Harmonielehre zur reinen Stimmung

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Moin moin,

als ich mich vor kurzem in der Wikipedia über die verschiedenen Stimmungen schlau gemacht habe,
bin ich über folgenden Link gestolpert:
http://delphi.zsg-rottenburg.de/linkmusik.html

Der Autor dieser Seite hat eine Harmonielehre zur reinen Stimmung entwickelt,
die neben unserem '#' und 'b' noch zwei weitere Vorzeichen einführt, die einen Ton um das "syntonische Komma" verschieben.

Unter einem syntonischen Komma versteht man den Unterschied zwischen der pythagoräischen großen Terz (81:64)
und der großen Terz der reinen Stimmung (5:4 = 80: 64), also 81:64 / 80:64 = 81:80.

Liegt ein Ton ein syntonisches Komma höher als normal, notiert man das Vorzeichen '+', bei tiefer ein '-'.

Dabei kommt man zu der interessanten Überlegung, dass man beim Wechsel zwischen C-Dur und a-Moll das d um ein syntonisches Komma nach unten verschieben müsste,
man hätte also tatsächlich eine Modulation von C-Dur nach a-Moll, bei der ein Ton geändert wird.

...naja, aber schaut selber mal rein!

@whir: Du hattest Recht, da scheint schon vor mir jemand auf die Idee mit dem (x, y, z) = 2^x * 3^y * 5^z gekommen zu sein ;)
 
Eigenschaft
 
HëllRÆZØR schrieb:
Der Autor dieser Seite hat eine Harmonielehre zur reinen Stimmung entwickelt,
die neben unserem '#' und 'b' noch zwei weitere Vorzeichen einführt, die einen Ton um das "syntonische Komma" verschieben.
Erinnert mich irgendwie an das indische System.
 
Diese Alterationszeichen halten leider nicht so lange. Wenn du viel modulierst wirds irgendwann schwierig noch alle Intervalle wirklich notationsmäßig rein zu halten. Das fängt bei der Sache mit dem Leitton an und die Terz ist natürlich auch betroffen. Die wirklich reine Stimmung hört man heutzutage leider selten (außer bei guten historischen Aufnahmen alter Musik) Eigentlich sollten das die Musiker selbst machen (--> guter a capella-Chor kriegt sowas hin) aber "dank" der gleichstufigen Stimmung der meisten Instrumente und der geänderten Hörgewohnheit interessiert das heute kaum jemanden.
 
Das Interessante an der ganzen Sache ist meiner Meinung nach, dass man aus der reinen Stimmung unser Dur-Moll-System recht gut herleiten kann:

Die reine Dur-Leiter entsteht durch 3 Dur-Dreiklänge:
f a- c e- g h- d (S = f a- c, T = c e- g, D = g h- d)
Die reine Moll Tonleiter dagegen durch 3 Moll-Dreiklänge:
d- f a- c e- g h- (s = d- f a-, t = a- c e-, d = e- g h-)

Wobei c d e f g a h c bei mir die Töne der pythagoräischen Stimmung sind,
während c d e- f g a- h- c die (veränderten) Töne der reinen Dur-Leiter darstellen.
(Auf der Seite wird bei der reinen Dur-Leiter von c d e f g a h c ausgegangen, was für mich weniger anschaulich ist)

Man sieht hier z. B., dass sich C-Dur und (a-)-Moll um ein Vorzeichen (d -> d-) unterscheiden, was erklärt, dass man früher den Wechsel zwischen Dur und Moll als Modulation empfunden hat, während man heute nur noch von der Variante spricht.

Außerdem wird deutlich, warum man die Doppel-Dominante verwendet hat, anstatt DP (verdurte Subdominant-Parallele) zu schreiben:
DD von C-Dur aus wäre auf dem Ton 2 Quinten (3:2) über dem c, also der "große Ganzton" über c (9:8), das leitereigene d.
DP dagegen läge auf dem Ton eine Quarte (4:3) - eine kleine Terz (6:5) über dem c, also ein "kleiner Ganzton" (4:3 / 6:5 = 10:9) über dem c, was einem d- entspricht, das allerdings nicht in C-Dur, sondern in (a-)-Moll enthalten ist.

