die Mollpentatonik entscheidend. Als Akkordfunktion trifft man aber sehr häufig auch auf die bVI und die II. Damit ist dann die Molltonleiter wieder komplett. Aber auf allen Stufen stehen Durakkorde (oder Powerchords). Auch die bII kommt ins Spiel, meist als terzverwandter Folgeakkord der IV
z.B. "Smoke on the" (IV) "water" (bII) das hat sich als rocktypische Wendung uns allen ja auch in die Ohren gebohrt.
Das Blues Tonmaterial erscheint in dieser Form im Rockgewand und muß sicher anders interpretiert werden, als z.B. bei B.B. King.
Mir scheinen aber das gleichzeitige Auftreten von "Mollpentatonik" + "Durakkorde", I7#9 als Tonikaklang, Mollstufen, dorische Subdominante, plagale Ordnung, Vermeidung von Leittönen, wichtige Merkmale zu sein. Mir scheint, dies ist die englisch geprägte Rockinterpretation des moll und Dur verschmelzenden Blues Tonmaterials.
"Loop I - V - VIm - IV - I "
Das finde ich spannend, danke für den Hinweis, "lydisch" vielleicht eine Erklärung, warum diese Formel im Gegensatz zur Doowop Formel so viel moderner klingt, obwohl nur eine kleine Umstellung der gleichen Akkorde vorliegt. Das Ohr ist schon faszinierend... was man sich so alles zurechthört... tz tz
"Loop Im - bVII - bVI - bIII"
Hier bin ich versucht die Im gar nicht mehr als I, sondern als VIm zu sehen. Bei diesen Songs (z.B. Fields of Gold / Sting) ist ja eine V7-Im Verbindung auch kaum auszumachen. Ich würde also VIm-V-IV-I sagen und das Ganze "fake moll" nennen. Eine Interpretation Im verschleiert ja auch, dass das Ganze in dieser Reihenfolge: VIm-IV-I-V auch wieder nur die 4Chord Progression ist und man halt mit VIm beginnt. (otherside, complicated, Aicha, etc....)
LG
Hagen
(...und man halt mit VIm beginnt. )
Ich bin ja gerne bereit, die ganzen Nebenfunktionen rauszunehmen, wenn du dafür die VIm rausnimmst.... Denn wenn ich der Molleinleitung dominantische Eigenschaften zuschreibe (und das muss ich, wenn ich die bVII subdominantisch höre), dann setze ich für die VIm die Vm ein. Wenn du nach dem spezifischen Pop-Sound fragst, dann ist das auch sinnvoll. Erklärung an einem Beispiel:
Wir fangen mit Akkord Am an , schmachten eine Weile auf diesem Akkord, und setzen mit Akk. G und F fort. Wird Am als VIm gehört, dann G als V und F als IV, und ist die Sache gegessen: Wir sind in "Fake-Moll" C-Dur. Doch die Verbindung Am - G bewirkt etwas anderes: Das Ohr hört G als IV (oder II) und das folgende F ist ein erster Ruhepol, da Gegenklang zum einleitenden Am. Ob nun IIIm - II - I vorliegt oder Vm - IV - bIII, kann das Ohr zu diesem Zeitpunkt nicht entscheiden! Ein später folgender C-Akkord klärt die Sache nicht, denn er kann sowohl eine V als auch eine bVII sein. Die Entscheidung fällt, wenn Dm gespielt wird. Kommt Dm, ist man im Standardmodell der C-Dur-Tonleiter, scheinbar in A-Moll (da in A-Moll begonnen), doch die beiden sekundverwandten Akkorde F und G wirken sich dann gnadenlos Richtung C-Dur aus und Am erscheint nachträglich als VIm , also wurde Moll nur gefaked. Statt Dm lassen wir aber nun D erklingen !! Und damit wird G als Subdominante festgelegt, Am ist (mixolydische) Dominante und F ist bIII. Unser geordnetes Akkordmaterial lautet also D I, F bIII, G IV, Am Vm, und C VII. Womit wir wieder bei einer Moll-Pentatonik gelandet sind. "Fake"-Moll auch hier? Nicht ganz, man muss zumindest ein bisschen die Stammtöne verändern um zwei kleinterzwandte Durakkorde im Akkordpool zu haben analog zu Harmonisch Moll: In HM koexistieren ja friedlich bVII (als dP) und V miteinander.
Mit diesem Trick (Dominanttonart Moll , zugrundeliegende Tonart Dur) lässt sich der bluesorientierte englische Rock doch ganz gut kontinentaleuropäisieren. Der Trick mit Vm und I ist aber auch schon bei Beethoven zu finden. Und ABBA waren sehr auf Harmonielehre bedacht. Beispiel:
"S.O.S" von 1975: Da fängt man klass.harmonisch an mit Im, IIm7b5, V etc, dann wird das klass. Programm mit einer Subdominantkette etwas aufgelockert , mit Durparallele wird fortgesetzt, dann wird auf eine Moll-Bluestonleiter mit bVI, VII, bII, bIII ausgewichen, schließlich kommt nach der bII wieder die Im und Finale auf der Ausgangstonart D-moll.
Oder aber Money-Money - klingt doch sehr nach Blues, ist aber keiner.
Generell ist Pop nicht Rock. Man kann aber Pop so faken dass er fast wie Rock rüberkommt
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Kleiner thematischer Sidestep:
Was soll das heißen ? Es gitb doch nur EINE Bluestonleiter, und nicht eine in Moll und eine in Dur ... ?!
Das weiß ich eben nicht genau.
Ich dachte: Bluestonleiter in Dur geht so: I, II, bIII, III, #IV, V, VI , bVII. Die IV fehlt!
Bluestonleiter in Moll, d.h. VI wird neuer Bezugspunkt und es werden nur I, II, III, V und VI aus der Bluestonleiter in Dur übernommen: Es ergibt sich
I, bIII, IV, V, und bVII. Würde man bIII und #IV aus Dur auch übernehmen, hätte man #IV und VI in der Molltonleiter. Würde man bVII übernehmen, hätte man in Moll die bII. Dann hätte man ja in der Blues-Molltonleiter sogar den Neapolitaner - das kann ich mir gar nicht vorstellen.