Herleitung von anhemitonischer Pentatonik / Lydisch

  • Ersteller möchtegernbach
  • Erstellt am
möchtegernbach
möchtegernbach
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
06.07.22
Registriert
31.05.09
Beiträge
402
Kekse
118
Die Herleitung der Durpentatonik geht über die Schichtung von 4 reinen Quinten. Ich glaube das diese Herleitung nicht durch reine Quinten möglich ist.

Nehmen wir als Beispiel den Ton 100Hz.
Vier geschichtete reine Quinten (2:3) auf 100Hz hätten in einem Oktavraum folgende Frequenzen: 112.5 , 126.5625 , 150 , 168.75

Diese Frequenzen haben nur annähernd die Proportionen welche sie haben sollten. Die Terz und die Sexte sind um 80:81 (syntonisches Komma) zu groß.
Die Herleitung der Pentatonik muss das syntonische Komma berücksichtigen und kann nicht über reine Quinten erklärt werden.
Genau das Selbe gilt für alle Tonleitern also ist eine Herleitung durch reine Quintschichtung ungültig.

Wie kann man die Pentatoniken/Heptatoniken sonst herleiten oder wie würde man das syntonische Komma einführen ohne von der herkömmlichen Herleitung abzuweichen ?
 
Eigenschaft
 
möchtegernbach;6095104 schrieb:
Die Terz und die Sexte sind um 80:81 (syntonisches Komma) zu groß.

Richtig, die große Terz, welche man durch Schichtung von vier reinen Quninten erhält, ist gegenüber der reinen großen Terz zu groß.

Der Unterschied beträgt: (3/2)^4 : 5/4 = 81/64 : 80/64 = 81/80
(syntonisches Komma, entspr. ca. 21,51 Cent, ca. ein Fünftel Halbton)

Kleiner Ausflug in die Musikgeschichte bzw. Entwicklungsgeschichte der Stimmungen:

Im Mittelalter war die auf reinen Quinten basierende Pythagoreische Stimmung die allgemein gültige. Reine Quinten basieren auf der Zahl Drei. Diese Zahl gilt von alters her als göttliche bzw. heilige Zahl und so auch im hoch religiösen Mittelalter: Symbol für Gott; Dreifaltigkeit (Trinität) aus Vater, Sohn und heiligem Geist; Heilige Familie; die Heiligen Drei Könige; Auferstehung Christi am dritten Tag.

Nichtsdestotrotz bemerkte man in der musikalischen Praxis einen Unterschied zu den auf der Drei basierenden Tonsystem. Gute Sänger -Instrumentalmusik gab es kaum- intonierten die Terz nämlich rein. Dies entspricht der Terz in der Obertonreihe. Bereits um 1300 erkannte der Mönch und Musiktheoretiker Walter Odington das Verhältnis von 5:4 und bezeichnete die reine Terz als concordes discordie ("harmonische Zwietracht").
Auch Franchinus Gaffurius (1451-1522) erkannte, daß die Terz in der Praxis (der Vokalmusik) wie eine Konsonanz klingt. Ramis de Pareja (1440-1522) setzte erstmals die reine Terz mit der Proportion 5:4 an die Stelle des Ditonos mit der Proportion 81:64 (musika practica, 1482). In der Folgezeit setzten sich die mitteltönigen Stimmungen durch, welche teilweise noch im 19. Jahrhundert verwendet wurden.

Auch Johannes Kepler kritisierte 1619, daß sich die Alten sich nicht eng genug an die empirische Realität, an das Urteil des Ohres, gehalten sondern stattdessen die Begründung der Konsonanzen in abstrakten Zahlen gesucht hätten.

Was Du bemerkt hast, ist also ein sehr alter Konflikt zwischen einer Tonleiter, die sich aus reinen Quinten herleitet und einer, welche reine Terzen verwendet. Der Konflikt wurde massiv, als sich die Instrumentalmusik entwickelte, man viele Instrumente fest stimmen mußte und man die Musik auch vertikal (akkordisch) orientierte.

möchtegernbach;6095104 schrieb:
Wie kann man die Pentatoniken/Heptatoniken sonst herleiten oder wie würde man das syntonische Komma einführen ohne von der herkömmlichen Herleitung abzuweichen ?

Man kann eine Tonleiter bilden, die auf reinen Quinten und reinen Terzen beruht.

In dieser Diatonik würde man Reihe F-C-G-D-A-E-H nicht durch Quintstapelung erzeugen, sondern durch eine Terz-Quint-Progression F-a-C-e-G-h-D (Großbuchstabe=Quintverwandtschaft, Kleinbuchstabe=Terzverwandschaft).

Es folgt daraus die Tonleiter C-D-e-F-G-a-h-C, welche jetzt einen großen (9:8) und ein kleinen
Ganztonschritt (10:9) enthält. Die Pythagoreische Tonleiter kennt nur den großen Ganzton.

Diese Tonleiter wäre rein gestimmt.
Nachteil: Schwierigkeiten beim Ausweichen in andere Tonarten, Modulieren und Transponieren.

Natürlich läßt sich aus der Tonleiter auch die entsprechende rein gestimmte Pentatonik ableiten:

C-D-e-G-a-C

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Wow !
Mit der Terz-Quint-Progression lassen sich reine Tonleitern viel besser erklären als mit der Quintschichtung.