Man kann also davon ausgehen, dass man die Dur-Moll-Tonalität besser versteht, wenn man sich mit der reinen Stimmung auseinander setzt.
 
:rolleyes: Ich habe übrigens vor kurzem was darüber gelesen, dass jemand auf die Idee gekommen ist, die Oktave in 53 (gleich große) statt in 12 Halbtöne zu unterteilen.
Ich habe mal darüber nachgedacht, ob man sich nicht so eine Gitarre bauen lassen könnte.
Da die Bünde enorm klein wären, würde ich für das Griffbrett Fretless (bundlos) wählen und mir die 53 Bünde optisch einzeichnen lassen.
...gut, dass wäre im großen und ganzen nicht viel anders als bei einem Streichinstrument, aber man hätte eine Orientierungshilfe zum Finden der "enharmonisch korrekten" Töne.

In so einer Stimmung wären die Intervalle wesentlich reiner als in unserer gleichstufigen Stimmung, und man könnte sich aussuchen,
ob man pythagoräisch spielt (große Terz im 18. Bund, falls Lehrsaite = Grundton) oder lieber an der reinen Stimmung orientiert (große Terz im 17. Bund).

:cool: Enharmonik wäre dann nicht bloß graue Theorie, sondern könnte wirklich gehört werden.
Hätte man zum Beispiel eine D-Saite, würde man das (pythagoräische) Es im 4. Bund spielen, während man für das dis den 5. Bund wählen würde.
Mit einer übermäßigen Septe lässt sich eine enharmonische Verwechslung in Quintrichtung durchführen, also zum Beispiel es + #7 = dis.
Da 12 Quinten eine übermäßige Septe sind (enharmonisch verwechselte Oktave) und da die Quinte im 31. Bund gespielt wird, muss die übermäßige Septe (ohne Beachtung der Oktavlage)
(12 * 31) mod 53 = 372 mod 53 = (7 * 53 + 1) mod 53 = 1 Bund höher gespielt werden, als normal.
Für die enharmonische Verwechslung in Quartrichtung (z. B. gis -> as) wäre das dann umgekehrt ein Bund nach unten.
Diese 53-tel Oktave (22,64 Cent) entspricht übrigens ungefähr dem Pythagoräischen Komma (#7 - 8 = 23,46 Cent),
kann aber genauso gut als Annäherung an das syntonische Komma (pyth. gr 3 - reine gr. 3 = 21,51 Cent) betrachtet werden,
was der Grund dafür ist, dass man sowohl in der reinen als auch in der pythagoräischen Stimmung die Intervalle enharmonisch (fast) korrekt spielen kann.

:twisted: So ergeben sich also auch 4 verschiedene Tritoni: Die #4 und b5 in der pythagoräischen (27. und 26. Bund) und in der reinen Stimmung (25. und 28. Bund),
wobei auffällig ist, dass in der reinen Stimmung die b5 höher ist, was in der pythagoräischen Stimmung genau umgekehrt ist.

Enharmonische Verwechslung ist allerdings auch hier möglich, allerdings in anderem Kontext:
:screwy: Da ein Bund sowohl als pythagoräisches als auch als syntonisches Komma betrachtet werden kann,
wäre im 17. Bund sowohl eine Interpretation als Terz der reinen Stimmung (extrem konsonant), als auch die einer verminderten Quarte der pythagoräischen Stimmung (extrem dissonant) möglich.

:great: Da man nicht auf 12 Töne beschränkt ist, ergeben sich auch im Vergleich zu historischen Versuchen keine "Wolfsintervalle" (außer man vergreift sich um einen Bund),
es wäre also sicherlich eine recht gute Kombinantion aus gleichstufiger und pythagoräisch/reiner Stimmung.
 
