Was ist mit "nicht allzu groß" genau gemeint, 1 Meter (denke ich nicht), 3 Meter, 5 Meter oder 10 Meter? Gibt es eine Beziehung zwischen, sagen wir mal der Breite der Orgel und dem Abstand? Und wo in der Höhe sind die Mikros am besten positioniert? Beim Pfeifen Richtlinien Fuß bzw der Öffnung der Pfeifen (also zumindest dort wo die Mehrzahl der Pfeifen die Öffnung haben) oder doch weiter oben bei den geschlossenen Rohren?
Gibt es da quasi Richtlinien, wie man das am besten angeht?
Richtlinien aufzustellen halte ich für schwierig. Denn es hängt von so vielen Faktoren und Bedingungen ab, die die Positionierung der Mikros beeinflussen, und nicht zuletzt von der beabsichtigten Aufnahmeästhetik und Interpretation.
Grundsätzlich sollten polyphone Werke möglichst transparent und durchhörbar bleiben in der Aufnahme, mehr hompohone, sozusagen ´flächig´ gedachte Stücke sollen auch flächig bleiben, brauchen also keine besondere Transparenz. Die Durchhörbarkeit wird deutlicher mit näher positionierten Mikros, die Fläche kommt besser mit größerer Entfernung. Dabei darf beides nicht übertrieben werden. Mit nur 1m kann es fast schon grotesk werden, nicht nur, weil die Nebengeräusche (Traktur/Gebläse) zu sehr in den Vordergrund kommen, sondern unter Umständen auch, weil Orgeln in Kirchen mit sehr großem Nachhall in der Regel etwas schärfer im Klang intoniert werden, damit im Raum bei der Zuhörern noch etwas an Artikulation ankommt. Bei einer zu nahen Mikro-Position würde diese Schärfe überbetont.
Stehen die Mirkos zu weit weg, klingt irgendwann alles verwaschen und undeutlich (siehe auch weiter unten - Ausnahmen können mitunter die erwähnten ´überscharf´ intonierten Orgeln sein).
Ich finde es ideal, wenn das Stereo-Hauptmikrofonsystem in etwa mittig vor dem sog. "Prospekt" steht (das sind die Pfeifenreihen, die sichtbar vorne im Gehäuse stehen).
Es gibt sehr große Orgeln mit mehreren Werken die alle ihren eigenen Prospekt haben (Hauptwerk, Schwellwerk, Brustwerk, Positiv, u.a.m.), hier würde ich in etwa die Mitte der Prospekte anpeilen.
Wenn die Orgel ebenerdig steht, z.B. im Seitenschiff, kommt man mit einem - mehr oder weniger großen - Stativ sicher ans Ziel. Steht sie auf einer hohen Empore, wird es schwierig. Ich habe bei einigen Aufnahmen die Tatsache ausgenutzt, dass in den Spitzen der Kreuzgewölbe Löcher waren durch die ich ein Seil ablassen konnte. Daran konnte ich das Stereo-System aufhängen und es so optimal für die Orgel platzieren.
Wenn es schon ein gespanntes Seil geben sollte vor der Orgel für Mikrofone wäre das ein Glücksfall und überaus praktisch, zumal sich dann sicher schon jemand Gedanken über die ideale Position der Mikrofone gemacht hat.
Eine Orgel und eine Kirche sind akustisch so konzipiert, dass in den Sitzreihen Klang und Lautstärke passen, inklusive alle Reflexionen und Hall/Echo. Das was die Leute IN DER KIRCHE hören, ist das, was sie auch über einen Stream erwarten. Insofern sollte man (man kann ja in einer Darbietung mit Publikum nicht einfach Mikrofone mitten unter die Leute stellen) Mikrofonorte suchen, über die möglichst ähnliche Ergebnisse wie beim Publikum vor Ort erhalten werden.
Dem kann ich im Prinzip zustimmen, vor allem dem folgenden Satz:
"Ich halte es für wichtig, den Klang im Raum abzubilden, weil das das Charakteristische jeder Orgel ist."
Dabei gibt es aber einen Haken, und der hat mit dem "Gesetz der ersten Wellenfront", genauer dem "Haas-Effekt" zu tun [
https://de.wikipedia.org/wiki/Präzedenz-Effekt].
In fast allen Kirchen, außer vielleicht sehr kleinen, eher Kapellenartigen Kirchen mit sehr ´trockener´ Akustik, sitzen die Besucher immer außerhalb des Hallradius. Der Pegel der Reflexionen, also des Nachhalls liegt dann schon immer über dem des Direktschalls. Hier greift nun aber dieser psychoakustische Effekt der "ersten Wellenfront". Das Ohr (genauer: das Hörzentrum) registriert den zuerst eintreffenden Schall, also den Direktschall, und gewichtet ihn über dem später eintreffenden Nachhall. Auf diese Weise entsteht eine Transparenz des gehörten Schalls, der objektiv an der Position des Hörers eigentlich gar nicht vorhanden ist. Bei einer Aufnahme, die später über Lautsprecher oder Kopfhörer wiedergegeben wird, funktioniert dieser Effekt aber nicht, bzw. nur unzureichend. Denn man darf auch nicht den dabei unterstützenden Umstand außer acht lassen, dass der Hörer stets den Raum und die Position der Instrumente/Ensembles (hier der Orgel) ja sieht, fühlt und somit "weiß".
Live klingt es dann o.k., aber die Aufnahme mit den Mikrofonen an derselben Position klingt verwaschen, intransparent und unbefriedigend.
Daher gehe ich gerade bei halligen Räumen lieber näher heran.
Faktisch werden aber die meisten bei Orgelaufnahmen ein gewisses Maß an Undeutlichkeit eher tolerieren als eine zu direkte Aufnahme. Denn den Nachhall sind sie ja gewohnt, eine ´trockene´ Orgel kennen sie nicht (bzw. nur in sehr kleinen Kirchen).