Die Intervalle bezogen auf den Grundton sind rein doch entstehen deshalb unreine Intervalle auf anderen Tönen.
Ich habe eine Tabelle zusammengestellt die einige unreine Intervalle auf F (Lydisch) bei der Terz-Quint-Progression auflistet.

D-e (kleiner Ganzton)
G-a (kleiner Ganzton)
D-F (kleine Terz um syntonisches Komma zu eng)
D-a (Quinte um syntonisches Komma zu eng)
...
daraus folgt dass um reine Tonleitern auf jedem Ton erzeugen zu können der Tonvorrat mehr als zwölf Töne haben muss.
Wenn ein A (110Hz) die Sekunde von G ist muss das A als Sexte von C die Frequenz 108,64Hz haben.

Wurde schon ausgerechnet wie viele Töne es geben müsste um mit der Terz-Quint-Progression alle Tonarten abzudecken?

Was mir dennoch auffällt ist das die Sexte F-D auch bei der Terz-Quint-Progression unrein ist.
Wenn man ein reines Lydisch auf F haben wollte wie ginge man dann vor ?
 
möchtegernbach;6095994 schrieb:
Wurde schon ausgerechnet wie viele Töne es geben müsste um mit der Terz-Quint-Progression alle Tonarten abzudecken?

Alle Tonarten? Die Anzahl der Töne in der Terz-Quint-Progression und der Quintprogression ist prinzipiell unendlich.
Man darf nicht vergessen, daß nur der gleichstufig gestimmte Tonraum lediglich 12 Töne enthält (Quintenzirkel). Dieser ist mathematisch sehr einfach:

Man stapelt lediglich ein einziges Intervall (den gleichstufig temperierten Halbon) 12 Mal übereinander, was dann die Oktave ergibt.

Vom Gehör her ist gleichstufig temperierte Tonraum allerdings praktisch nicht zu erschließen.

Am leichtesten lassen sich reinen Intervalle Oktav, Quint und Terz hören. Die sind durch die Obertöne bekannt, die in jeden gesungenen Ton enthalten sind - und ein guter Sänger (oder besser ein Duo) trifft (treffen) diese recht gut.

möchtegernbach;6095994 schrieb:
Wenn man ein reines Lydisch auf F haben wollte wie ginge man dann vor?

"Lydisch" und "rein" läßt sich wohl kaum miteinander vereinbaren.

Im Gegensatz zu Ionisch, gibt es in Lydisch im Bezug zum Grundton einen Tritonus. Dieser ist von einem reinen Intervall (einfache Frequenzverhältnisse) weit entfernt.

Verhältnisse in Bezug zum Grundton in Ionisch (reine Stimmung):
c-d: 9/8
c-e: 5/4
c-f: 4/3
c-g: 3/2
c-a: 5/3
c-h: 15/8

Der "lydische" Tritonus (in C wäre es f#), -egal wie man ihn aus reiner Oktav, Quint und Terz bildet-, wäre immer ein Bruch mit höheren Zahlen:

(t=Terz, q=Quint, ok=Oktav)

Code:
25/18 = 2t-2q+ok                            568,72 ct
45/32 = t+2q-ok                             590,22 ct
64/45 = 2ok-t-2q (diatonischer Tritonus)    609,78 ct
729/512 = 6q-3ok (pythagorëischer Tritonus) 611,73 ct
36/25 = 2q-2t                               631,28 ct

Oder soll er auf dem nächsten Oberton, der reinen Sept, gebildet werden? Diese Tritoni wären recht "rein", doch die Einführung der Naturseptim (s) ist in der Musik ungewöhnlich:

Code:
7/5 = s-t        (Huygens’ Tritonus)      582,51
10/7 = ok+t-s    (Eulers Tritonus)        617,49

Wie einfach ist doch die gleichstufig-temperierte Stimmung:
Da gibt es nur einen Tritonus. Mit den Abstrichen an die Reinheit kommt das Gehör offenbar ganz gut zurecht, weil es "zurechthört".

Viele Grüße

Klaus
 
1) Zu den Tonarten:
Mit allen Tonarten dachte ich mir die 12 reinen Intervalle geschichtet auf einen Grundton. Die Skalen auf der kl.Sek gr.Sek kl.Terz ...
Wie viele Töne müssten dann nötig sein um alle Tonarten abzudecken ? Die 12 Töne sind ja auch die einzigen modulatorisch möglichen.

2)
Warum kann man nicht einfach die Terz-Quint-Progression für Lydisch verwenden ?
Im Prinzip ensteht ja bei F-a-C-e-G-h-D nicht nur C Ionisch sondern auch F Lydisch G Mixolydisch usw jenachdem wie man die Töne anschließend ordnet.
Auffällig ist hierbei das C ionisch vollkommen reine Intervalle enthällt wobei F Lydisch eine um das syntonische Komma zu große Sexte hat.
G mixolydisch enthällt eine zu enge Sekunde. Warum entstehen bei der Terz-Quint-Progression nur auf Ionisch reine Intervalle ? Kann man die Progression tatsächlich nur einzig und allein auf Ionisch übertragen um reine Intervalle zu bekommen ?


Um eine reine lydische Tonleiter zu bilden müssten folgende Sekunden geschichtet werden:
gr.Ganzton , kl.Ganzton , gr.Ganzton , Halbton , kl.Ganzton , gr.Ganzton
Wie kann man nun diese reine Tonleiter von der Terz-Quint-Progression ableiten?
 
Zuletzt bearbeitet:

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben