Schätze, je billiger, desto eher sind Gitarren vegan. Holz ist wohl nach keiner mir bekannten Definition das Problem, Veganer essen ja auch Pflanzen.
Knochensattel, Schelllack, echtes Perlmutt und Abalone, Knochen- oder Fischleim? Das meiste davon findet man doch eh nur noch auf handgemachten Stücken vom Gitarrenbauer oder sündteuren Customgitarren. Schreibt
Gibson zB nicht selber, dass die Gitarren aus der normalen Produktion mit Titebond verleimt werden? Eine aktuelle Standard hat einen Graph Tech-Sattel und Acryl-Inlays. Wenn man also mal die Geschichte mit den Erdölprodukten außen vor lässt, sehe ich da nichts un-veganes. Bei
Fender müsste man halt zur Player Strat greifen, da die im Gegensatz zur Am Pro II einen synthetischen Knochensattel hat.
Ibanez, PRS, Charvel: Auch dagibt es doch eine ziemlich breite Auswahl.
Mal ganz abgesehen davon, dass nicht jedes tierische Produkt auch zwangsläufig Tierleid erzeugen muss. So wie ich das sehe, ist zB das Absterben der Läuse beim Schelleck doch Teil ihres natürlichen Lebenszyklus, der ja bei etlichen Tierarten schon mit der ersten Fortpflanzung wieder endet. Für mich persönlich ist das schon eine andere Kategorie als Legebatterien oder Pelztierfarmen.
Aber es gibt sicher auch Menschen, denen es
per se schon unangenehm ist, tierische Produkte an sich ran zu lassen. Ich gehöre halt nicht dazu, aber da gibts doch kein universelles "richtig" und "falsch". Viele Dinge, die Menschen vor 100 Jahren völlig normal erschienen, werden heute von einer breiten Mehrheit abgelehnt - und umgekehrt. Und spätere Generationen werden über vieles in unserer Gesellschaft vermutlich ähnlich denken wie wir über germanische Menschenopfer, "christliche" Hexenverbrennungen oder eine Demokratie, in der nur männliche Bürger mit Grundbesitz wählen durften. Also, wie gesagt: Schaut man näher hin, kann man mMn genug Gitarren finden, bei denen auch den überzeugten Veganer nicht das Gewissen plagen muss. Ich vermute stark, dass keiner von uns auch nur einen Tag verbringen kann, ohne zumindest ein paar Kleinstorganismen auszulösen - die Frage, ob etwas "wirklich vegan" ist, kann von daher wie so vieles gar nicht absolut beantwortet werden, sondern immer nur wertend, sprich abhängig von dem Maßstab, den man anlegt. Und warum sollte man dessen Festlegung einem Hersteller oder dessen Werbeagentur überlassen?
Was mich nervt, sind von daher eher die Geschäftemacher, die der Zielgruppe weismachen, alles müsste ein bestimmtes Label haben und einen saftigen Aufpreis kosten - aber das Geld verdient sich halt nicht ganz so leicht, wenn die Leute sich erdreisten, ihren eigenen Verstand zu nutzen und einfach mal die paar Specs zu überprüfen, die in Frage kommen. Also schreibt man eben "laktosefrei" auf den Appenzeller und "glutenfrei" auf eine Packung Nüsse, als wär das was besonderes, und es gibt wohl genug Leute, die dafür dann ein paar Groschen mehr hinlegen, dass es auch ausdrücklich draufsteht...
Was solche Dinge wie die Art der Gewinnung des Holzes angeht, so habe
ich ehrlich gesagt
nicht das Vertrauen, dass der Produzent a) wirklich nachvollziehen kann und b) ehrlich kommuniziert, ob da im Urwald mal ein Zugochse verwendet worden ist oder der Baum beim Umsägen auf ein Kleintier gefallen ist. Was man also wirklich angeboten bekommt, wenn ein Produkt gelabelt ist, ist Absolution für sich selbst durch die Verlagerung der Verantwortung.
Sapere aude!
Gruß, bagotrix
P.S: Ziemlich OT, aber ich muss es einfach noch loswerden: Kaum 5 % der Menschen haben hierzulande tatsächlich eine Laktoseunverträglichkeit, und zum Glück noch viel weniger Zöliakie. Die Raten "gefühlter" Unverträglichkeiten lassen sich aber anscheinend durch gezielte PR recht gut steigern
.