Hallo zusammen,
Warum die vielen Worte?
Ich möchte in diesem Thread, nachdem ich mir nun schon die zweite RTG Prestige Gitarre gekauft habe, hier auch mal meine Erfahrungen und meinen persönlichen Eindruck wiedergeben. Ich habe den Kauf definitiv nicht bereut ...
Der/Die ein oder andere wird - wie ich auch - zunächst davor zurückschrecken, eine Gitarre zu kaufen, ohne sie in der Hand gehalten oder ausgiebigst angetestet zu haben. Denen kann ich jedoch versichern, wagt es! Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Hier - also im Guitar-Shop Winsen - stimmt einfach alles. Die Qualität, der Service, die Sympathie und der Preis.
Bei all den Diskussionen und Lobhudeleien um Paulas, Strats, Teles und PRS' und wie sia alle heißen musste ich diesen Bericht nun mal loswerden. Die genannten Gitarren sind Klassiker in Form und Sound, das steht außer Frage. Aber in erster Linie sind sie mal nur teuer. Aber rechtfertigt das Produkt in seiner Qualität diesen hohen Preis? Ich kaufe bzw. bezahle definitiv zunächst mal den Namen, egal was auch immer draufsteht. Bei meinen Besuchen auf der Musikmesse oder beim Rumlungern in Musikläden hab ich echt schon ganz übles Zeug von 'renommierten' Firmen in der Hand gehalten, Lacknasen, stumpfer Lack, billiges Aussehen, billige Farben, Kratzer und Dongs (out of the Box!!!), lose Buchsen und Potis. Das gehört sich einfach nicht. Das ist grad wie in der Computerbranche, da gibts auch Betriebssysteme, die den Namen nicht verdienen und besser Allgemeine Schutzverletzungssysteme hießen, ASS akut.
ICH bin nicht bereit, für Murks und einen bekannten Namen auf der Kopfplatte mein sauer verdientes Geld herzugeben. Und ich bin auch nicht bereit dann für eine anständig und ordentlich verarbeitete Gitarre horrende Summen zu bezahlen.
Wie ich zu RTG kam
Es begab sich aber zu einer Zeit ... da ich auf der Suche war nach "dem Ton". für meine bevorzugte Musikrichtung Blues, Bluesrock und Classic Rock (vor 1970).
Ich war hin und hergerissen zwischen dem klassischen 60er Jahre Humbucker einer Paula und dem rotzigen P90. Mein Wunsch war es, bei Bedarf einfach den Pickup wechseln zu können, beide "Töne" zur Verfügung zu haben und nicht die Gitarre wechseln zu müssen. Da bin ich auf den "TripleCoil" der Vox Virage gestoßen. Das Konzept der PUs (die es ja natürlich nicht einzeln zu kaufen gibt) war genau das was ich gesucht habe und ich hatte mich nach hin- und herrechnen schon schweren Herzens dazu entschlossen, eine Virage zu kaufen.
Zum Glück konnte mir die Gitarre niemand liefern, da der Vertrieb der Vox-Klampfe wohl etwas merkwürdig läuft. Und diejenigen die es in den großen Läden vorrätig gab, haben mir farblich nicht zugesagt (und bei dem Preis muss auch die Farbe stimmen).
Beim weitergoogeln/-ermitteln kam ich dann auf die Prails samt Schaltrahmen von Seymour Duncan - konzeptionell identisch mit dem TripleCoil-System von Vox/DiMarzio. Die entscheidende Google-Suche war dann "prail schaltrahmen" und ich wurde auf eine Gitarre "RTG Prestige Edel Les Paul mit Prails in Black Cherry" aufmerksam.
Also rein in eBay und geguckt, und gelesen. Von der Optik war ich schon mal begeistert, sah auf den Bildern klasse aus, dazu kamen die verbauten Prails samt dem Schaltrahmen. Genau das was ich gesucht habe, nur für ein Viertel des Preises für die Vox Virage.
Also mal angerufen, festgequasselt und ... eine geordert.
Die Ankunft der Number One
Wie lange doch zwei Tage sein können. Ich war mächtig gespannt auf meine Neuerwerbung. Da ich bislang eher günstige Gitarren wie beispielsweise Thomanns Hausmarke gespielt bzw. gekauft habe, war das nun sehr spannend was mich da erwarten würde.
Also Karton ins Wohnzimmer, Karton aufgefetzt und ... erst mal die supergute Verpackung enfernen, dann ungläubiges Staunen. Da lag das Baby dann. Alter Schwede. Dunkelrot, fast bedrohlich, schwarze Hardware, keine unsinnige und überflüssige Rhythm/Treble Beschriftung, kein Pickguard.
Einfach nur klasse anzusehen.
