es gibt ein "zu präzise" - hört Euch an, wenn Klassiker Jazz spielen.
Das ist oft tot, weil die präzise das spielen, was da in den Noten steht - das aber 100%ig.
Ich glaube, es hängt an dem umgangssprachlichen Wort "präzise", dass da die Meinungen auseinandergehen können.
In dem Sinne des "unlebendigen", "toten", also maschinenhaft ausgeführten, kann ich das natürlich nachvollziehen.
Aber bedeutet umgekehrt "lebendig spielen" gleichzeitig "unpräszise spielen"?
Das glaube ich nicht. Denn das würde bedeuten, dass die Lebendigkeit des Vortrags sozusagen einer Art "Schlampigkeit" geschuldet wäre und man dass im Grunde nur lebendig spielen kann, wer (noch) nicht präzise spielen kann oder im Zweifelsfall vergessen kann, dass er präzise spielen kann.
Jazz und lebendige Spielweise heißt aber für mich nicht, "ungenaues Spiel" - sondern "lockeres Spiel". Und der Unterschied liegt für mich darin, dass die Lockerheit zum einen eine Haltung ist, zum anderen eine Fähigkeit, die vor allem im Spiel mit den Mitspielenden (und da sehe ich eher das kleine Ensemble von Trio bis Septett und auf keinen Fall die Big Band oder das Orchester - beide können aufgrund von Kommunikationsbedingungen gar nicht - jedenfalls habe ich das noch nie erlebt - ungenau spielen mit dem Ergebnis, dass es locker klingt) ein sehr gutes Zuhören erfordert, und dann darin besteht, in winzigen Abweichungen, Nuancen, Verschiebungen - die aber für sich und insgesamt genommen alle nicht "unpräzise" sind bzw. auf ungenauem Spiel beruhen - sozusagen mehrere rhytmische Lagen entstehen zu lassen, die sich komplex aufeinander beziehen.
Die Bedeutung von "nicht präzise" im Sinne von "ungenau" würde ich demzufolge für die Beschreibung eines lockeren und lebendigen musikalischen Vortrages verwerfen.
Sieht man im Wort präzise eher die Bedeutung von "von der Vernunft" diktiert, dem "Willen unterworfen", dann bin ich ambivaltent. Weil für mich ein erstrebenswerter musikalischer Zustand und Vortrag darin besteht, dass ein intuitives Spiel entstehen kann, das sich in diesem Zustand ein gutes Stück vom Verstand und dem kontrollierenden Willen löst. Ein Beispiel dafür ist vielleicht Keith Jarretts Köln Konzert.
Voraussetzung dafür ist aber wiederum ein akribisches Üben an den Grundlagen, der sehr stark dem Willen (und dem Metronom) unterworfen ist.
Keith Jarretts Köln Konzert ist lebendig und präzise zugleich.
Und damit ist lebendig für mich nicht das Gegenteil von präzise.
x-Riff