Der wahre Kern dieser recht fiesen Unkenrufe betrifft sicherlich das Grund-Identitätsproblem des Keyboarders seit dem Beginn der Digital-Ära: inwiefern ist das, was aus dem Keyboard stammt, noch ehrlich?
Diese "Ehrlich"-Frage ist m. E. genauso redundant wie die Authentizitätsdebatte.
Wenn ein Musiker auf irgendeinem Instrument etwas spielt, ist es ein Ausdruck seiner persönlichkeit. Punkt. Ob er das nun auf dem Kamm bläst oder auf einem Trautonium oder einer Drehleier spielt.
Wenn man irgendwelchen Saxophon-Samples aus dem Rompler dudelt, am besten noch per Transpose-Funktion auf die Band abgestimmt, damit man bequem in C spielen kann, frage ich mich, warum man nicht gleich einen MP3-Player dahinstellt.
Sorry, aber das ist doch etwas arrogant aus der "Ich kann alles spielen-Jazz-Ecke".
Es gibt diese Möglichkeiten für Musiker, die technisch nicht so versiert sind.
Ich finde es besser, wenn die Jungs über so einen Trick in der Lage sind, in einer Band zu spielen und Erfahrungen zu sammeln, als wenn sie so lange in ihrem stillen Kämmerlein üben, bis sie zwar Rachmaninow vom Blatt spielen, aber alles über die Dynamik innerhalb einer Gruppe erst noch komplett von Null an lernen müssen.
Rock und Pop, Blues und Soul (m.E. auch Jazz) spielen lernst du in einer Band, nicht alleine.
Dem Problem kann man die Schärfe nehmen, indem man eigenständigere Sounds und Keys wählt. Z.B. eine alte CX3 statt einem farblosen Hammond-Clone oder anstelle von String-Sounds aus der Workstation ein Mellotron.
Was ist eine CX 3 denn anderes als ein (analoger) Hammond-Clone?
Warum soll ein Mellotron (das konzipiert worden ist, um das zu tun was die Workstation heute tun) denn eine bessere Lösung sein?
Ich mag auch Mellotron-Sounds sehr gerne, aber nur weil ein Instrument schon seit zig jahren auf Platten eingesetzt wird, ist es nicht automatisch besser geeignet jemandem zu einem persönlich Ausdruck zu verhelfen.
Denn an manchen Stellen kann man es drehen und wenden wie man will da hört sich ein 08/15-Rhodes-Patch im Kontext trotzdem geiler an als der eigenständige EP-Patch aus dem DX7.
Auch hier wieder nostalgische Verklärung. Dir (und vielen anderen Leuten) gefällt ein echter Rhodessound besser. OK, prima. Dadurch ist es trotzdem kein Gesetz (ganz davon abgesehen, dass "geiler" als Soundbeschreibung doch eher im sehr, sehr subjektiven Bereich anzusiedeln ist).
Wenn man Spaß dran hat, kann man sich ja immer noch den Synthesizern zuwenden. Die haben als Keyboards mindestens so viel Eigenständigkeit wie ne Gitarre und, wenn ihr mich fragt, um einiges mehr Möglichkeiten.
100% Zustimmung.
Achtung subjektive Meinung: Mit jedem auch noch so abgedroschenen Sound kann ich musikalisch etwas audrücken, die entsprechende Technik vorausgesetzt. Wenn ich einen Schritt weiter gehen will, und nicht nur in meinen Noten, meiner Phrasierung, meinen Pausen (als wichtiges Stlmittel leider nicht oft genug erwähnt) meinen ureigenen Ausdruck finden will, dann komme ich um die erstellung eigener Klänge und die Benutzung von Controllern zur Klangveränderung während des Spiels nicht herum.
Warum z.B. nicht irgendeinen Rhodessound durch einen reinen Synthsound mit ähnlicher Hüllkurve ersetzen?
Nur wiel wir durch die technischen Möglkichkeiten unserer Instrumente in der Lage sind andere Instrumente mehr oder weniger gut nachzuahmen, müssen wir uns doch nicht vor den Karren spannen lassen und als Ersatz für nicht in der Band vorhandene Instrumente fungieren.
Keyboarder aller Länder: emanzipiert euch vom Lückenfüller zur eigenständigen musikalischen Funktion.