Dann plötzlich scheint die Sonne durchs Fenster auf den Body und die Pauline - so der heutige Name - scheint in Flammen zu stehen, das rot leuchtet auf wie ein Feuer, tief und böse. Die Maserung der AAA quilted maple Decke (Ahorn) in der bezeichnenden Farbe Black Cherry haut einen echt aus den Socken. Fett! Und das in jeder Beziehung.
Meine Pauline, so heisst sie fortan, hat einen fetten Body aus Mahagoni (5 cm am Rand, ca. 6 mit Wölbung) und ist schwer, ordentliche 4,2 Kilo. Sie wird nun erst mal von allen Seiten betrachtet, angegrabscht und befummelt (die betriebliche Gleichstellungs- und Gitarrenbeauftragte wird mir's hoffentlich nachsehen).
Die Lackierung ist hochglänzend und erstklassig ausgeführt, auch in Problemzonen wie z.B. den Ecken. Die Rückseite ist dunkelbraun mit einer ganz feinen Maserung und hat die beiden obligatorischen eingesetzten schwarz-grauen Kunststoffdeckel für Elektronik und dem schwarzen Toggleswitch (die Ausfräsungen sind mit Abschirmlack versehen)
Der eingeleimte Hals (C-Profil) aus Mahagoni ist schnurgerade und liegt angenehm voll in der Hand, die Breite am Sattel beträgt 4,4 cm. Die Bünde sind mehr als ordentlich verarbeitet, man spürt die Medium-Bünde kaum wenn man am Griffbrettrand entlangstreicht. Als so noch nie gesehene Besonderheit ist der Hals am Übergang zum Body (16./19. Bund) zweidimensional angeschrägt, wodurch man sehr bequem in die Lagen über dem 15. Bund kommt.
Die Saitenlage ist sehr flach, optimiert auf 9er Saitenstärke, die Bundreinheit ist optimal eingestellt.
Die Klinkenbuchse packt ordentlich zu, also nichts Labberiges wie man es von Low- und Mid-Cost Gitarren kennt.
Das Abalone Binding läuft rund um den Body, entlang des Griffbretts (Rosenholz) und der Kopfplatte. Letzteres ist schwarz und trägt eine bzw. die stilisierte Lilie zwischen den Mechaniken und darüber der Schriftzug RTG und klein darunter Prestige.
Das Griffbrett ist mit Flag-Inlays versehen, sehr sauber und nicht spürbar eingearbeitet.
Die gesamte Hardware ist schwarz, inklusive der Grover Mechaniken. Die ebenfalls schwarzen Potiknöpfe in Glocken-/Hutform sind aus wertigem Kunststoff ohne Fehl und Tadel mit einer gut ablesbaren Beschriftung.
Am Gurt - wegen des Gewichts empfehle ich einen breiten - hängt die Pauline perfekt, sie ist in keiner Weise kopflastig. Ein Bodyshaping wäre bei der Dicke des Body sicher praktisch gewesen, aber für mich persönlich ist das mangels Wampe entbehrlich.
Die kleinen Schalterchen am Schaltrahmen für die interne Schaltung der PUs habe ich zunächst als potentielle Fehlerquelle angesehen, aber die machen eine gute Figur, sind augenscheinlich unverwüstlich, nicht versehentlich zu schalten, zweckdienlich und so gut wie unsichtbar.
Klangwelten
Der unverstärkte Ton ist auf einer Lautstärkeskala von 1-3 in der Mitte einzuordnen. Die Saiten klingen gleichmässig, Bässe sind deutlich wahrnehmbar, die Höhen nicht zu schrill, die Mitten gehen nicht unter, als "Ausgewogen" würde ich das bezeichnen wollen.
Nun kommen wir zu dem Teil, das Empfinden am Amp, der eher etwas schwieriger zu beschreiben ist. Die Inhalte von Begriffen wie zum Beispiel 'leichter Crunch' definiert sicher jeder anders.
Daher habe ich statt einer Beschreibung ein kurzes Lick mit verschiedenen Einstellungen hintereinander aufgenommen. Die Gitarre wurde direkt via Firewire-Interface in den Mac aufgenommen. Das Soundfile samt Beschreibung was ihr da hört findet ihr hier:
http://home.arcor.de/guido.kraushaar/soundfiles/
Fazit "Pauline"
Würde ich die wieder kaufen? Ein klares "Ja"! Die Variationsmöglichkeiten durch die PUs ist enorm, fast schon too much. Hätte ich es nochmal zu machen, würde ich zu 95% die Gitarre nur mit dem PRail am Hals ordern und die Stegposition einem Humbucker überlassen, Punch und Druck bekommt der auch hin und die Unterschiede des Pickups am Steg sind in meinen Ohren nicht so unterschiedlich wie am Hals.