Das klingt alles logisch, aber praktisch ist das nur schwer umsetztbar denk ich mal, weil die gitarrenvariation die dabei rauskäme wäre verdammt schwer zu spielen.
 
und fretless bestimmt auch sehr ungewohnt klänge
 
Das Problem bei so Stimmungen ist nunmal, dass man für jede Art Musik eine eigene Stimmung bräuchte. Es gibt Instrumente, deren Stimmung nunmal ihren Klang festlegt (z.B. Cembalo) und dann macht es keinen Sinn sowas zu ändern. Und wenn du unbedingt alle Stimmungen spielen können willst, lern ein Streichinstrument;)
 
MisterZ schrieb:
Und wenn du unbedingt alle Stimmungen spielen können willst, lern ein Streichinstrument;)
:rolleyes: Ich lerne doch Geige (mein drittes Instrument), aber da muss ich mich momentan noch so sehr auf die Bogenführung konzentrieren, dass mich da Späße wie reine oder pythagoräische Stimmung völlig überfordern würden.
Außerdem fühle ich mich noch nicht dazu in der Lage, eine reine große Terz "nach Gefühl" zu spielen, deshalb wären mir da Bundmarkierungen ganz recht,
und die bringen bei der Geige nur wenig, wenn man da so schief draufguckt (vor allem bei so winzigen Bündchen).

...ich glaube, auf der Gitarre kann ich das am effektivsten lernen, am besten lasse ich mir bei ner alten Gitarre von mir einfach einen Fretless-Hals einbauen und probier damit rum, all zu teuer wird das wahrscheinlich nicht.

;) Und ALLE Stimmungen spielen will ich ja auch nicht können:
Eine gleichstufig gestimmte Gitarre und eine für reine / pythagoräische Stimmung sollten (für's erste) reichen.
Ich bin auf jeden Fall ziehmlich gespannt wie sich das anhört, vor allem der Vergleich verzerrt/clean würde mich ja mal interessieren.
 
Der Vorteil bei reiner Stimmung ist beim Verzerren, dass du auch die Terz spielen darfst, da dadurch, dass die Terz rein ist keine Differenztöne entstehen und damit ein reinerer Klang entsteht ;) Ich hab das mal mit meinem E-Piano ausprobiert (Stimmung umstellen). Hört sich toll an, aber sobald man moduliert kann mans vergessen:cool::D
 
:D Danke, das freut mich zu hören!
Das mit dem Verzerren habe ich bei meinem D-Piano auch mal probiert, allerdings OHNE reine Stimmung, das hat sich schon recht schräg angehört.

Bei 53 "Halbtönen" (verflixt, wie nenne ich diese 2^(1/53)-er Intervalle eigentlich?!? Vielleicht "Komma", da es ungefähr dem pythagoräischen oder dem syntonischen Komma entspricht?)
kann man zum Glück frei modulieren,
man muss allerdings höllisch aufpassen, schon bei einfachen Kadenzen kann man ein syntonisches Komma neben dem Grundton herauskommen.
Auf der obigen Seite kam das Beispiel "C F d- D- G- C-" vor, was eigentlich der Kadenz T S Sp DD D T entsprechen sollte.
(Großbuchstaben Dur, klein Moll, "-" heißt ein syntonisches Komma tiefer).

Der Denkfehler ist, dass Sp ein (d-)-Moll ist, während DD ein D-Dur ist,
richtig wäre (theoretisch zumindest) "C F d- D G C", wobei der Schritt von "d-" nach "D" wahrscheinlich etwas seltsam klingt.
Bei einer normalen reinen C Dur-Stimmung hätte man allerdings nur die Töne "c d e- f g a- h- c" (und 5 Vorzeichen) zur Verfügung,
man würde das Ganze dann "C F d D G C" spielen, wobei d-Moll und D-Dur sehr schief klingen müssten, da das Intervall zwischen "d" und "a-" eine sogenannte (dissonante) "Wolfsquinte" ist, die ein syntonisches Komma tiefer als die reine Quinte liegt.
 

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