Die Verarbeitung ist ohne Kritikpunkt und über allem erhaben. Da könnte man nichts besser machen.
Worüber man aus handwerklicher Sicht allenfalls diskutieren kann wäre ein Bodyshaping auf der Rückseite und das Gewicht (Hohlfräsungen oder sowas). Aber es handelt sich eben um eine Paula, die war schon immer schwer, das "des g'hört so".
Number Two - and the beat goes on
Was bewegt einen dazu, noch eine Gitarre zu kaufen, wenn man eine wie oben beschriebene sein eigen nennt und sooo wahnsinnig begeistert und zufrieden ist? (Der Nicht-Gitarrist/-Musiker wird das übrigens nie verstehen.)
Es ist eine unheilbare unberechenbare Krankheit ... Leute, ich leide an GAS. Phasenweise hab ich dieses Leiden gut im Griff und bin total vernünftig. Doch dann kommen wieder diese Momente, wo ich mich kaum noch zügeln kann, dann befällt mich eine innere Unruhe, eine Gier, schlimmer als die nach Zigaretten.
Meistens wird so ein Anfall ausgelöst durch einen optischen Reiz wie zum Beispiel die Mail von Ronald, dass er da ein neues Modell hat "mit Double-Cutaway in der Farbe ... " ZONG!
Abbruch!
Mail zu!
Browser auf!
Gugge müsse!
Alter Schwede!
Uuuih, schön das!
Fertig, GAS ausgebrochen, Vernunft abgeschaltet, Gier, Schmerz, Verlangen, Sehnsucht.
Habbe müsse!
Ich war ja schon immer scharf auf ne Gitarre mit dieser ganz speziellen Form, mal was anderes, so ein bissel PRS-Style (ich lasse mal die Mensurlänge außen vor). Also wieder ein Optik Kauf. "Aber ich kauf ja mit dem Fernabsatzgesetz im Rücken, also kein Ding. Und wenn du nicht 100% zufrieden bist ..." so dröhnt es in der Vernunft-Hirnhälfte, die andere Hälfte - die GAS-Hälfte - meint nur "Red du nur, ich geb die nimmer zurück. Wollte ich doch schon immer haben!", nicht laut, nur so in den Bart gebrummelt.
(Und wo ich das hier nun so geschrieben habe, fällt mir auch ein Name für die Klampfe ein. In Anlehnung an PRS wird die Neue also "PaRiS" heissen, zumindest vorübergehend. Der Name ist ja irgendwie negativ behaftet, man assoziiert damit ja was extrem Dümmliches und ich spreche der RTG mindestens die doppelte Menge IQ zu, aber das nur am Rande
Wie bei ersten Mal bekomme ich erneut das Gefühl dass 24 Stunden sich wie 'ne Woche anfühlen. Ich würde am liebsten GLS entgegenfahren. Aber nein, brauch ich net, Montags verschickt, Dienstags bekommen. Nach Weihnachten klappts also auch wieder mit GLS.
Gut, packen wir aus. Wie bereits die Pauline ist auch PaRiS im Karton im Karton in weicher Folie und gut fixiert und so gut gepolstert as possible.
Das erste Uuuuiih-Erlebnis habe ich, als ich sie aus der Verpackung hebe. Huch, was soll das sein, ist die aus Balsa-Holz? Die ist mal schön leicht. 3,1 Kilo wiegt die Gute. Der rückseitig leicht angeshapte Body aus Mahagoni ist am Rand gerade mal 3,3 cm dünn (in der Mitte mit Wölbung dann ca. 4 cm).
Um den Body, das Griffbrett aus Palisander und die Kopfplatte läuft wiederum ein peinlich genau verlegtes Abalone Pearl Binding.
Das Griffbrett ist mit einem tadellos verarbeiteten Tree of Life Inlay versehen, wunderschön kitschig. Ich mag so Schnörkelkrams grundsätzlich gar net, aber hier passt es zu der Gitarre, es rundet die Optik perfekt ab, es muss so sein und nicht anders.
Die Kopfplatte hat die gleichen Ausmaße, Design und Winkel wie die Pauline, wirkt nur etwas kleiner und schmäler, ist sie aber nicht.
Die gesamte Hardware, also auch die Grover Mechaniken, sind satiniert-silber bzw. mattiert ... ihr wisst was ich meine, halt nicht glänzend - offiziell heisst das Satin-chromplated. Das habe ich bisher noch nicht live gesehen und muss sagen, dass es sehr sehr edel aussieht. Es ist mal was anderes.
Die beiden Potis sind geriffelte und gesteckte Metall Dome-Knobs, der PU Toogleswitch hat eine schwarze Kappe.
Der Hals aus Mahagoni (auch C-Profil) ist vom Gefühl her wesentlich schmaler als bei Pauline, tatsächlich ist er gerade mal einen Millimeter schmaler (4,3 cm am Sattel). Man kann ihn durchaus als "zierlich" bezeichnen. Der Halsansatz ist hier nicht angeschrägt, aber durch das symetrische double cutaway ist das auch nicht unbedingt erforderlich. Der Übergang in den Body erfolgt beim 21. Bund.
Die Saitenlage ist auch wieder sehr flach, Bundreinheit perfekt, 9er Saitensatz.
Die gewölbte Decke besteht aus feinstem AAAA bookmatched Wölkchenahorn in honeyburst. Das bookmatched ist fast perfekt umgesetzt, Grenzen hat hier nur die Natur gesetzt. Und auch bei dieser Gitarre ist die Lackierung gleichmässig und ohne jeden Makel.
Auf der eher unspektakulären braunen Rückseite, wo man die Maserung gerade noch durchscheinen sieht, befindet sich der eingesetzte schwarz-graue Kunststoffdeckel vom Elektronikfach, welches zusätzlich zu dem Abschirmlack auch eine Folie unter dem Deckel hat.
Bei den PUs handelt es sich um die Tesla 60th Classic Humbucker. Diese sind nicht mattiert. Das wäre zwar schön gewesen, aber so sehr fällt das nicht mal auf.
Neuen (Klang)welten entdecken ...
Unverstärkt möchte ich PaRiS auf der Skala 1-3 bei 2,5 einordnen, womit sie also einen Tick lauter ist als die Pauline. In den unteren Lagen klingt sie fast wie eine Akustik-Gitarre, sehr hölzern und irgendwie perkussiv. Das Klangbild ist im Ganzen betrachtet ebenfalls ausgewogen, es kommt kein Tonbereich zu kurz, "es klingt".
Das Soundfile findet ihr ebenfalls hier:
http://home.arcor.de/guido.kraushaar/soundfiles/
Fazit "PaRiS"
Auch PaRiS ist eine tolle Gitarre. Sie ist leicht, hängt ohne Kopflastigkeit am Gurt und fühlt sich an wie ... ich möchte das mal beschreiben in der Art "reinsetzen und losspielen". Und dieses Gefühl ist noch ausgeprägter als bei Pauline, was sich aber meines Erachtens aber auf das Gewicht zurückführen lässt. Diesen "Hungerhaken" hier merkt man eben kaum in der Hüfte.
Klanglich ist Paris natürlich nicht so variabel wie Pauline (Prails! vs. Humbucker), aber ihren Job verrichten beide PUs tadellos und sehr gefällig fürs Ohr. Nochmal in aller Klarheit, die fehlende klangliche Vielfalt liegt darin begründet, dass bei Pauline PUs mit 24 Schaltungsmöglichkeiten werkeln. Demgegenüber stehen hier drei Varianten. Wäre also ein unfairer Vergleich.
Hergeben werde ich PaRiS auch nicht mehr, die GAS-Hinhälfte hat sich natürlich durchgesetzt. Für ein relativ "kleines Geld", "wenig Euronen" sozusagen (noch weniger als für Pauline) erhält man eine Gitarre, die absolut perfekt verarbeitet ist und die von der PU Ausstattung locker die Bereiche Blues, Jazz und Classic Rock abdecken kann und da eine 1A Figur abgibt.
Würde man eine so aussehende und verarbeitete Gitarre mal bei den "Großen" suchen, dann würde man sicher auch fündig werden, allerdings dann im Custom-Shop. Ob man bereit ist, das finanziell auf sich zu nehmen, mag jeder für sich entscheiden.
Ich bin es definitiv nicht und werde mir allenfalls noch ne RTG kaufen wenn denn da noch eine kommt die mich anspricht ... @murmel ... vielleicht die geile Hollowbody ... @murmel ... oder ne Jazzbox mit P90 aahh ... GAS!
Postambel
Wer sich für eine Paula oder mit der Double Cut für eine PRS-ähnliche Gitarre interessiert, sollte unbedingt einen Blick auf die Gitarren von Ronald Trenkenbolz werfen. In meinen Augen stimmt hier das Preis-Leistungsverhältnis über alle Maßen.
Give it a try!
Blues & Gruß
Guido
PS: Die genauen Bezeichnungen der Gitarren sind übrigens
Pauline: RTG Prestige Heritage Custom Limited
PaRiS: RTG Prestige Double Cutaway Custom Ltd
PPS: Wer von bestimmten beschriebenen Details Bilder haben möchte, weil er sich das nicht vorstellen kann, melde sich bitte: guido.kraushaar at arcor.de
PPPS: Und wer im Raum Mainz wohnt und neugierig geworden ist, kann sich die Gitarren ja auch gerne mal anschauen kommen. Einfach melden.